ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz dürfte heute oder morgen bekannt geben, dass Niko Pelinka nicht sein Büroleiter wird.
Die Proteste der ORF-Redakteure gegen die geplante Bestellung von Niko Pelinka, bis vor Kurzem Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" im Stiftungsrat, dürften Früchte tragen: Gerüchteweise wird ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in den nächsten Stunden bekannt geben, dass Niko Pelinka nicht sein Büroleiter wird. Das hat "Die Presse" aus ORF-nahen Quellen erfahren. Der 25-jährige Pelinka dürfte ein Angebot von einem anderen Unternehmen haben.
Eine offizielle Bestätigung dieser jüngsten Entwicklung im Medienskandal um politisch motivierte Postenvergaben im ORF steht noch aus.
ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann kündigte gegenüber der Austria Presse Agentur eine Stellungnahme des ORF-Chefs an: "Ich gehe davon aus, dass es vor dem Stiftungsrat eine Stellungnahme gibt." Über den Inhalt verriet er nichts. Auf "Presse"-Nachfrage erklärte Martin Biedermann, Wrabetz werde heute am späten Nachmittag oder spätestens morgen eine Stellungnahme abgeben.
Bereits ab 15 Uhr ist der ORF Thema im Nationalrat. Die Grünen haben einen "Dringlichen Antrag" eingebracht, in dem sie eine Reform des Stiftungsrats fordern.
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Der Stiftungsrat tagt am Freitag. Eigentlich ist die anstehende Sanierung des ORF-Zentrums am Küniglberg Thema, doch auch die "Causa Pelinka" steht auf der Tagesordnung.
Die Einmischung der Politik in den ORF ist so alt wie der ORF selbst, doch seit Weihnachten proben die ORF-Mitarbeiter den Aufstand gegen Postenschacher. Die geplante Bestellung von Niko Pelinka als Büroleiter von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz war "der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte", wie es ORF-Anchorman Armin Wolf formulierte. Wie kam es zur "Causa Pelinka"? Text: her/Red. (c) Die Presse (Clemens Fabry) Politisch motivierte Umbesetzungen gibt es im ORF viele. Gewichtiges Beispiel: NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) fordert Anfang 2009 die Ablöse der Geschäftsführung. Im Dezember macht die Kaufmännische Direktorin Sissy Mayerhoffer Platz für Richard Grasl, bis dahin Chefredakteur im Pröll-freundlichen Landesstudio NÖ. "Part of the Deal": Die ÖVP stimmt zu, dem ORF 160 Millionen Euro an Gebührenrefundierung zukommen zu lassen. Grasls Macht wird 2012 erweitert: Als programmwirtschaftlicher Leiter entscheidet er direkt mit, für welche Programme Geld zur Verfügung gestellt wird. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER) Nikolaus Pelinka (damals 23) wird nicht nur Stiftungsrat, sondern gleich Vorsitzender des roten "Freundeskreises" im obersten ORF-Gremium. Karl Krammer, maßgeblicher Einfädler für die Wahl von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz 2006, wird über Nacht abserviert. Pelinka ist Teil des roten Netzwerks "Junge Rote" um Laura Rudas. Im Bild: Wrabetz mit Krammer (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER) Unter Pelinkas "Freundeskreis"-Führung wird (SP-Vorstellungen entsprechend) TV-Chefredakteur Karl Amon zum Hörfunkdirektor und Fritz Dittlbacher zu dessen Nachfolger bestellt. Nach einer öffentlichen Schlammschlacht wird Informationsdirektor Elmar Oberhauser vom Stiftungsrat abgewählt - das gab es davor erst ein einziges Mal. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Ende 2010 wird erstmals öffentlich kolportiert, dass Niko Pelinka nach geschlagener Generaldirektoren-Wiederwahl als Art Generalsekretär auf den Küniglberg wechseln könnte. Der Redakteursrat kündigt massive Proteste an. "Ich schließe aus, dass ich in der nächsten Geschäftsführung in den ORF wechsle", sagt Pelinka. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Kurz vor der Generaldirektoren-Wahl schlägt ein Zitat von Niko Pelinka Wellen: Das Magazin "Fleisch" befragt ihn zu seinem Verhältnis zu Wrabetz und zitiert ihn sinngemäß damit, dass man sich über die Besetzung von der Diskussionssendung "Im Zentrum" abspreche. "Fleisch" ändert schließlich die Passage ab. Begründung: "Nicht autorisiert". (c) EPA (ROLAND SCHLAGER) Der Stiftungsrat wählt Generaldirektor Alexander Wrabetz in eine zweite Amtszeit. Teil des "Deals" für die Wiederwahl ist ein Personalpaket, deren Details hier zu weit führen würden. Der SPÖ, die neben Wrabetz auch Radiodirektor Karl Amon und TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher für sich verbucht, wird der neue Technikdirektor Michael Götzhaber zugerechnet. Der bürgerliche Grasl bekommt mehr Macht. Für Aufregung sorgt, dass ÖVP-Stiftungsrat Helmut Krieghofer wird Tiroler Landesdirektor. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Thomas Prantner (im Bild) soll - auf Wunsch der Blauen und Orangen - stellvertretender Technischer Direktor werden, denn sein Posten als Onlinedirektor wird eingespart. Und wieder munkelt man über einen Wechsel von Pelinka in die ORF-Führungsetage. Der Jungpolitiker selbst spricht wiederholt von "haltlosen Gerüchten". (c) ORF (Hans Leitner) Freitagnachmittag, der Tag vor Heiligabend: Wrabetz schickt eine Aussendung aus. Ihr Inhalt: Pelinka wird sein Bürochef, Prantner wird Technischer Vize-Direktor und der christlich-bürgerliche Robert Ziegler aus dem Landesstudio Niederösterreich wird Bundesländer-Koordinator. Für Aufregung sorgt zusätzlich, dass die Posten nicht ausgeschrieben wurden. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER) In den Redaktionen des ORF regt sich erster Widerstand: "ZiB 2"-Moderator Armin Wolf stellt via Twitter fest: "Ich bin wirklich ein großer ORF-Fan, aber manche Dinge in diesem Haus machen einen echt fassungslos." Wrabetz' Plan, dass sich die Aufregung um den Postenschacher über Weihnachten legen wird, geht nicht auf. Der Redakteursrat kommt erst richtig in Fahrt. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Fritz Wendl, Dieter Bornemann (im Bild) und Eva Ziegler vom Redakteursrat schreiben in einem E-Mail an die Mitarbeiter, sie prüfen (juristische) Maßnahmen gegen die Postenbesetzungen. Auch die Auslandskorrespondenten äußern in einem Schreiben Kritik. Und im ORF startet eine Unterschriftenaktion gegen die Postenvergaben. (c) ORF (Ali Schafler) Die Ausschreibung des Bürochef-Postens wird in der "Wiener Zeitung" nachgereicht: Eine Redakteursstelle in der Verwendungsgruppe 16 (von insgesamt 18). Besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten werden nicht verlangt. Was den ORF-Mitarbeitern sauer aufstößt: Als Redakteur hat man steuerliche Vorteile und Einblick in das Redaktionssystem - etwa in die Texte für die "ZiBs". Bruttogehalt: 5270,65 Euro. Und: "Bei den Besetzungen werden Gesichtspunkte der Hebung des Frauenanteils besonders berücksichtigt." (c) Screenshot: DiePresse.com Während Wrabetz die Postenvergabe verteidigt ("Entscheidung muss bei mir liegen"), werden auch aus der Politik kritische Stimmen laut: "Pelinkas Bestellung schädigt den ORF", sagt Salzburgs Landeshauptfrau Gabriele Burgstaller dem "Standard". In Richtung der eigenen Partei meint sie: "Wir sollten so etwas nicht nötig haben." Ansonsten verhält sich die SPÖ auffallend still. (c) APA/FRANZ NEUMAYR (FRANZ NEUMAYR) Eine besonders prominente Stimme meldet sich zu Wort: Die Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek behandelt den Fall in dem Text "Der kleine Niko": Sie beschreibt Niko Pelinka und Laura Rudas als "Totengräber" der Sozialdemokratie. (c) Dapd (Rudi Blaha) Die Verwandtschaft schaltet sich ein: "News"-Chefredakteur Peter Pelinka gibt sich neutral und betont die Eigenständigkeit des Sohnes. Nikos Onkel und Politikwissenschaftler Anton Pelinka wettert in der "Zeit": Der mediale Aufruhr "ist nicht Kritik - das ist der irrationale Zorn einer Generation, die sich eines nicht eingestehen will: Auch ihr folgt eine neue Generation nach." (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Via Medien richtet man sich auf dem Küniglberg gegenseitig Auffassungsunterschiede aus: Niko Pelinka erklärt in der Sonntag-Ausgabe der "Kronen Zeitung", er habe Wrabetz angeboten, seine Bewerbung zurückzuziehen. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) "Die ORF-Spitze wird politisch erpresst", meint Armin Wolf im "Profil". Wrabetz erwidert: "Ich lasse mich nicht politisch erpressen." In Interviews mit der „Krone“ und der APA sagt er, es bleibe sein Wunsch, dass Niko Pelinka sein Büroleiter wird. (c) APA (HERBERT PFARRHOFER) Redakteursversammlung im ORF: Zentralbetriebsrat und "ZiB"-Redaktion fordern in einer Resolution, Wrabetz solle die Postenbesetzungen zurücknehmen – sie seien "weder formal noch juristisch haltbar". Auch die Familienkommunikation im Hause Pelinka scheint an der Affäre zu leiden: Peter Pelinka droht seinem Sohn via "Falter" eine "Watschen" an, falls dieser im ORF politisch interveniere. (c) Die Presse (Clemens Fabry) Unterdessen taucht ein brisantes E-Mail von Niko Pelinka an die Stiftungsräte auf: Der 25-Jährige, der seine Funktion im Stiftungsrat zurückgelegt hat, lädt die Stiftungsräte zur "fraktionellen Besprechung" in das "Klubvorstandszimmer der SPÖ im Parlament" ein. Und zwar, um mitunter seine "Nachfolge", die Pelinka unter Anführungszeichen setzt, zu besprechen. Medienbeobachter befürchten, dass Pelinka seinen Job als Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" im Stiftungsrat hinter den Kulissen weiter ausführen will. Das E-Mail geht außerdem an Cap und Rudas. Nach Bekanntwerden der Aktion (im "Kurier) wird die gemeinsame Sitzung abgeblasen. (c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER) Die Ergebnisse der Unterschriftenaktion sind da: Mehr als ein Drittel aller ORF-Mitarbeiter, nämlich 1316 von 3281, haben die "Liste für einen unabhängigen ORF" unterschrieben. Die "ZiB"-Redaktion fordert Pelinka in einem offenen Brief auf, "im Interesse des ORF Ihre Bewerbung zurückzuziehen". Pelinka erwidert: Er tue das nur, wenn Wrabetz das wolle. Und der will nicht. Das macht er auch in der Redakteursversammlung klar. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Die "ZiB"-Redaktion stellt ein Protestvideo auf YouTube: 55 Redakteure und Moderatoren des Aktuellen Dienstes verlesen darin eine Protestnote. Die Breitenwirkung ist enorm. Stiftungsratsvorsitzende Brigitte Kulovits-Rupp – Mitglied jenes SPÖ-"Freundeskreises", den Pelinka bis vor Kurzem leitete – empfiehlt Wrabetz, die Ausschreibung zurückzuziehen. Die Protestfront wird breiter: Die Grünen wollen den Stiftungsrat neu gründen. Die Causa ist Thema im Nationalrat: Ein "Dringlicher Antrag" der Grünen verlangt eine Entpolitisierung des ORF-Stiftungsrats.Im Laufe des Tages sickert durch: Pelinka wird offenbar doch nicht Büroleiter. Er dürfte ein anderes Angebot haben. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER) Am Donnerstagvormittag ist es dann soweit: Niko Pelinka übermittelt eine schriftliche Stellungnahme an die Austria Presse Agentur, in der er erklärt, dass er seine Bewerbung zurückzieht. Die "öffentliche Debatte über meine Person und meine mögliche Bestellung zum Büroleiter des ORF-Generaldirektors hat ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr akzeptabel ist", heißt es darin. Mit seinem Rückzug wolle er, "weitere untergriffige Angriffe gegen mich, meine Familie und mein persönliches Umfeld vermeiden" und die "wochenlange Weiterführung dieses unwürdigen Theaters" verhindern. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Pelinka, der Stiftungsrat und der Protest der Redakteure (awa/her)
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