Blitzlichtgewitter wie zu Karajans Zeiten

SALZBURGER FESTSPIELE 2012: PREMIERE 'LA BOHEME' / EICHINGER
SALZBURGER FESTSPIELE 2012: PREMIERE 'LA BOHEME' / EICHINGERAPA/FRANZ NEUMAYR
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Einst hießen die prominenten Gäste der Festspiele Marlene Dietrich und Stefan Zweig, heute heißen sie Teri Hatcher und Bianca Jagger. Mit Herbert von Karajan hielt der Glamour Einzug.

Herbert von Karajan wusste, wie er sich als Festspielchef zu inszenieren hatte. Vor Opernpremieren fuhr er gern mit seiner bildhübschen Ehefrau Eliette, einem ehemaligen Fotomodel, im Porsche in der Hofstallgasse vor, blickte ein-, zweimal in Richtung der überschaubaren Anzahl von Fotografen und verschwand im Festspielhaus. Mehr war von ihm nicht zu erwarten. Ausgewählten Edel-Paparazzi öffnete er jedoch immer wieder bereitwillig die Türen zu seiner schmucken Villa in Anif, sie durften Bildstrecken veröffentlichen, die das immer gleiche Image vermittelten: das des hochgeistigen Künstlers mit der bezaubernden Frau.

Die Salzburger Festspiele umgab seit ihren Gründungsjahren ab 1920 die Aura elitärer Kunstvermittlung in der Sommerfrische, dabei ging ein Opern- oder Theaterabend, noch mehr als in der Hauptstadt Wien, mit dem Tragen eleganter Kleidung und dem Genuss gehobener Küche einher. Mit Karajan aber rückte erstmals die Person des künstlerischen Leiters ins Blickfeld von Besuchern und Medien. Er war es wohl, der den Glamour und die Blitzlichtgewitter in den Festspielbezirk brachte. Wenn er gewusst hätte, dass dies einmal dazu führen würde, dass die Festspielgäste in der Hofstallgasse von den mit Digitalkameras und Smartphones bewaffneten Schaulustigen separiert werden müssen – vielleicht hätte er seine Taktik noch einmal überdacht?

Damals der Einzige im „Holladaro“-Sektor

An Karajans Salzburg-Zeit, Mitte der Siebzigerjahre, erinnerte sich gerade erst der ehemalige „Krone“-Klatschreporter Roman Schliesser in einem Gespräch mit der „Welt“. Damals, als Curd Jürgens der „Jedermann“ war, hätten eigentlich nur Kunstkritiker die Salzburger Festspiele besucht, er sei der Einzige gewesen, der im „Holladaro-Sektor“ unterwegs war. Das hieß, er besuchte „selten“ die Vorstellungen, aber immer die Feste und Abendessen der Schauspieler. Heute sei Salzburg nicht mehr das, was es einmal war, resümierte Schliesser.

Was es immer noch ist: Ein Großereignis der Bühnenkunst, das mit einer Vielzahl an Ritualen (vom Defilee der VIP-Gäste vor den Premieren bis zum Schwammerl-Essen im Sacher) einhergeht. Am nächsten kommt man der internationalen Prominenz aber nicht mehr in der Hofstallgasse, wo die Limousinen mit den Festgästen auffahren, sondern vor dem ehemaligen Stadtkino am verkehrsreichen Anton-Neumayer-Platz. Dort hat im „republic“ seit Jahren das Young Directors Project seinen Hauptsitz. Vier bis fünf ambitionierte und manchmal auch wirklich junge Regisseure und Theatertruppen rittern hier um den Montblanc Award.

Und dem Sponsor ist daran gelegen, dass sich hier auch Berühmtheiten zeigen. Bondgirl Eva Green war schon da, Burlesque-Tänzerin Dita von Teese und heuer Schauspielerin Teri Hatcher. Ein „Desperate Housewife“ im Stadtkino! So ergibt sich der hautnahe Kontakt zwischen einem ziemlich jungen Publikum, lokalen Größen und wirklichen Filmstars. Der rote Teppich wird dann erst nach der Aufführung bei der Premierenparty ausgerollt, die traditionell in der Villa Kast von Galerist Thaddaeus Ropac stattfindet.

Im Salzburger Festspielsommer hat sich somit eine interessante Dynamik ergeben: Die Orte, Gastgeber und großteils auch die Gäste bleiben Jahr für Jahr die Gleichen, nur die Kunst bietet Abwechslung. Den Fotografen ist das in manchen Jahren zu wenig. Wenn sich im Festspieldirektorium und bei der Jedermann-Besetzung wenig Neues tut, jammern routinierte Seitenblicker durchaus, „wie langweilig“ die Saison sei.

Heuer ist das anders. Der neue und nicht eben öffentlichkeitsscheue Intendant Alexander Pereira und seine junge Ehefrau Daniela de Souza werden von den Fotografen freudig empfangen. Das „First-Festspiel-Couple“ hat neben den „Jedermann“-Publikumslieblingen Nicholas Ofczarek, Birgit Minichmayr, Ben Becker und neben Opern-Stammgast Anna Netrebko einen gewaltigen Anteil daran, dass es nun, nach Saisonen, die von Korruptionsdiskussionen und Osterfestspielskandalen geprägt waren, wieder erlaubt und angebracht ist, sich auf roten Teppichen und bei prunkvollen Galadiners zeigen zu lassen.

Festspiel-Ball als Höhepunkt und Schluss

Pereira setzt sogar noch eins drauf: Er will den vielen bestehenden Ritualen ein neues hinzufügen: einen großen Ball in der Felsenreitschule zum Ausklang der Saison am 1.September. Auch wenn Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler betont, dass sie einen solch pompösen Abschluss der Saison nicht unbedingt gebraucht hätte, steht sie dem Event nun natürlich offen gegenüber. Vielleicht auch, weil es wieder eine Möglichkeit ist, mit den Karten und Tischpaketen für das Galadiner in der Salzburg-Residenz, das vor dem eigentlichen Ball in der Felsenreitschule stattfindet, Gelder für die Festspiele zu lukrieren. In ihrer positiven Einstellung zum von manchen Kommentatoren skeptisch beurteilten Sponsoring gleichen sich Pereira und Rabl-Stadler aufs Haar.

Es macht den Anschein, dass Pereira unter seiner Ägide ein wenig da anknüpfen will, wo Karajan begonnen hat. Anders als der Maestro ohrfeigt er Fotografen nicht, wenn sie unangemeldet erscheinen. Er scheut das Blitzlicht so wenig wie den großen Auftritt auf dem PR-Parkett. Pereira gibt bereitwillig Interviews und lässt sich ohne Scheu porträtieren. Dergleichen gehört für ihn zum Geschäft.

Schon als Generalintendant der Oper Zürich ist es ihm gelungen, ein Haus aus einem Dornröschenschlaf zu wecken. Das Rezept: Weltstars. Und glamouröse Begleitveranstaltungen, die private Geldgeber für Werbezwecke nutzen können. Kunst funktioniert halt nicht nur mit Kunst ...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2012)

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