Der Fall Redl: Ein Spion, ein Sittenbild

Fall Redl Spion Sittenbild
Fall Redl Spion Sittenbild(c) ORF (Fritz Kalteis)
  • Drucken

Eine ORF-Doku über den „Jahrhundertspion“ zeigt Fakten und Manipulationsversuche auf. Mit Parallelen zu heute.

Ich bitte – gehorsamst – um einen Revolver.“ Als die Untersuchungskommission an die Tür klopfte, wusste Oberst Alfred Redl, dass er als Spion enttarnt war. Der Schuss, mit dem er daraufhin am 25.Mai 1913 seinem Leben ein Ende setzte, hallt bis heute nach – in Dutzenden Büchern, Filmen und einer ORF-Doku, die dieser Tage gleich dreimal läuft. Was fasziniert uns hundert Jahre später noch an der Sensationsstory, die Egon Erwin Kisch mit dem Spürsinn des rasenden Reporters längst gerochen hatte, als man sich beim Militär noch den Kopf zerbrach, wie man die Sache – und den Oberst – möglichst ohne öffentliches Aufsehen begraben kann?

Es ist nicht nur die verhängnisvolle Kombination aus Sex, Gier und Verrat, die jedem Krimi alle Ehre machen würde. Auch der Umgang der offiziellen Stellen mit dem Fall und die Rolle der Gesellschaft bieten mehr als ein verstaubtes Sittenbild der sterbenden Monarchie – man fühlt sich überraschend oft an die aktuellen Nachrichten erinnert. Der Akt Redl blieb ein halbes Jahrhundert lang unauffindbar – und die Sache damit so gut wie unter Verschluss. Die Ermittlungen am Tatort waren schlampig, das Krisenmanagement ein Desaster. Und die Kollegen im Geheimdienst (in der ORF-Doku von Christoph Grissemann und Dirk Stermann als stets im Café Central hockende Zaungäste originell inszeniert) biedern sich erst an den hohen Offizier an, um es dann eh schon immer gewusst zu haben – ein nicht untypisches soziales Verhalten.

Und Redls Homosexualität? Die war verboten und gesellschaftlich für einen Mann (und Militär) seines Ranges undenkbar. Es durfte also auf gar keinen Fall ans Licht kommen. Auch danach war das Thema lange tabu: In Franz Antels Redl-Film aus dem Jahr 1955 (die ORF-Doku schwelgt ausgiebig in historischen Filmen) gibt es dazu nur vage Andeutungen. Das verdeutlicht, mit welchem Aufwand oft versucht wurde (und wird), die Geschichte zu manipulieren. Auch das wird in der akribisch die historischen Fakten aufrollenden ORF-Doku deutlich, die heute um 17.05h noch einmal in ORFIII und am Mittwoch um 21h in 3sat zu sehen ist.

E-Mails an: isabella.wallnoefer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.