Dea Lohers Personal probt den Aufstand

(c) APA/MARIE LUISE LICHTENTHAL (MARIE LUISE LICHTENTHAL)
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Gastspiel im Nestroyhof Hamakom. Martina Spitzer und Maria Hofstätter zeigen in „Anna und Martha“ ihre Klasse. Das bitterböse Kammerspiel neigt zur Übertreibung.

Wenn Maria Hofstätter – bekannt aus den Filmen von Ulrich Seidl – als gehbehinderte Köchin gegen Ende von Dea Lohers „Anna und Martha. Der dritte Sektor“ von klobigen Turnschuhen auf glitzernde High Heels umsteigt und wie auf Eis über die fast leere Bühne schleift, dann ist das bei dieser wunderbar präsenten und eigenwilligen Darstellerin höchst vergnüglich, aber auch traurig anzusehen. Hofstätter hält als Martha das Kunstwerk in Balance.

Sie zeigt einen brutalen Versuch des Aufbegehrens und zugleich dessen Scheitern. Denn Martha hat sich zuvor mit ihrer Verbündeten, Anna, einer von der kongenialen Martina Spitzer gespielten Schneiderin, gegen die Hausherrin gewandt. Deren Schuhe, Perücke, Schmuck werden aus einer Kühltruhe geholt. Mehrmals war aus dieser Stöhnen und Klopfen zu hören, als ob jemand gegen Ersticken und Erfrieren ankämpfte. Das sind aber nur die Nebengeräusche, im Mittelpunkt des Spiels steht eine furiose Abrechnung des Personals, das auf fast leerer Bühne einen irrwitzigen Text abspult, der in dieser Regie am Dienstag in Wien zum Funkeln kam. Bereits 2001 gab es in Hamburg die Uraufführung, über den Umweg Vorarlberg ist das Stück jetzt im Nestroyhof Hamakom zu sehen. Das Projekttheater gastiert im zweiten Bezirk mit dieser Inszenierung von Susanne Lietzow bis 23.Februar.

Hackordnung der Unterdrückten

Anna und Martha, die vom Mordversuch auch untereinander nicht lassen können, die bereits eingangs kriminell in Plastik gehüllt sind, scheinen Genets „Zofen“ entsprungen oder einem absurden Stück von Beckett, ihr Singsang erinnert an Bernhard. Und doch auch haben die zwei Protagonisten genug Eigenleben, um zu entzücken. Pointiert wird das Verhältnis von Herrschaft und Dienerschaft variiert, in all seiner Bösartigkeit und Hilflosigkeit. Die beiden Darstellerinnen spielen zudem kleine Nebenrollen – eine unheimliche Puppe und eine Putzfrau, die in der Hackordnung ganz unten steht, das verbale Opfer der beiden anderen Domestiken. In karikierender schwarzer Maske mit gigantischer Rasta-Frisur erzählt die Afrikanerin vom Tod all ihrer Verwandten und bedient dabei rassistische Klischees. Diese Übertreibung wäre gar nicht nötig gewesen, allein schon der geschickt produzierte Ulk von Köchin und Schneiderin hätte gereicht.

Umrahmt wird die Aufführung von zwei Kurzfilmen, die auf die Kühltruhe projiziert werden. Im Anfang kommt zu Wort: der Herr! Ein biblischer Rauschebart bezieht von Martha Prügel, als er sich gegen ihre Segenswünsche sträubt. Am Ende steht die Flucht. Slapstick am Ufer wie aus den frühen Kintopp-Tagen. Zwei Versehrte hoffen auf ein kleines Stückchen Glück. Das werden sie aber, wie es aussieht, wieder nicht kriegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2013)

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