Hedda Gabler ist richtig fad

Hedda Gabler
Hedda Gabler(c) APA ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Henrik Ibsens Drama über eine frustrierte Frau wird im Theater in der Josefstadt von Alexandra Liedtke auf einer bizarren Bühne allzu statisch inszeniert.

Wenn wilde Mädchen in die Jahre kommen, wünschen sie sich manchmal etwas Abwechslung. Ein Rennpferd wäre genial. Kriegen sie aber nicht. Stattdessen kommt ein Gatte, der gar nicht reiten kann und die Zeit damit tot schlägt, Material für ein Buch über „Kunsthandwerk im mittelalterlichen Brabant“ zu sammeln. So eine noch immer junge Frau, die sich festgelegt hat und nun gefangen in Norwegens Hauptstadt sitzt, ist Hedda Gabler, verheiratete Tesman, in Henrik Ibsens gleichnamigem Schauspiel von 1890. Der Tochter eines einst schneidigen Generals ist richtig fad.

An sich zählt die Darstellung der Langeweile zu den interessanten Phänomenen des Endzeit-Theaters. Tschechows Figuren sind davon so erfüllt wie die von Beckett. Ennui ist auch der Stoff der meisten postmodernen Träume. Wenn aber die Langeweile langweilig inszeniert wird, hat man ein Dilemma. Leider ist das der Regisseurin Alexandra Liedtke passiert, deren Interpretation von „Hedda Gabler“ am Donnerstag im Theater in der Josefstadt Premiere hatte. Vielleicht liegt es am sperrigen Stück, garantiert auch am wenig inspirierten Bühnenbild, aber es mag auch darin begründet sein, dass die sechs Personen in den langen Phasen der Überbrückung entscheidender Momente herumstehen, als suchten sie Anweisungen in einer Stellprobe.

Die Villa, die Heddas Gemahl Jørgen Tesman nach einer Laune seiner Frau gekauft hat, ist praktisch leer. Kleinlich klagt der Privatdozent mit gefährdeter Aussicht auf eine Professur über die mühevolle Rückzahlung für diese. Gleich nach Beginn wird ein weißer Schonbezug, der sich über die ganze Breite erstreckt, weggezogen. Dahinter hat Raimund Orfeo Voigt eine seltsame Möbelwand gestellt. Hoch ragt sie auf. Man kann oben auf ihr lauern, unten auf ihr sitzen, und kommt ein Auftritt, öffnet sich in der Mitte ein Spalt. Dieses Möbel wurde zur Gänze mit einem Teppich verkleidet, der im Muster an den Bezug von Sigmund Freuds Analyse-Couch erinnert.

Das Gemeine und Profane aber an der Ausstattung: Der Teppich schluckt jede Subtilität. Wenn also Hedda, von Maria Köstlinger brütend, kapriziös und im Ansatz auch gefährlich gespielt, ihre Frustration effektvoll ausleben will, muss sie an die Rampe gehen. Dann allerdings erlebt man böses Mienenspiel im Geiste Ibsens. Diese Frau ist kein Fall mehr für die Couch, sondern bereits für die Psychiatrie, sie ist eine Falle, sie ist in die Falle geraten.

Verbrannte Seiten

Hedda wird seriell das Leben ihres früheren Verehrers Løvborg zerstören, gegen dessen nach Freiheit strebende weibliche Hilfskraft gemein intrigieren, schließlich sich selbst in auswegloser Situation richten. Köstlingers schönste Szene: als sie Løvborgs Manuskript, das die Karriere ihres Mannes scheinbar bedroht, zerstört. Da brennt sie höllisch – ein Fanal.

Raphael von Bargen spielt den nach Genialem strebenden Kulturwissenschaftler in dessen Verzweiflung sentimental und mit großem Körpereinsatz, auch Raphaela Möst gibt Frau Elvsted als nervösen Kontrapunkt zur Titelheldin. Am besten aber sind hier seltsamerweise zwei Figuren herausgearbeitet, die nicht im Mittelpunkt stehen, sondern den Vierakter praktisch umrahmen. Marianne Nentwich als älteres Fräulein Juliane Tesman darf überreich Gefühl zeigen. Wenn diese Tante ihren abgöttisch verehrten Neffen herzt und küsst, grenzt das an ein Sittlichkeitsdelikt. Da wird Michael Dangl in der Rolle des Strebers Tesman richtig gut, und auch Köstlinger hat starke Momente, wenn sie vom geilen Amtsgerichtsrat Brack bedrängt wird.

Peter Scholz zeigt drastisch, wie man sich schwere Nötigung in großbürgerlichen Kreisen Norwegens vorstellen soll. Er droht mit Skandal, und das mit tödlicher Konsequenz. Dieser Richter ist ein Henker. Er muss nicht einmal abdrücken. Solche Charakterstudien versöhnen ein wenig mit dieser Inszenierung, die sich redlich an einem harten Stoff abarbeitet, letztlich aber zu unentschlossen bleibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2012)

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