Falke und Lorenz in ihrem letzten gemeinsamen Fall: „Verbrannt“ ist ein Asylwerber-Drama über Vorurteile, Missverständnisse und Alltagsrassismus. Sonntag im ORF.
Unsere Wertung für diesen „Tatort“:
4 von 5 Punkten
Worum geht’s in „Verbrannt“?
Es geht um den Fall Oury Jalloh. Im Film heißt der afrikanische Asylwerber anders – aber es ist seine Geschichte, die die Drehbuchautoren aufgegriffen und zu einem fiktiven Gänsehaut-Krimi erweitert haben. Oury Jalloh, ein Mann aus Sierra Leone, verbrannte 2005 in einer Zelle des Polizeireviers Dessau – und es ist bis heute ungeklärt, wie er seine Matratze hätte in Brand stecken können, weil er am Bett fixiert war und man später kein Feuerzeug finden konnte. Auch in „Verbrannt“ ereilt einen Asylwerber dieses Schicksal. Die Hamburger Kommissare Falke und Lorenz sind diesmal in der niedersächsischen Provinz im Einsatz. Sie nehmen dort einen Afrikaner fest, weil sie ihn fälschlich für einen Kriminellen halten. Falke verprügelt ihn auch noch, weil er Widerstand leistet (hier beginnt die fiktive Ausgestaltung der Handlung) – und dann ist er tot. Und noch dazu unschuldig. Falke macht sich Vorwürfe und lässt sich fortan nicht mehr abwimmeln . . . auch wenn das bedeutet, innerhalb der Polizei nach einem möglichen Täter zu suchen.
Wer ermittelt?
Wotan Wilke Möhring hat als Kommissar Thorsten Falke diesmal noch mehr Sorgenfalten auf der Stirn als sonst. Er hat einen fatalen Fehler gemacht und das passt ihm gar nicht. Als der Afrikaner seine Kollegin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) angreift, rastet Falke aus – und prügelt auf ihn ein. Ab da spürt man es: Es knistert zwischen den beiden, und Falke ist unter anderem auch deshalb in Rage, weil Lorenz ihren Job hinschmeißen will. Wenigstens kriegt er zum Abschied eine sehr freundschaftliche Umarmung – und ein Andenken, das ihm wenn schon nicht den Seelenfrieden, dann zumindest eine gewisse Genugtuung verspricht.
Was gefällt?
Das Thema ist brisant und hochaktuell. Asylanten, die in schrecklichen Unterkünften zusammengepfercht sind, die nicht arbeiten dürfen und sich vor der Polizei genauso fürchten wie vor Rassisten gibt es heute überall. Pauschale Vorverurteilungen (von allen und gegen alle Seiten) ebenso. Allein die – in diesem Fall fiktive – Vorstellung, dass Polizisten an so einer Tat beteiligt sein könnten, macht Angst. Einmal fällt der Satz: „Wir müssen zusammenhalten“, kurz darauf: „Was die Leute wirklich brauchen, ist Sicherheit.“ Wer die Augen schließt, darf raten: Sagt das einer der Asylanten oder einer aus den Reihen der Exekutive? Beide Varianten passen. Auch das gehört zum Gänsehauteffekt dieses „Tatort“.
Was gefällt noch?
Falke und Lorenz befinden sich im Abschiedsmodus, Wehmut und Wut inklusive. Das macht die Sache diesmal besonders emotional. Gleichzeitig sind die zwei ein raffiniertes Team, das auch vor originellen Methoden nicht zurückschreckt: Ein anonym geschicktes Video ohne Ton lässt Falke von einer Gehörlosen-Trainerin „übersetzen“, Lorenz wiederum lockt einen aalglatten Widerling geschickt aus der Reserve und damit in die Falle.
Wo hakt's?
Eigentlich nirgends. Auch wenn es einem den Magen zusammenzieht, wenn da einer pauschal über „die Neger, die Zigeuner“ und wer ihm sonst nicht passt her zieht – dieser Mann symbolisiert hier nur die Spitze des Eisbergs. Darunter sind die Duckmäuse, die sich jedem Gruppenzwang beugen, aber auch die vielen Mitmenschen, die diffuse Ängste haben, den Asylwerbern die Flasche Wein nicht gönnen und über den türkischen Bäcker schimpfen, weil das Brot dort anders schmeckt. Alltagsrassismus ist keine Erfindung der „Tatort“-Autoren. Er ist überall.
"Tatort: Verbrannt": 20. 12., 20.15 Uhr, ORF 2