Alexander Wrabetz bleibt einzig ernst zunehmender Kandidat für den ORF-Chefposten. Die ÖVP schickt keinen eigenen Kandidaten ins Rennen und überlegt noch, mit wie viel Stimmen sie den SPÖ-Mann unterstützt.
Es wird eine ungewöhnlich kurze Sitzung für die Stiftungsräte am Dienstag werden. Seit Donnerstag steht fest, dass kein weiterer Kandidat für den ORF-Chefposten nachnominiert wurde. Von den insgesamt sieben Bewerbern werden gar nur zwei zum Hearing am 9. August zugelassen: Alexander Wrabetz und ORF-Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz. Die Abstimmung kurz darauf wird demnach eine reine Wiederbestellung des SPÖ-Favoriten Wrabetz. Manch ein Stiftungsrat macht bereits Scherze, was er mit dem freien Nachmittag am Dienstag anfangen werde.
Die ÖVP schickt also wie erwartet keinen eigenen Kandidaten ins Rennen. Wie ihre zwölf Stiftungsräte abstimmen werden, ist parteiintern noch immer nicht geklärt. Am Donnerstag hieß es, es werde zwar eine Zustimmung für Wrabetz geben, aber vermutlich nicht von allen VP-nahen Stiftungsräten. Das bürgerliche Lager ist gespalten: Zu den vehementen Wrabetz-Gegnern zählen Klubobmann Karlheinz Kopf, Freundeskreis-Chef Franz Medwenitsch und Stiftungsrat Franz Krainer. Parteichef Michael Spindelegger, Generalsekretär Hannes Rauch und einige Landeshauptleute sollen hingegen eher bereit sein, den Amtsinhaber zu unterstützen – allerdings nicht ohne eine angemessene Gegenleistung. Denn auch wenn Spindelegger noch vor einer Woche getönt hatte, es gäbe „keinen Deal“ mit der SPÖ, sieht es nun doch danach aus. Das Paket, das die ÖVP ausverhandelt hat, soll dem Vernehmen nach „sehr, sehr gut“ sein – und es wird wohl noch bis Dienstag an den Feinheiten gebastelt. Es soll nun vor allem um Posten auf der zweiten und dritten Führungsebene und Wrabetz' Forderungen nach mehr Geld und Werbezeiten gehen.
Einen Posten hat sich die ÖVP freilich von Anfang an gesichert: den des kaufmännischen Direktors Richard Grasl. Ein zweiter ÖVP-Direktor dürfte nicht dazukommen. An der TV-Direktion hat die Partei wenig Interesse. Zuletzt wurde Kathrin Zechner, Intendantin der Vereinigten Bühnen Wiens, für den Posten kolportiert. Sie winkte ab. Es gilt vielmehr als fix, dass sich Wrabetz eine Kandidatin aus dem Ausland suchen wird. Immer wieder genannt werden die WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff und die derzeitige EBU-Chefin Ingrid Deltendre. Letztere hat aber schon mehrfach abgewinkt.
Restliche Bewerbungen „enttäuschend“
So wenig ernst zu nehmende Kandidaten wie bei dieser ORF-Generalsbestellung gab es selten zuvor. Qualifizierte Bewerber, wie Gerhard Zeiler, wurden dank des vorhersehbaren Stimmverhaltens der SPÖ-Stiftungsräte von vornherein von einer Kandidatur abgehalten. „Das Interesse von Topmedienleuten am ORF ist praktisch auf dem Nullpunkt“, sagt Stiftungsrat Medwenitsch. Er könne qualifizierten Personen gar nicht raten, sich zu bewerben, weil sie ohnehin keine Chance hätten. „Ich sehe es nicht als Aufgabe der Parteien, als Headhunter für den ORF tätig zu werden“, sagt er.
Dass neben Wrabetz nur sein Mitarbeiter Christian Wehrschütz zum Hearing am Dienstag vorgelassen wird, liegt auch an dem niedrigen Niveau der restlichen Bewerbungen. Die seien mit Ausnahme der 115-Seiten-Arbeit von Wrabetz allesamt „enttäuschend“ gewesen, so ein Stiftungsrat. Wehrschütz wurde von ORF-Betriebsratschef Gerhard Moser und Caritas-Präsident Franz Küberl im Grunde nur deshalb eingeladen, weil es „peinlich gewesen wäre, wenn Wrabetz der Einzige wäre“, wie es heißt.
Auch am Konzept von Wrabetz wurde erneut Kritik geübt. Der Verband Österreichischer Privatsender meinte in einem offenen Brief an die Stiftungsräte, Wrabetz' Konzept „lasse daran zweifeln, dass er tatsächlich für diese Position geeignet“ sei. Sie appellierten an die Räte, bei dessen Wiederbestellung durch „geeignete Weisungen“ dafür Sorge zu tragen, dass künftig der Programmauftrag in allen ORF-Programmen eingehalten und „eine Kommerzialisierung der TVthek dauerhaft ausgeschlossen“ wird.
Gerüchte, Wehrschütz erhoffe sich durch seine Bewerbung einen Jobwechsel, dementiert dieser. Er habe bisher nicht mit Wrabetz gesprochen. Sein Vertrag in Belgrad laufe 2012 aus, natürlich werde er Gespräche führen, was er danach machen werde. „Das hätte ich aber auch getan, wenn ich nicht kandidiert hätte.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2011)