„EntArteOpera“: Liebe, Gold und silbrige Musik

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bdquoEntArteOperaldquo (C) EntArteOpera
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In der Tabakfabrik Linz holt die „EntArteOpera“ von den Nazis geächtete Werke ins Gedächtnis zurück. So wurde nun Franz Schrekers „Die Schatzgräber“ beim Brucknerfest aufgeführt.

Ein Mädchen namens Else war's, die im Sommer 1915 Volkslieder und Balladen zur Laute vortrug, in einem Bauernzimmer in Siebenbürgen. Von diesem Ferienerlebnis inspiriert, entwarf Franz Schreker ein Textbuch, das er ein Jahr später zu vertonen begann. Aus dem Mädchen Else wurde dabei die Wirtstochter Els in einem deutschen Königreich des Mittelalters. Und statt zur Laute zu singen, giert sie nach dem gestohlenen Schmuck der Königin, lässt von ihrem Knecht Albi der Reihe nach ihre Zukünftigen ermorden und sich vom letzten davor noch die königlichen Geschmeide besorgen. Ewige Schönheit sollen sie der von allen begehrten Wirtstochter bringen.

Der Wunsch lässt sich nicht erfüllen. Denn die beraubte Königin siecht ohne ihren Schmuck, der ihr Schönheit und Fruchtbarkeit verleiht, dahin. Als der Narr seinem König vom Sänger Elis berichtet, der mit seiner Wunderlaute verborgene Schätze aufspüren kann, erhält er den Auftrag, die Juwelen wieder herbeizuschaffen. Davor ringt er dem König noch das Versprechen ab, sich als Belohnung dafür eine Frau wählen zu dürfen. Das Spiel nimmt seinen Lauf...

So weit die nicht ganz unwirre Lage in Franz Schrekers Musiktheater „Der Schatzgräber“. Es wurde sein größter Erfolg. Nach der Uraufführung 1920 in Frankfurt wurde es eifrig gespielt, auch 1922 an der Wiener Staatsoper. In der NS-Diktatur wurden die Stücke Schrekers von den deutschen Bühnen verbannt, seine Musik galt als „entartet“ und geriet in Vergessenheit. Erst gegen Ende des 20.Jahrhunderts erinnerte man sich wieder seines „Schatzgräbers“.

„EntArteOpera“ heißt das Opernprojekt, das die einst geächteten Werke wieder ins Gedächtnis zurückholen möchte. Mit dem „Schatzgräber“ machte man beim Brucknerfest einen Anfang. Die Gründungsmitglieder von „EntArteOpera“ traten dabei auch als Leading Team an: Martin Sieghart als Dirigent, Philipp Harnoncourt als Regisseur und Susanne Thomasberger als Ausstatterin der erst zweiten szenischen Produktion dieser Schreker-Oper in Österreich.

So betritt man eine der großen ehemaligen Lagerhallen für Zigaretten in der Tabakfabrik. Ein großer Sandhaufen markiert das Zentrum. An zwei Seiten davon stehen steile Zuschauertribünen, an einer anderen Seite sitzt das Israel Chamber Orchestra. Dahinter sind Planken, davor wieder Sand. Das deutsche Mittelalter hat sich in eine Goldgräberstadt verwandelt. Nicht nur die Königin giert nach dem edlen Metall. Els ist nun also ein Mädchen aus dem goldenen Westen, auf der Suche nach dem vermeintlichen Glück.

Philipp Harnoncourts Konzept versucht jedenfalls den schwül-rauschhaft raschelnden Entwurf von Schreker zu erden. Zentraler Kulminationspunkt der Oper ist die Liebesnacht zwischen Els und Elis. Ein Liebesrausch, in dem Els dem königlichen Schatzsucher das geraubte Gold an ihrem Körper offenbart, mit der Bitte, nicht zu fragen, wie sie dazu gekommen sei. Eine Nacht, nach der Els erkannt haben wird, dass ihr Glück nicht im Gold, sondern in der Liebe zu Elis liegt, und an deren Ende Elis Laute zerborsten ist. Als Els für ihre Untaten gerichtet werden soll, fordert der Narr sie als Lohn. Doch Els ist gebrochen und stirbt, natürlich nachdem ihr Elis doch noch vergeben hat.

Geschickt weiß Harnoncourt mit dem großen Raum umzugehen, arrangiert stimmige Bilder, schafft es, die verquere Handlung verständlich zu erzählen, führt gekonnt Protagonisten und Choristen. Auf dieser Ebene funktioniert der Abend prächtig, auf jener der charakterlichen Feinzeichnung, einer tieferen psychologischen Durchdringung geht in der Halle jedoch vieles verloren.

Zuckerschock in der Liebesnacht

Man sitzt also und staunt, über diese seltsam märchenhaften Handlungswirren, über den von Schreker schwülstig poetisch gedrechselten Text, über eine Musik, die sich als flirrendes Kontinuum, ohne größere Höhepunkte, wie ein harmonisch durchwegs wohliger silbriger Nebel über das Ganze legt und in der zentralen Liebesnacht fast für einen Zuckerschock sorgt. In all dem kann sich Ingeborg Greiner als dramatisch starke Els behaupten, und Roman Sadniks Elis beeindruckt trotz angesagter Indisposition. Eine stimmlich wie darstellerisch exzellente Charakterstudie bietet Alexander Kaimbacher als Narr, und auch alle anderen Rollen sind treffend besetzt.

Mit großem Engagement spielen die Musiker des Israel Chamber Orchestra unter der profunden Leitung von Martin Sieghart eine hervorragende Kammerorchesterfassung von Werner Steinmetz. Dazu überrascht die erstaunlich gute Akustik der Halle. Beste Voraussetzungen also für eine im Rahmen eines Festivals interessante und berechtigte Begegnung. Ob sich dieser einstige Erfolg jedoch nachhaltig in unsere Tage retten lässt, bleibt das große Fragezeichen des Abends.

Brucknerfest Linz

„Der Schatzgräber“ wird noch am 14. und 17.9. gezeigt – im Rahmen des Brucknerfests, das bis 6.10. dauert. Ebenfalls in der Tabakfabrik ist die Ausstellung „Das verdächtige Saxophon. ,Entartete Musik‘ im NS-Staat“ zu sehen. Beim Eröffnungskonzert am 15.9. dirigiert Dennis Russell Davies das Brucknerorchester. „Cage Stage“ am 20. und 21.9. sowie am 1., 3. und 5.10. bringt Kammermusikalisches von John Cage. Am 1.10. singt Bo Skovhus die „Winterreise“. Das London Philharmonic Orchestra spielt am 4.10.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2013)

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