"Die große Chance": Land der Freaks und Stimmen

(c) ORF (Milenko Badzic)
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Am Freitag startete der ORF seine neue Talentcasting-Show. Vier Kandidaten schafften es ins Halbfinale und dürfen weiter auf die 100.000 Euro Preisgeld hoffen.

"Musi, des is da Ausgleich zua vülen Oabeit", sagt Eberhard. Als singender Bauer ist er im Dorf bekannt. Er singt auf dem Traktor, am Feld und im Stall - und auch in der neuen ORF-Castingshow "Die große Chance". Mit einer Begleitung an der Quetschn stellt er sich auf die Bühne und bringt seinen "Kuhjodler" dar - eine Ode an die Lieblingskuh und deren rauher Zunge. Er jodelt, jauchzt und muht. Das ist skurril und das ist unterhaltend. Und: "Der Eberhard ist, was uns von anderen Castingshows unterscheidet", sagt Moderator Andi Knoll.

Ja, der ORF hat ein Rechtfertigungsproblem. Die Talentshow, die man hierzulande "Die große Chance" nennt, gibt es nämlich in anderen Ländern in sehr ähnlicher Form: "Britain's Got Talent" und das deutsche "Das Supertalent" laufen allerdings im Privat-Fernsehen und nicht im öffentlich-rechtlichen.

Im ORF will man sich daher positiv abheben, die Kandidaten weniger vorführen, die Misserfolge und Pannen nicht ausschlachten. Trotzdem hält die Kamera drauf: Etwa, als ein 16-Jähriger in Tränen ausbricht, weil Jurorin Karina Sarkissova, Ballerina an der Wiener Staatsoper, ihm ziemlich unverblümt gesagt hat, er soll seinen Traum von der Tänzerkarriere aufgeben. Oder als ein Teenager sich vor lauter Aufregung übergeben muss. Zumindest spart man sich die Zeitlupe. "Das muss man wirklich nicht filmen", sagt der Papa des Kandidaten.

Recht hat er, denn in Österreich scheinen sich tatsächlich einige Talente von nicht unbeträchtlichem Unterhaltungswert versteckt zu haben. So zeigt ein extrem gelenkiger junger Mann eine Mischung aus Breakdance und Schlangentanz - fesselnd, auch wenn das Zuschauen weh tut. Rührend ist eine gebrechliche 74-Jährige, die mit voller Inbrunst "Sieben Mal in der Woche möcht' ich ausgehen" singt.

Die Jury, bestehend aus Rapper Sido, Sängerin Zabine, Ballerina Sarkissova und Circus-Roncalli-Chef Bernhard Paul zeigt sich generös. Viele Kandidaten kommen in die engere Auswahl, aus drei Halbfinalisten gewählt werden. Und auch die Jury weiß zu unterhalten, zumindest Teile davon: Während der Zirkusdirektor nämlich kaum einen Satz sagt, macht Sido das Moderatorenduo (dezent: Knoll und Doris Golpashin) beinahe arbeitslos.

Am Schluss kommen vier von insgesamt 20 Kandidaten weiter. Die Wahl der Jury fiel auf die gebürtige Nigerianerin Awoba, die mit einem Whitney-Houston-Cover Gänsehaut erzeugte; den Artist Chris mit seinem extrem durchtrainiertem Oberkörper und auf die eh ganz lustige Vorarlberger Tanztruppe FRK Academy. Erstaunlich brav war die Wahl des Saalpublikums, das ebenfalls ein Ticket für das Halbfinale vergeben durfte: Sie schickt den Tiroler Musiker Marcel Huber weiter, der einen Song mit dem originellen Text "Believe in me like I believe in you" darbrachte.

Die 12-jährige Anna mit ihrer großen Stimme musste ebenso nach Hause fahren wie eine Schuhplattler-Truppe und leider auch Bauer Eberhard. Naja, daheim wartet immerhin die Kuh.

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