Wiener Festwochen: Störversuche bei Jesus-Stück

Wiener Festwochen Massive Stoerversuche
Wiener Festwochen Massive Stoerversuche(c) Wiener Festwochen/ Klaus Lefebvre
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Eine kleine, offenbar organisierte Publikumsgruppe störte die Performance. Der Wiener Dompfarrer hat wenig Verständnis für diese "Wehleidigkeit".

Zu massiven Störversuchen einer kleinen, offenbar organisierten Publikumsgruppe ist es am Samstagabend bei der Wiener Festwochen-Premiere von Romeo Castelluccis Performance "Sul concetto di volto nel Figlio di Dio" ("Über das Konzept des Angesichts von Gottes Sohn") im Burgtheater gekommen. Die meiste Zeit zeigt die Performance einen erwachsenen Mann bei der Pflege seines inkontinenten alten Vaters. In einer Szene sieht man allerdings Schulkinder aus ihren Rucksäcken Plastik-Handgranaten entnehmen und diese auf das groß projiziertes Jesus-Bild "Salvator mundi" des Renaissancekünstlers Antonello da Messina werfen. Bei dieser Szene erhob sich am Samstag ein lang anhaltendes Buh- und Pfeif-Konzert. Rufe wie "Weg damit!" oder "So eine Schweinerei!" waren zu hören. Die zu diesem Zeitpunkt fast am Schluss angekommene einstündige Aufführung konnte dennoch zu Ende gespielt werden und wurde schließlich mit einhelligem Applaus bedacht.

Im Burgtheater wurden offenbar auch Flugblätter verteilt, auf denen Vergleiche zu rigiden Gesetzgebungen, die etwa in manchen Ländern die Herabwürdigung des Islams unter strenge Strafen stelle, angestellt wurden. "Sul concetto di volto nel Figlio di Dio" hatte bereits 2011 in Paris die Gemüter katholischer Fundamentalisten erregt, die wegen vermeintlicher Blasphemie zu Protesten aufriefen.

"Wir dürfen nicht zu wehleidig sein"

Wenig Verständnis für die Proteste zeigte der Wiener Dompfarrer Toni Faber bei einem Publikumsgespräch mit Castellucci und Moderator Ronald Pohl Sonntagmittag. "Ich habe Respekt vor religiösen Empfindlichkeiten, wir dürfen selbst aber nicht zu wehleidig sein", sagte er. Derartige Proteste seien "vielleicht entschuldbar" durch Unkenntnis von Castelluccis Werk, "aber ansonsten halte ich das für künstliche Aufregung", so Faber.

In einer Demokratie "müssen wir in Kauf nehmen, dass unsere Werte auch infrage gestellt werden", meinte der Dompfarrer. Seine persönliche Empfindlichkeitsgrenze stufte er weit höher ein. Die gezeigte Performance sei "in keinster Weise dazu geeignet", die auf den Flugblättern angestellten Vergleiche zu ziehen.

Er selbst habe sich in dem Blick Jesu Christi, der durch die Projektion des Gemäldes "Salvator mundi" nicht nur auf die Bühnenvorgänge, sondern auch auf die Zuschauer gerichtet war, "gut aufgehoben gefühlt": "Christus ist nicht in die Welt gekommen, um die Frommen noch frömmer zu machen, sondern um sie manchmal auch menschlicher zu machen."

Täuschend echte Geruchskomposition

Die Aufführung des Castelluccis stellt die Pflege eines alten, dementen, inkontinenten Mannes durch seinen erwachsenen Sohn in den Mittelpunkt. Unter den Blicken von Gottes Sohn wechselt der in Business-Anzug und Krawatte gekleidete Menschensohn seinem jammernden, immer wieder weinenden Vater wiederholt die Windeln - was infolge einer täuschend echten Geruchskomposition auch die Magennerven der Besucher strapazierte.

Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki hatte die Aufführung anlässlich eines Gastspiels in der deutschen Hauptstadt "unanständig" genannt, weil "das, was Menschen aus ihrem Glauben heraus wichtig und heilig ist, in dieser Weise durch den Dreck gezogen wird".

Der Regisseur

Romeo Castellucci wurde 1960 im italienischen Cesena geboren. Er war mit seiner 1981 gegründeten Compagnie Socìetas Raffaello Sanzio immer wieder bei den Wiener Festwochen zu Gast. Am 2. August zur Eröffnung des Internationalen Theater Festivals in Venedig wird er mit dem Goldenen Löwen der Biennale für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Romeo Castellucci / Socìetas Raffaello Sanzio: "Sul concetto di volto nel Figlio di Dio", Konzept und Inszenierung: Romeo Castellucci, Musik: Scott Gibbons, Mit Gianni Plazzi und Sergio Scarlatella sowie Dario Boldrini, Vito Matera und Silvano Voltolina. Italienisch, Wiener Festwochen, Burgtheater

Weitere Aufführungen: 12., 13.5., 19.30 Uhr

(APA)

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