Der ORF-Redakteursrat schießt einen Tag vor der Wahl des Generaldirektors scharf gegen den Stiftungsrat Niko Pelinka und wehrt sich gegen den Vorwurf der Einflussnahme.
Morgen, Dienstag, wird der ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wieder zum ORF-Chef gewählt, doch seit Freitag hat sich ein Schatten über den Küniglberg gelegt. Denn zu diesem Zeitpunkt ist eine Bombe im eigenen Lager geplatzt: Ausgerechnet SPÖ-"Freundeskreis"-Leiter Niko Pelinka wurde vom Magazin "Fleisch" sinngemäß damit zitiert, Wrabetz spreche sich mit ihm über die Gästeliste von "Im Zentrum" ab. Nun schießt der ORF-Redakteursrat scharf zurück: "ORF-JournalistInnen lassen sich selbstverständlich keine Eingriffe in ihre Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit gefallen. Für die Zusammenstellung einer Diskussions-Runde brauchen ORF-JournalistInnen zweifellos keine Tipps von außen. Etwaige Zurufe werden von der Redaktion ignoriert", heißt es in der Stellungnahme des Redakteursrats, die von Fritz Wendl, Eva Ziegler und Dieter Bornemann unterschrieben ist. "Die Entscheidungen, was gesendet wird, wird aber ausschließlich in den Redaktionen getroffen."
In der kommenden Geschäftsführungsperiode soll der 24-jährige Pelinka auf Wunsch der SPÖ-Zentrale als eine Art Generalsekretär auf den Küniglberg wechseln.
"Wichtigtuerei und unternehmensschädigend"
Dass Pelinka "versucht, so zu tun, als hätte er Einfluss auf Entscheidungen von ORF-Redaktionen, ist nicht nur realitätsferne Wichtigtuerei, das ist auch unternehmensschädigend. Bleibt die Frage, wie lange sich das jene Mitglieder seines 'Freundeskreises, die durchaus Qualifikationen für ihre Stiftungsratstätigkeit mitbringen, noch gefallen lassen?"
"Zeichen völliger Uneignung"
Mit dem Jungpolitiker geht der Redakteursrat hart ins Gericht: "Nicht nur, dass in seinen eineinviertel Amtsjahren verborgen blieb, worin seine Qualifikation für die Tätigkeit im Aufsichtsgremium eines Milliardenunternehmens bestünde, hat Niko Pelinka nun auch noch ein überdeutliches Zeichen völliger Uneignung abgelegt indem er - offenbar allen Ernstes - den Eindruck zu erwecken versuchte, er bestimme ORF-Informationsprogramminhalte. Wärs so, wärs ein Skandal und eine grobe Verletzung des ORF-Gesetzes."
Die journalistische Unabhängigkeit sei "größtes Plus" der zu Ende gehenden Geschäftsführungsperiode, so die ORF-Redakteure.
Harte Kritik üben die ORF-Mitarbeiter an dem zum Großteil politisch besetzten Stiftungsrat selbst. "Alle, denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk, dessen demokratiepolitische Funktion, dessen Glaubwürdigkeit ein Anliegen ist, müssen dafür sorgen, dass die morgige GD-Wahl die letzte ist, die von einem Stiftungsrat durchgeführt wird, dessen überwältigende Mehrheit nur nach parteipolitischen Vorgaben agiert."
Die ORF-Journalisten fordern seit Jahren eine grundsätzliche Neugestaltung des obersten ORF-Gremiums. Dieses müsse analog zu Aufsichtsräten anderer Großunternehmen zusammengesetzt werden und maximal zwölf bis 15 Mitglieder umfassen.
Sowohl Pelinka als auch Wrabetz haben die Vorwürfe zurückgewiesen. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf ortete "einen handfesten Medienskandal, der nicht ohne Konsequenzen bleiben kann". ÖVP-"Freundeskreis"-Leiter Franz Medwenitsch sah Wrabetz damit als "definitiv nicht mehr wählbar" an und die FPÖ forderte ihn gar auf, seine Kandidatur zurückzuziehen.
Wer stimmt wie ab?
Apropos Parteien: Offen ist noch, wie viele Stimmen der 35-köpfige Stiftungsrat an Wrabetz verteilt. Dessen Ziel lautet, "mehr als 20 Stimmen" zu bekommen, um die 30 könnten es am Ende sogar werden.
(APA)