Ist der "Spiegel" ein antiklerikales Kampfblatt?

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"Spiegel"-Autor Matussek hat übers Abenteuer Religion geschrieben - und seinen Arbeitgeber beschimpft.Konkret warf er seinem Arbeitgeber vor, er habe eine Rezension von Peter Seewalds Buch über den Papst abgelehnt.

Man könnte die Affäre auch als gelungenen Werbecoup betrachten. Obwohl: Nötig hat „Spiegel“-Autor Matthias Matussek diese Werbung eigentlich nicht, schließlich wird sein Buch „Das katholische Abenteuer“ dieser Tage in den deutschen Feuilletons auf und ab besprochen – und zwar durchaus kontrovers, wie das vom Verlag wohl auch beabsichtigt war, der den Band mit dem Untertitel „eine Provokation“ versah.

Für noch mehr Aufregung als das Buch sorgten freilich Matthias Matusseks Äußerungen gegenüber dem Domradio des Bistums Köln. Der „Spiegel“ sei ein „antikirchliches Kampfblatt“, meinte der Redakteur in einem letzten Samstag ausgestrahlten Interview. Konkret warf er seinem Arbeitgeber vor, er habe eine Rezension von Peter Seewalds Buch über den Papst abgelehnt. Angebliche Begründung des stellvertretenden Chefredakteurs Martin Doerry: „Wir haben 13 Leute an der Front, die versuchen, dem Papst Verwicklungen in den Missbrauchsskandal nachzuweisen. Da kannst du doch nicht kommen und den Papst freisprechen.“ Ein solches Verständnis von Journalismus als Kampagnenjournalismus halte er für „äußerst primitiv und blöde“, so Matussek. Matussek war 2007 vom „Spiegel“ als Redakteur entlassen worden, weil er als Kulturchef „untragbar“ geworden sei. Er hat unter anderem seine Mitarbeiter als „Pop-Literaten-WG“ beschimpft.

Chefredakteur fordert „Loyalität“ ein

Der „Spiegel“ war jedenfalls über die jüngsten Ausfälle not amused. Während der direkt angegriffene Doerry nicht antworten wollte, schoss Chefredakteur Georg Mascolo zurück: Der „Spiegel“ sei ein liberales Blatt, in dem unterschiedliche Positionen erwünscht seien. Diese Toleranz dankten die meisten Autoren mit Loyalität – und diese Loyalität erwarte man auch von Matussek. Der prompt zurückruderte: Er sorgte dafür, dass das – schon ausgestrahlte – Gespräch von der Homepage genommen wurde und gab dem Domradio ein neues Interview: Der „Spiegel“, meinte er nun, sei eine „anregende Umgebung, um auch über Religion und meinen Glauben nachzudenken“. Die Idee zum Band „Das katholische Abenteuer“ habe er sogar der Chefredaktion zu verdanken, immerhin hätte sie ihn dazu ermuntert, eine Titelgeschichte über die sieben Todsünden zu schreiben.

Henryk Broders „Brief“ an Matussek

In „Das katholische Abenteuer“ (DVA München, 368 S., 19,99 €) verteidigt Matussek nicht nur den Glauben als „anthropologische Grundkonstante“ – er stellt sich in den Punkten Zölibat und Priesterweihe für Frauen auf die Seite der Hardliner – u.a. mit der Begründung, auch Jesus habe nur Männer als Jünger ausgewählt. Das Zölibat werde zwar oft umgangen, führe zu Doppelbödigkeiten, versteckten Familien, zu falschen Fassaden. „Aber dort, wo er gelingt, hat er für mich etwas Strahlendes. Ja, der zölibatäre Priester ist eine auratische Glaubensfigur.“ Am heftigsten kritisiert wurde der Band wohl von Henryk M. Broder, der für seine Rezension in der „Welt“ die Form eines Briefes an seinen Freund Matussek wählte. Und dabei in Sachen Provokation nicht nachstehen wollte. Titel: „Wenn es einen Gott gibt, dann ist er ein Sadist“. „Versöhnlicher“ Schlusssatz: „Du bist vom Marxismus zum Katholizismus konvertiert. Andersrum wäre es schlimmer.“ best

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2011)

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