Machtkampf

Machtkampf an der Spitze von Suhrkamp, Führungswechsel bei Hanser. Welch ein Unterschied in der Verlagskultur! Und was macht eigentlich der große Verteiler Amazon?

Am Wochenende schien es im Suhrkamp Verlag, wo Wesentliches zur Geschäftsführung gerichtlich geregelt wird, ein Einlenken zu geben. Der kleinere Gesellschafter, Hans Barlach, der 39Prozent der Anteile hält und Ulla Unseld-Berkéwicz herausfordert (die Witwe des großen Verlegers Siegfried Unseld), hat ein halbherziges Angebot gemacht. Allerdings müsste dann die große Gesellschafterin, die 61Prozent des Verlages besitzt, die Klage gegen ihn zurückziehen und weitgehend ihre Funktionen abgeben. Das klingt nach Frieden, heißt aber eigentlich nur: Die Witwe muss weg. Der Titel ihres vor zwei Jahren publizierten, jüngsten Buches passt zum Thema: „Überlebnis“. Und auch das für kommenden Mai geplante Werk klingt prophetisch: „Reine Erfindung“. Es gehe um Endzeit, Angst, Ahnung, heißt es in der Programmankündigung.

Welch ein Kontrast zum hässlichen Streit bei Suhrkamp ist hingegen die Wachablöse bei einem weiteren bedeutenden deutschen Verlag, einem der wenigen, die sich zwischen Medienmultis ihre Unabhängigkeit bewahrt haben: Hanser bekommt Ende nächsten Jahres einen neuen Kapitän. In dieser Woche ging bei all dem Trubel um Suhrkamp beinahe unter, dass Michael Krüger den Chefposten seiner Firmengruppe abgeben wird. Als Lektor begann er dort 1968, seit 1986 hat er das Haus mit dem Stammsitz in München (mit starken Tochterunternehmen auch in Wien und Zürich) erfolgreich geführt. Und ruhmreich; Nobelpreisträger wurden bei Hanser unter ihm geradezu Dutzendware.


Literat als Unternehmer. Krüger (69) ist selbst, so wie Ulla Berkéwicz (64), ein renommierter Dichter, er wirkt auch als Übersetzer. Zuletzt erschien von ihm bei Suhrkamp der elegische Gedichtband „Ins Reine“ (ohne Erfindung also). Ein recht bekannter und fast ebenso produktiver Schriftsteller ist auch sein Nachfolger, der seit drei Jahren die Geschäfte des DuMont-Buchverlages leitet und nun überraschend als neuer Hanser-Chef nominiert wurde: Jo Lendle (44) gab sein prosaisches Debüt vor 13 Jahren – bei Suhrkamp. Inzwischen liegen drei Romane des Intellektuellen aus Osnabrück vor. Unlängst erschien „Alles Land“ bei der Deutschen Verlags-Anstalt. Der Plot: Alfred Wegener, Entdecker der Kontinentaldrift, scheitert bei einer Expedition in die Arktis, findet sein eisiges Grab in Grönland.

Warm anziehen ist für künftige Verlagsleiter wohl Programm, wie eine vorweihnachtliche und für Verlage gar nicht friedliche Meldung aus den USA zeigt: Kindle, elektronische Bücher-Schleuder des Medienriesen Amazon, heizt das Geschäft in Amerika mit einer Flatrate für Kinder an. Um 4,99Dollar pro Monat dürfen die Kleinen, die noch gar nicht richtig lesen können, auf brandneuen Tablets multimedial voll eintauchen. Merry Dumping!

norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2012)

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