Was treibt denn heute die „Krone“ so?

Blattmacher im Jahr 2006 (v. l.): Christoph Dichand mit seiner Frau Eva und Vater Hans.
Blattmacher im Jahr 2006 (v. l.): Christoph Dichand mit seiner Frau Eva und Vater Hans.(c) HERBERT PFARRHOFER / APA / pictu (HERBERT PFARRHOFER)
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Österreichs größte Tageszeitung hat diese Woche ihr 60. Jubiläum gefeiert. Alle Mächtigen haben sie zu diesem Anlass besonders lieb gehabt. Das heißt aber noch lang nicht, dass die Gratulanten nun aus Revanche gestreichelt werden.

Mit einer opulenten Farbbeilage, als ob es bereits Sonntag sei, feierte die „Kronen Zeitung“ diese Woche das 60. Jubiläum ihrer Neugründung (Vorläufer gleichen Namens gab es bereits ab 1900 bis 1944). Kaum ein Prominenter aus Politik, Wirtschaft und Kultur konnte sich der Verpflichtung entziehen, der größten Tageszeitung des Landes zu gratulieren – vom Präsidenten über den Kanzler, die Oppositionschefin und die Landeshauptleute bis zu den Kardinälen und dem Doyen der Burg. Sogar ein Terminator aus Kalifornien machte mit. Alle lobten die „Krone“, als wäre sie die Kaiserin der Herzen am Boulevard. Alexander Van der Bellen hält sie für „unverzichtbar“, für Sebastian Kurz trifft sie „den Nerv der Bevölkerung“, für Pamela Rendi-Wagner erspürt sie Themen, „die ihre Leser bewegen“.

Warum sollte nicht auch der „Mediator“ in diesen Chor einer Ode an die Freude an diesem Blatt mit einstimmen? Wer wird nicht eine „Krone“ loben, selbst wenn sie längst nicht mehr jeder liest? In ihren besten Tagen, als noch das „Staberl“ geschwungen wurde und ein Herr Martin dichtend wütete, als würde ein Kampf gegen die deutsche Sprache geführt, erreichte sie etwas mehr als drei Millionen Menschen. Heute sind es nur noch zwei. Wie aber wird (und bleibt) man die Nummer eins? Auf dem Cover der Jubelnummer stehen groß und fett drei Wörter, die laut Selbsteinschätzung der „Kronen Zeitung“ ihren Erfolg ausmachen: „Mut. Haltung. Unabhängigkeit.“

1) Mut. Wer 1959 mit ganz wenig Startkapital die Namensrechte einer seit 1944 stillgelegten Zeitung erwirbt, ist tatsächlich verwegen. Gründer Hans Dichand, ein damals schon erfahrener Chefredakteur, soll 50.000 Schilling Kapital eingebracht haben. Sein Kompagnon Kurt Falk, der zuvor Waschmittel verkaufte, soll sich gar nur mittels Kredit an dem Abenteuer beteiligt haben – noch mehr Mut. Übermut aber zeigt, wer als ÖGB-Chef solch ein Risiko teilt. Wurden Gewerkschaftsgelder zur Absicherung und als Starthilfe für die Zeitung eingesetzt? Den genauen Hergang hat garantiert der SPÖ-Grande Franz Olah gewusst. Doch er, Dichand und Falk sind längst tot. Olah musste später in einem anderen Fall wegen eigenmächtiger, ihrer Widmung widersprechender Verwendung von Gewerkschaftsgeldern ins Gefängnis. Da waren Dichand und Falk längst erfolgreiche Zeitungszaren. Die Königsidee hatte Falk. Er führte „Standln“ bzw. „Taschen“ für den Sonntagsverkauf ein. Das boomte. Er überwarf sich 1974 mit Dichand, dem Blattmacher, und stieg aus dem operativen Geschäft aus.

2) Haltung. Was war Dichands Haltung? Ein Kampfgefährte der ersten Stunde erzählte einst, das große Vorbild für den Chef sei die Londoner „Daily Mail“ gewesen. Boulevard, aber mit Rücksicht aufs Biedere. Eine Halbnackte (Titten fürs verschwitzte Publikum, aber nicht, wenn der Papst auf Besuch ist!), ein altes Kochrezept für die Mutti, ein Gugelhupf für den Staatspräsidenten, junge Hunde, die jeder machtbewusste Verleger streicheln möchte, Kätzchen für die ganze Familie. Und dann und wann eben eine Kampagne – wenn es sein musste, auch für eine gute Sache, etwa für eine Au oder andere Jagdgründe. Die Haltung sollte möglichst breit sein. Wer einen „Postler“ auf die Leser losließ, konnte sich auch den tollen „Telemax“ leisten. Und wenn es um einen umstrittenen Tunnel ging, dann mussten eben Redaktionen diesseits kontra und jenseits pro Projekt Semmering sein.

3) Unabhängigkeit. Die „Krone“ kann ja nichts dafür, wenn sie von der Politik samt Umfeld mit Annoncen und Werbekampagnen geradezu bedrängt wird. Hier finden wir die Essenz des Unternehmens: Wer derart viele Klienten hat, braucht am Ende weder Mut noch Haltung, um unabhängig zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2019)

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