„ORF-Debatte war wie Volksbegehren via Social Media“

Kommunikationsexperte Hannes Haas (Uni Wien) meint, der Stiftungsrat sollte kleiner, seine Arbeit transparenter werden.

Die Presse: Der Verdacht von Postenschacher im ORF bleibt auch nach Pelinkas Rückzieher aufrecht. Brauchen wir ein neues Volksbegehren?

Hannes Haas: Was wir erlebt haben, war ja wie ein kleines Volksbegehren via Social Media. Es hat gezeigt, dass der ORF der Bevölkerung nicht gleichgültig ist.

Die politischen Parteien nützen die Gelegenheit, um Neuerungen im ORF-Gesetz zu verlangen.

Anlassbezogene Änderungen sollte man nicht machen, sondern das gut überlegen. Ein „cooling down“ fände ich gut – dass man nicht mehr direkt aus dem Stiftungsrat in einen ORF-Job wechseln dürfte. Das könnte man in Corporate-Governance-Regeln auch relativ rasch umsetzen.

Auch der Stiftungsrat steht zur Diskussion.

Die Idee, dass der Stiftungsrat künftig selbst entscheiden soll, wer einem scheidenden Mitglied nachfolgt, erscheint mir unausgegoren. Sinnvoll wäre aber, die Zahl der Mitglieder zu reduzieren: Wie sollen 35 Leute in einem Aufsichtsgremium miteinander reden? Weniger Mitglieder wären allein aber noch kein Erfolg – sondern, wenn man das Unmögliche schafft: nämlich die Gesellschaft im Stiftungsrat zu spiegeln. Dieses Kunststück hat bisher aber kein Land zustande gebracht. Und: Man müsste, was im Stiftungsrat passiert, transparent machen.

Sollte der Stiftungsrat öffentlich tagen?

Auch das kann man diskutieren. Man kann auch über eine Homepage informieren.


Das BZÖ will den ORF als AG privatisieren.

Das wäre nicht gut. Der ORF ist gebührenfinanziert und gehört nicht den Parteien, sondern der Bevölkerung – wenn man 75Prozent der Aktien auf den Markt wirft, hat die Bevölkerung eine schlechtere Position.

Ist das Image des ORF und von ORF-General Alexander Wrabetz nun beschädigt?

Momentan sind alle Images beschädigt. Das war ja ein riesiger Sturm, den es da gegeben hat. Ich habe öfters an den Spruch von Anton Kuh denken müssen: „Warum denn sachlich, wenn es auch persönlich geht?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2012)

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