Am Montag feierte die ORF-Serie "Vorstadtweiber" ihre Premiere. Ein Pro und Contra zur österreichischen Version der "Desperate Housewives".
"Satire darf alles", hat bekanntlich einst Kurt Tucholsky gesagt. Satire kann aber nicht jeder. Dies musste man am Montagabend bei der Erstausstrahlung der ORF-Serie "Vorstadtweiber" feststellen. Orientiert an der einfallslosen US-Produktion "Desperate Housewives" werden Schicksale von Frauen, darunter Boutique-Besitzerin Nicoletta (Nina Proll), vor den Toren Wiens skizziert. Der ORF vermarktet die Produktion als Gesellschaftssatire. Kurzfazit: Es funktioniert nicht.
Punkt 1: Die Figuren. Kommen wir zu den Frauen: Die Protagonistinnen veranstalten Dildo-Partys, gehen regelmäßig auf Shopping-Tour, betrügen ihre Partner und trinken Prosecco. Die (gut verdienenden) Männer spielen im Auto Luftgitarre, reden über Golf, betrügen ihre Partnerinnen und rauchen Zigarren. Klischees, wo man nur hinsieht und hinhört.
Punkt 2: Vielfalt. Mit der Kampagne "ORF. WIE WIR." will die Rundfunkanstalt auf die Diversität des Personals und des Publikums hinweisen. Nun gut, wo bleibt diese in der Serie "Vostadtweiber"? In der ORF-Serie tauchte bislang eine Person mit Migrationshintergrund auf, eine Putzfrau. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Comedy-Drama-Serie, die unterschiedliche Charaktere, Lebensstile und Schicksale intelligent miteinander verflechtet, ist "Orange Is The New Black" des Online-Dienstes Netflix.
Punkt 3: Humor/Drehbuch. "Vorstadtweiber" will ordinär und humovorvoll sein. Mit Telefonaten während man Oralsex praktiziert, gelingt das nicht. Zumindest nicht in dieser Serie. Der "Echte Wiener" war eine gelungene, derbe Satire, punktuell auch der "Kaisermühlenblues". Wenn sich die Zuschauer, während der Erstausstrahlung, auf Twitter - nicht ganz ironiefrei - wieder "Mitten im 8en" wünschen, sollten die Alarmglocken schrillen.
Er ist seicht, dass es schmerzt. Formulierungen wie "Hast' einen Kasperl gefrühstückt" haben den Unterhaltungswert von heimischen "Comedians". Vielleicht sind wir von guter englischsprachiger Satire ("The Office", "Louie", "Parks and Recreation", um nur drei Beispiele zu nennen) verwöhnt. Aber selbst unsere Nachbarn können das ab und zu ("Stromberg").
"Qualitativ hochwertig"
Ganz satirefrei sind die "Vorstadtweiber" dennoch nicht. ORF-Fernsehdirketorin Kathrin Zechner feierte die gute Quote (durchschnittlich 815.000 Zuschauer sahen den Auftakt) mit einer Aussendung und folgender Analyse: "Unterhaltsame, qualitativ hochwertige und auf die Nähe zum Publikum ausgerichtete österreichische Fiktion ist ein klarer Erfolgsfaktor. Der Start von 'Vorstadtweiber' hat dies beeindruckend gezeigt ..."
So verzweifelt wie die Boutiquenbesitzerin Nioletta Huber, gespielt von Nina Proll, ist kaum eine der fünf Vorstadtweiber. Zumindest in den ersten Folgen ist die blonde Geschäftsfrau etwas zerknirscht, weil sich ihr Geliebter nicht zu ihr bekennen will. Auch ihre Freundinnen kennen ihren Verehrer (noch) nicht. Was sich aber noch ändern dürfte. Trotz ihrer eigenen Boutique hat Nicoletta nie genug Geld und null Problem, zum wiederholten Mal ihren 30. Geburtstag zu feiern. Trösten und verhübschen lässt sie sich von Frauenversteher und Friseur Francesco, gespielt von Xaver Hutter. Er hat für die Damen immer ein gutes Wort und ein Glas Prosecco parat. (c) ORF (Petro Domenigg)
Waltraud Steinberg, gespielt von Maria Köstlinger, ist die Coolste unter den Freundinnen. Sie hat zwar keinen Job, aber einen Adelstitel und mit Josef (Simon Schwarz) einen Mann, der das Geld nach Hause bringt. Die Ehe besteht aber nur mehr auf dem Papier. Und Waltraud vergnügt sich mit dem halbwüchsigen Simon, Sohn von Nachbarin und Freundin Maria (Gerti Drassl), dem sie nicht nur in Latein Nachhilfe gibt. (c) ORF
Die prüde Maria Schneider (Gerti Drassl) mag zwar lange naiv gewesen sein und vor allem von den sexuellen Ausflügen ihres Sohnes Simon keine Ahnung haben, doch nach und nach wird der braven Hausfrau bewusst, welches Spiel Ehemann und Sohn mit ihr spielen. Die beruflichen Dubai-Reisen ihres Mannes Georg (Juergen Maurer) glaubt sie längst nicht mehr. Und nachdem er alle ihre Annäherungsversuche ignoriert, nimmt Maria ihr Schicksal selbst in die Hand. Sie hat das größte Entwicklungspotenzial in der Serie. (c) ORF
Die jüngste im Bunde hat zwar Glück in der Liebe - und das ist ihr trotzdem nicht genug. Caroline Melzer, gespielt von Martina Ebm, ist mit dem um einiges älteren Macho-Banker Hadrian (Bernhard Schir) verheiratet. Die Ehe funktioniert - von den kleinen Sticheleien seiner halbwüchsigen Tochter aus erster Ehe abgesehen - ganz gut. Trotzdem betrügt sie ihren Mann mit seinem Geschäftspartner und Freund, Bertram Felix. (c) ORF (Petro Domenigg)
Zu Beginn am härtesten hat es Sabine Herold. Sie wurde von ihrem Ehemann vor die Tür gesetzt, weil er sich in eine andere Frau verliebt hat. Bisher ohne Job und nun mittellos muss sie sich auf ihre eigenen Beine stellen und tut viel, um zu Geld zu kommen. Unter anderem bei Dinnerparties ihrer Freundinnen Getränke servieren. Schauspielerin Adina Vetter, die Sabine verkörpert, ist übrigens im wahren Leben mit Lucas Gregorowicz verheiratet, der in der Serie Carolines Liebhaber Bertram spielt. (c) ORF
Oma Anna Schneider, gespielt von Gertrud Roll, sieht alles und weiß daher alles. Etwa die Affäre von Nachbarin Waltraud mit ihrem Enkel Simon. Den besticht sie deshalb: Solange er Zeit mit ihr verbringt, will sie niemandem von der Liebschaft berichten. (c) ORF
Bernhard Schir spielt den windigen Bankdirektor Hadrian Melzer, der allerlei dunkle Geschäfte im Hintergrund führt - und seine junge zweite Ehefrau Caroline (Martina Ebm), die seine ehemalige Sekretärin ist, ganz schön unterschätzt. (c) ORF
Betrams Tochter Pia (Vicky Nikolaewskaja) macht nicht nur ihrem Vater, sondern auch ihrer Stiefmutter Caroline das Leben schwer. Bis die sie aber geschickt auf ihre Seite lockt. (c) ORF
Am 12. Jänner gingen die "Vorstadtweiber" mit einer Doppelfolge in ORF eins auf Sendung. ORF
KommAustria hat am Dienstag das Prüfergebnis veröffentlicht. In der Serie kommt die Boutique "Null Acht Fünfzehn" vor, die es in Wien tatsächlich gibt.
In der ORF-Serie kommt die Boutique "08/15" vor, die es in Döbling tatsächlich gibt. Der ORF wehrt sich gegen den Vorwurf unerlaubter Produktplatzierung.
Die laut ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner "qualitativ hochwertige" Serie fuhr zum Auftakt eine gute Quote ein. Auf Twitter war hingegen "Fremdschämen" angesagt.
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