Israel ist immer schuld

Für alte Nazis gilt: Israel ist immer schuld. Und für alte Linke? Im Krieg um Gaza scheinen sich die extremen Ränder wieder erstaunlich einig zu sein. Sogar im braven Deutschland.

Warum gibt es keinen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern in Gaza? „Neues Deutschland“, die „Sozialistische Tageszeitung“, die einst treu dem DDR-Regime verhaftet war und diesem ewigen Gestern vielleicht sogar ein wenig nachtrauert, ahnt in einem Kommentar am Samstag, warum schon wieder keine Ruhe herrscht im Nahen Osten: „Es ist dieser schräge Blick von oben auf die ,Extremisten‘, ,Islamisten‘, ,Terroristen‘, als die Hamas-Palästinenser der israelischen Führung noch immer synonymisch und unterschiedslos gelten. Und noch immer teilt die westliche Wertegemeinschaft diese Feldherrenattitüde. Folgerichtig werden Verhandlungen mit Hamas auf Augenhöhe als nicht zumutbar eingestuft.“

Unter Honecker hätte es das in Ostdeutschland nicht gegeben, der wusste zwischen Attitüden der Imperialisten und der gerechten Sache unterdrückter Völker fein zu unterscheiden. Er hatte bei Stalin gelernt. Und der war für sein sicheres Gespür bekannt, das Revisionistische in all diesen Trotzkis zu wittern. Das sah man ihnen doch an der Nase an.

„Neues Deutschland“ mag vielleicht zu alt sein, um dazuzulernen. Aber was hat die „Junge Welt“ begriffen, die voll pubertärem Eifer seit 1947 den Osten revolutioniert? Sie kommentiert „Israels Feldzug gegen Gaza“, der den „bewaffneten Widerstand der Palästinenser“ offenbar stört: (des israelischen Ministerpräsidenten) „Netanjahus Chancen, dieses einseitige Massaker noch längere Zeit fortsetzen zu lassen, stehen ausgezeichnet. Umfragen zufolge sind 85 Prozent der israelischen Bevölkerung entschieden gegen einen Waffenstillstand, bevor nicht ,alle Tunnel gefunden‘ sind und ,Hamas kapituliert‘ hat.“ US-Senat und Repräsentantenhaus stünden „ohne eine einzige erkennbare Ausnahme bedingungslos und verbal aggressiv hinter Israels Krieg. Oft fallen sie damit auch scheinbar differenzierteren Positionen ihrer eigenen Regierung in den Rücken“.


Zonen-Angst.
So sind sie halt, diese Feldherren, die das kapitalistische System Washingtons manipulieren: Die wollen tatsächlich ein mühsam von der arbeitenden Hamas-Klasse gegrabenes Tunnelsystem zerstören, das letztendlich ein Friedensprojekt ist (wenn der Feind durch den bewaffneten Widerstand ins Meer getrieben wurde). Israel plane eine drei Kilometer breite, unbewohnte Pufferzone zu Gaza, ereifert sich die „Junge Welt“ und tadelt die „ständigen Aufforderungen an die Bewohner, diese Zone zu verlassen“. Nein, solch eine Politik der Vertreibung darf es für junge und alte Kommunisten nicht geben. Wissen diese Juden denn nicht, dass Mauern und Todeszonen das exklusive Recht der DDR und all ihrer Nachfolger auf Augenhöhe sind, die sich von der Unterminierung durch die falsche Wertegemeinschaft bedroht fühlen?

norbert.mayer@diepresse.com

diepresse.com/mediator

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2014)

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