Von Nō und Kabuki zum "Mikado"

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Kabuki bdquoMikadoldquo(c) EPA (EVERETT KENNEDY BROWN)
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"Im Rausch der Kirschblüten. Japonismus auf der Bühne" bietet in Wien einen knappen, doch durchdachten Überblick zur Wirkung Japans auf Europas Bühnen.

Die Presse“ wusste am 18. August 1870 von einem erstaunlichen Bühnenerfolg zu berichten: „Die Original-Japanesen, wie sie sich zum Unterschied von nachgemachten nennen, sind jetzt vom Schwender ins Josefstädter Theater übersiedelt, wo ihre erstaunlichen Kunststücke ebenso lebhaften Beifall finden.“ Besprochen wurde ein Gastspiel, das damals noch als echte Novität galt. Akrobatik aus Fernost.

Zweihundert Jahre hatte sich das Kaiserreich den andrängenden imperialistischen Mächten des Westens radikal verschlossen, dann rang sich Japans Politik 1854 doch zu einer weitreichenden Öffnung durch. Die Wirkung auf Europa war enorm. In London, Paris und Wien brach bei den Weltausstellungen im späten 19.Jahrhundert ein anhaltendes Ostasien-Fieber aus. Biedere Bürger begeisterten sich für den Japonismus, in der Mode und auch bei den Möbeln. Fächer, Papier und Tee wurden Verkaufsschlager.

„Der Mikado“ löste einen Boom aus

Im Theatermuseum in Wien kann man nun in einer Sonderschau die Ausformungen dieser Welle sehen: „Im Rausch der Kirschblüten. Japonismus auf der Bühne“ zeigt in zwei Sälen in konzentrierter Form Exotik, Romantik, Kitsch und auch herrliche kleine Kunstwerke, die Rezeption der Kunst und ihre Wirkung auf europäische Produktionen. Wer weiß zum Beispiel, dass die Drehbühne in Japan viel früher üblich war als in Europa? Sogar der Regisseur Max Reinhardt ließ sich davon anregen. Die Schau zeigt solch ein Modell, das bei offenem Vorhang rasche Szenenwechsel ermöglicht.

Vor allem auch Europas Bühnen widmeten sich dem Thema Japan. Die bissige Operette „Der Mikado“ von William Schwenck Gilbert und Arthur Sullivan, die die britische Society in fremder Verkleidung mit umso größerer Gemeinheit aufs Korn nahm, bedeutete den Beginn eines Booms. Sie wurde 1885 in London uraufgeführt. Immer stärker wandte man sich auch den originären und strengen Schauspielformen aus der Fremde zu. Giacomo Puccinis Oper „Madama Butterfly“, die 1904 in Mailand uraufgeführte „tragedia giapponese“ mit dem Libretto Luigi Illicas, wurde ebenfalls zum Welterfolg. Kaum ein Theater verzichtete in dieser Zeit auf asiatisch anmutende Ballett-Einlagen, auf zarte Schönheiten im Kimono.

Garten bei der Wiener Weltausstellung

Zur Weltausstellung in Wien 1873 sandte die noch junge Meiji-Regierung hochwertige Exponate aus Industrie und Kunst, im Freien hatte man einen typischen Garten mit Hügel, Teich, Wasserfall und Brücke angelegt. Die japanische Abteilung gehörte zu den bestbesuchten, Japanisches war richtig „in“.

Eine Parodie darauf zeigte 1887 die Operette „Der Mikado von Neu-Titipu“. Das Werk von Paul Mestrozi stellt einen vom Japan-Fieber infizierten Wiener Schneidermeister bloß, der seine Umgebung „japanisiert“, sich mit der Familie entzweit und beinahe bankrottgeht.

Aus zum Großteil eigenen Beständen des Hauses hat Kuratorin Daniela Franke einen gut gemachten Überblick zum Japonismus gestaltet. (Kongenial passt dazu der Katalog aus kostbar wirkendem Papier.) Man sieht Masken, Aufführungsplakate, Netsuke (kleine Figuren aus Elfenbein), Programme, Fotos und Bibliophiles, unter anderem Reiseberichte von Pionieren, zu denen um 1900 auch der Bühnenbildner Emil Orlik gehörte.

Theater für Kaufleute und Krieger

Neben der Wirkungsgeschichte wird auch die Tradition des japanischen Theaters dokumentiert, man erhält einen Blitzkurs, um das Nō- vom Kabuki-Theater zu unterscheiden, auch anhand prächtiger Farbholzschnitte und beeindruckender Masken. Ersteres ist Ausdruck der Ästhetik einer Samurai-Gesellschaft und entwickelte sich im 14. Jahrhundert als Tanztheater zu Beginn der unruhigen Muromachi-Periode, Letzteres entstand in der friedlicheren Edo-Periode im 17.Jahrhundert und wurde vor allem von den Kaufleuten unterstützt, die langsam an Bedeutung gewannen.

Für all jene, die sich vom Japan-Fieber anstecken lassen wollen, gibt es auch ein Rahmenprogramm, das unter anderem sowohl eine Nō-Aufführung (von Kanze-Ryu Hashioka-Kai, 4.November, 14Uhr) als auch Teezeremonien bietet. Sogar das kunstvolle Anlegen eines Kimonos wird vorgeführt.

P.S: Passend zur Ausstellung hat sich das Theatermuseum auch ein von Michaela Noll entworfenes neues Corporate Design gegeben – schlicht und mit einem kleinen Dreh versehen ist das Logo, man legt offenbar Wert auf Internationalität: „Österreichisches“ wurde aus dem Namen getilgt.

Bis 3.März 2014 im Theatermuseum. Täglich außer Dienstag 10 bis 18Uhr, Wien 1, Lobkowitzplatz2.

Katalog 27,50Euro.

www.theatermuseum.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2013)

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