Der Mediator: Nationalfeiertag

Am Nationalfeiertag betont dieses Land seine Unabhängigkeit und ihre Verteidigung mit allen Mitteln. Der schöne Gedanke sollte auch für den Österreichischen Rundfunk gelten.

Im Kindergartenalter hat der Mediator einst den 26. Oktober als den „Tag der Fahne“ begehen dürfen. In der Volksschule hieß er dann plötzlich „Nationalfeiertag“. Warum die Bezeichnung gewechselt hatte, kümmerte mich damals wenig. Wesentlich war, dass man frei bekam. Wer aber heute bei aller Partylaune die Präambel zum Nationalfeiertagsgesetz von 1965 nachliest, sieht den Sinn des Feierns vor allem darin, dass Österreich über die Neutralität „seinen Willen erklärt hat, für alle Zukunft und unter allen Umständen seine Unabhängigkeit zu wahren und sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen“.

Diese Passage sollte der Bundespräsident bei seiner Ansprache zum Nationalfeiertag jedesmal zitieren. Mein bescheidener Vorschlag. Jedesmal sollte er dazu ein konkretes Beispiel nennen, bei dem es aktuell besonders notwendig wäre, die Unabhängigkeit unter allen Umständen zu wahren.

Und weil heute gerade Feiertag ist, soll ein ganz konkreter Fall genannt werden: Lieber Herr Bundespräsident, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Bundesregierung! An diesem besonderen Tag wende ich mich mit der besonderen Bitte an Sie, für alle Zukunft und unter allen Umständen die Unabhängigkeit des ORF zu ermöglichen und sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen.

Diese Selbstverständlichkeit scheint eben wieder in größerer Gefahr zu sein. Sogar schon in dem abgeklärten und zugleich liberalen deutschen Wochenblatt „Die Zeit“ wird in einer ausführlichen und schlüssigen Analyse von Joachim Riedl vermutet, dass sich die Koalitionsverhandlungen von SPÖ und ÖVP derzeit nicht nur mit dem Geschäft des Regierens befassen, sondern wieder einmal dazu benutzt werden, sich in den offiziell unabhängigen Österreichischen Rundfunk einzumischen. Dessen Führungspositionen sollen neu verteilt und dem kleineren Proporz angepasst werden.


„SOS ORF!“ Der Mediator fügt hinzu: Unser aller ORF soll wohl wieder mit stärkerem Druck aus den Parteizentralen gefügig gemacht werden, sodass die Verniederösterreicherung und Verwienerung neue rot-schwarze Blüten treibt. Die mittelgroßen Granden der Regierenden haben auch auf dem Küniglberg die Schuldigen für das miserable Abschneiden bei den Nationalratswahlen vor einem Monat ausgemacht. Laut Riedl störte sie insbesondere die „Inflation an TV-Konfrontationen“. Da kam doch tatsächlich auch die Opposition zu Wort und ins Bild!

Es ist also wieder an der Zeit, den Hilferuf „SOS ORF!“ auszustoßen. Dass sich der Redakteursrat gegen einen Rückfall ins alte Proporzsystem wehrt, ehrt ihn. Man sollte die Kollegen auf dem Küniglberg unterstützen. Vielleicht ist es wieder an der Zeit für ein Volksbegehren. Der ORF scheint immerwährend böse Absichten zu wecken.

norbert.mayer@diepresse.com

diepresse.com/mediator

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

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