Nestroy-Gala: Bühne geentert, Politik gerügt, Jelinek "verpuppt"

NestroyGala Buehne geentert Politik
NestroyGala Buehne geentert Politik(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Christiane von Poelnitz und Gregor Bloeb wurden als beste Darsteller geehrt. Elfriede Jelinek holte ihren Autorenpreis nicht persönlich ab. Der ehemalige Burg-Billeteur Christian Diaz enterte erneut die Bühne.

Ganz am Ende wurde die 14. Nestroy-Gala doch noch politisch. Dafür sorgte Montagabend zum einen Theater der Jugend-Intendant Thomas Birkmeir, der in seiner Dankesrede zur Entgegennahme des Spezialpreises eine Breitseite gegen die Politik abfeuerte, zum anderen einer, der die Bühne erklomm, ohne Teil des Programms zu sein: der ehemalige Burg-Billeteur Christian Diaz. Letzterer nützte die Preisverleihung, um darauf aufmerksam zu machen, dass am Theater vor und hinter den Kulissen oft sehr unterschiedlich agiert werde.Diaz war nicht beim Burgtheater, sondern bei dem britisch-dänischen Securityunternehmen G4S angestellt. Nachdem er bei der Jubiläumskongress zum 125. Bestehen des Burgtheaters auf die Bühne ging und auf diesen Missstand aufmerksam machte, wurde er gekündigt. Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann bei seiner Nestroy-Rede nahm auf den Billeteur Bezug: "Christian Diaz hat recht! Es braucht mutige Menschen wie ihn, um die Ohnmacht zu überwinden. Ihm gebührt ein Nestroy!"

Moderiert wurde die Gala von Schauspielerin Sunnyi Melles, Nestroy-Preisträgerin des Jahres 2005.

Darstellerpreise für  Bloeb und Poelnitz

Anders als in manchen Jahren waren die Preise diesmal gleichmäßig verteilt. Der "Elektra"-Produktion der Burg gelang mit dem Hauptrollen-Nestroy für die mit der fünften Nominierung erstmals siegreiche Christiane von Poelnitz ("Endlich!" kommentierte Melles) und dem Regie-Nestroy für Michael Thalheimer das einzige Double - sieht man von Birkmeir ab, der "für 10 Jahre innovatives, zeitgemäßes Kinder- und Jugendtheater" geehrt wurde und zudem auch Regisseur der Produktion "Wie man unsterblich wird" war, für die Hauptdarsteller Stefan Rosenthal den Nachwuchs-Nestroy erhielt.

Das Theater in der Josefstadt kam mit Gregor Bloeb als "Bester Schauspieler" (in Felix Mitterers "Jägerstätter") zum Zug, das Volkstheater Wien mit Till Firit als "Beste Nebenrolle" in "Anna Karenina".

Beste Bundesländer-Aufführung wurde "Hakoah Wien" aus dem Schauspielhaus Graz, beste Off-Produktion das von den Wiener Wortstätten in Kooperation mit dem Theater Nestroyhof Hamakom produzierte Stück "Habe die Ehre" von Ibrahim Amir. Den Nestroy für die "Beste deutschsprachige Aufführung" holte Karin Beier ab, die in ihrer letzten Saison "Reise durch die Nacht" von Friederike Mayröcker in einer Inszenierung von Katie Mitchell gezeigt hatte. Annette Murschetz wurde für ihre Bühnenbilder der Trilogie "In Agonie" von Miroslav Krleza mit dem Ausstattungs-Nestroy ausgezeichnet.

Elfriede Jelinek nahm den Autorenpreis für ihr Stück "Schatten (Eurydike sagt)" wie erwartet nicht persönlich entgegen, hatte aber unter dem Titel "Meine gute Textwurst" eine Dankesrede verfasst, die sie selbst per Toneinspielung vortrug - als Synchronstimme für die von Puppenspieler Nikolaus Habjan geführte (und im ausgezeichneten Stück mitwirkende) Jelinek-Puppe.

Jelinek-Puppe
Jelinek-Puppe(c) APA (HERBERT NEUBAUER)

Dankesreden und "Heldenplatz"-Skandal

Die Dankesreden hielten sich die längste Zeit im erwartbaren Rahmen, zwischen "große Überraschung" und "Dank an alle Beteiligten", meist nicht unsympathisch, häufig emotional, doch letztlich durch und durch privat. Bis ein selbstbewusst Shirley MacLaine zitierender Thomas Birkmeier ("We deserved it!") plötzlich in seiner Rede einen Schwenk machte, an den "Heldenplatz"-Skandal vor genau 25 Jahren und die damalige Rolle der Politik erinnerte. Über die FPÖ-Plakate des Jahres 1995 ("Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk oder Kunst und Kultur?") kam er auf die heutige Politik zu sprechen, die es zulasse, dass die meisten Theatersubventionen seit 1999 real um 30 bis 40 Prozent geschrumpft seien. "Das halte ich für eine untragbare Situation für eine Kulturnation", so Birkmeir. "Die Politik ist verantwortlich, dass eine lebendige Demokratie auch Kunst und Kultur finanziert - und das ausreichend!"

Der Publikumspreis ging an Florian Teichtmeister, der an seinem heutigen 34. Geburtstag nicht nur einen "Nestroy", sondern auch einen "Happy Birthday"-Chor aus dem Publikum entgegennehmen durfte.

Standing Ovations und einen Lebenswerk-Nestroy gab es abschließend für den 65-jährigen Regisseur und langjährigen Intendanten der Wiener Festwochen Luc Bondy. Burgschauspielerin Johanna Wokalek hielt die Laudatio: "Lieber Luc, für mich bist Du der ideale Schauspieler. Ich habe noch keinen besseren gesehen. Du bist ein Spieler - im Leben wie im Theater."

Die Preisträger im Überblick

Beste Schauspielerin

  • Christiane von Poelnitz als Elektra in "Elektra" von Hugo von Hofmannsthal

Bester Schauspieler

  • Gregor Bloéb als Franz in "Jägerstätter" von Felix Mitterer

Beste Nebenrolle

  • Till Firit als Lewin in "Anna Karenina" von Leo Tolstoj

Beste Regie

  • Michael Thalheimer mit "Elektra" von Hugo von Hofmannsthal

Bester Nachwuchs

  • Stefan Rosenthal als Sam McQueen in "Wie man unsterblich wird" von Sally Nicholls

Beste Ausstattung

  • Annette Murschetz für "In Agonie" von Miroslav Krleža

Spezialpreis

  • Thomas Birkmeir für 10 Jahre innovatives, zeitgemäßes Kinder- und Jugendtheater

Beste Off-Produktion

  • "Habe die Ehre" von Ibrahim Amir, inszeniert von Hans Escher

Beste deutschsprachige Aufführung

  • "Reise durch die Nacht" von Friederike Mayröcker, inszeniert von Katie Mitchell

Beste Bundesländer Aufführung

  • "Hakoah Wien" von Yael Ronen & Ensemble, inszeniert von Yael Ronen

Bestes Stück - Autorenpreis

  • Elfriede Jelinek für "Schatten (Eurydike sagt)", Erstaufführung

Lebenswerk

  • Luc Bondy

(APA)

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