Luc Bondys Abschied auf Französisch

(c) ORF (Ruth Walz)
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Bei den Wiener Festwochen 2013 wartet der Intendant mit zwei eigenen Inszenierungen auf: Aus Paris bringt er ein Stück von Harold Pinter in einer Neuübersetzung. "Tartuffe" hingegen lässt er auf Deutsch spielen.

Nun also doch: Eine interessante und auch äußerst lange Ära geht demnächst in der Hauptstadt zu Ende. Der Schweizer Theatermacher Luc Bondy (*1948) hat die Wiener Festwochen seit 16 Jahren geprägt, erst im Bereich Theater, dann ab 2002 als übergeordneter Intendant, zuletzt mit Schauspielchefin Stefanie Carp und Musikdirektor Stéphane Lissner an seiner Seite. Das Team wird nach dieser Saison abgelöst, von Markus Hinterhäuser als Intendant, assistiert von der belgischen Festivalexpertin Frie Leysen.

Zu den Stärken der Amtszeit Bondys zählten vor allem einige seiner eigenen Inszenierungen. So ist es logisch, dass sich der Altmeister raffinierter psychologischer Regieführung nun mit zwei persönlichen Interpretationen verabschiedet. Er hat das Theater bei den Festwochen dominiert. Bei 26 Aufführungen führte er selbst Regie, das sind doppelt so viele wie von Christoph Marthaler, der unter Bondy quantitativ auf Platz zwei kam.

Eine der Neuheiten des scheidenden Intendanten für Wien, die ab 18. Mai im Museumsquartier zu sehen sein wird, hat Bondy bereits an seiner neuen Wirkungsstätte als Direktor in Paris und andernorts mehrfach getestet: „The Homecoming“ (1964), ein Stück aus der noch immer starken mittleren Phase des 2008 verstorbenen britischen Nobelpreisträgers Harold Pinter. Es wurde von Bestsellerautor Philippe Djian ins Französische übersetzt und von Bondy bereits im Herbst des Vorjahres als „Le Retour“ am Odéon-Théâtre del l'Europe gegeben. Seither befindet sich die Produktion auf einer Tour durch Europa, die von Luxemburg und Zürich über die französischen Provinzen bis nach Mailand und schließlich auch nach Wien führt.


Die hohe Kunst der Verstellung. Orientiert man sich an der Kritik der renommierten „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die eine traditionelle Schwäche für diesen Regisseur hat, ist die Aufführung unbedingt zu empfehlen, allein schon, weil Bruno Ganz in einer tragenden Rolle zu sehen ist. Aber auch sonst gilt: Bondy ist Bondy ist Bondy, und selbst wenn seine jüngsten Inszenierungen in Wien einigermaßen herb enttäuschten, zählt auch seine Interpretation von Molières Fünfakter „Tartuffe“ (1664) zu den Pflichtterminen beim Wiener Schwanengesang des Intendanten. Diese Aufführung am Akademietheater mit Stars wie Edith Clever, Joachim Meyerhoff, Gert Voss und Johanna Wokalek ist tatsächlich neu (Premiere am 28. Mai). Bondy sowie der deutschsprachige Schriftsteller Peter Stephan Jungk haben Molières tollen Text über die Kunst der Verstellung bearbeitet und ins Deutsche übersetzt.

Auch Marthaler, der unter Bondy zu den fixen Größen der Festwochen heranwuchs, wird in diesem Jahr wieder prominent vertreten sein, mit dem Auftragswerk „Letzte Tage. Ein Vorabend“. Dieses „Musik-Theaterprojekt“ soll am 17. Mai im Parlament uraufgeführt werden. Es geht um Musik von Komponisten, die in der Nazi-Zeit verfolgt, ermordet wurden. Weitere vom Festival in Auftrag gegebene Werke, die hier rein subjektiv als vielversprechend empfohlen werden: Am 1. Juni wird im Museumsquartier Nicolas Stemanns Performance „Kommune der Wahrheit. Wirklichkeitsmaschine“ uraufgeführt (in Zusammenarbeit mit dem Thalia Theater Hamburg), am 4. Juni ebenfalls im Museumsquartier die Performance „Swamp Club“ von Philippe Quesne, eine Koproduktion mit dem Pariser Vivarium Studio.


„In Agonie“. Ein kräftiger Impuls ist aus München zu erwarten. Johan Simons, Direktor der Kammerspiele, inszeniert Lot Vekemans Drama „Gift. Eine Ehegeschichte“ (27. 5.), eine Koproduktion mit NTGent. Und der Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels, Martin Kušej, bringt ab 23. Mai im Volkstheater seine Neuinszenierung einer fast vergessenen Schauspieltrilogie über einen Umbruch: „In Agonie“. Der Kroate Miroslav Krleža (1893–1981) zählt zu den Großen der Literatur in Jugoslawien, seine drei Dramen zum Untergang des Habsburgerreiches und der alten Ordnung in Europa spielen unmittelbar vor, im und nach dem Ersten Weltkrieg.

Neben weiterem Arrivierten gibt es ausreichend Experimente und Diskurse, die Carp besonders pflegt. Mit „Unruhe der Form. Entwürfe des politischen Subjekts“ veranstaltet die Theaterdirektorin in ihrer letzten Saison einen Ausstellungs- und Performance-Parcours, der vom 11. Mai bis 16. Juni laut Katalog versucht, eine Art „Agora der Zukunft“ zu sein. Dutzende Künstler äußern sich mit unterschiedlichen Ansätzen, etwa per Vortrag, Rede, Konzert oder Performance und anderen kreativen Interventionen in bildender und darstellender Kunst. Orte der (Ver-)Handlung: die Secession, die Akademie der bildenden Küste Wien und das Museumsquartier.


Später Frühling. Auch die junge Tradition von „Into the City“ wird besonders bunt gemischt fortgesetzt. Dafür ist in diesem Jahr der neue Leiter des Volkstheater-Hundsturms verantwortlich, Wolfgang Schlag. Ihm zufolge soll es diesmal bei „Music and Politics“ eine „sehr direkte Verschmelzung“ mit dem Musiktheater-Programm geben. Ein Leitmotiv bei diesen Veranstaltungen ist der Arabische Frühling. Der gehört im Festivalbetrieb allerdings schon seit einiger Zeit zur etablierten Form mitfühlenden Protestes.

DreiMal Oper

„Join!“ heißt das Werk von Franz Koglmann (Libretto: Alfred Zellinger), das bereits vor dem offiziellen Beginn uraufgeführt wird: 8. 5., 19.30 h, MQ.

„Il Trovatore“ beschließt den Verdi-Zyklus, den Musikdirektor Stéphane Lissner nach Wien gebracht hat. Ab 26. 5., 19.30 Uhr, Theater an d. Wien.

„Written on Skin“ von George Benjamin (Text: Martin Crimp) hat im Theater an der Wien Premiere im deutschsprachigen Raum: 14. 6., 19.30 h

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2013)

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