Erni Mangold: „Dann stoße ich als alte Hexe Flüche aus!“

FOTOPROBE: 'JOSEPH UND SEINE BRUeDER - DIE BERUeHRTE'
FOTOPROBE: 'JOSEPH UND SEINE BRUeDER - DIE BERUeHRTE'APA/HERBERT NEUBAUER
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In der Josefstadt spielt Erni Mangold derzeit einen Zwerg in „Joseph und seine Brüder“. Ein Gespräch über frühe Erfahrungen mit Klassikern, über aufdringliche Herren und das Lächerliche daran, sich dauerhaftes Glück zu wünschen.

Die Presse: Sie spielen derzeit im Theater in der Josefstadt in „Die Berührte“, der Dramatisierung eines Kapitels aus der Romantetralogie „Joseph und seine Brüder“. Was schätzen Sie an Thomas Mann?

Erni Mangold: Ich mag vor allem seine Tagebücher. Die sind wahnsinnig schön. Die Sprache des Romans ist so wunderbar fleischig, für das Lernen des Textes war sie gar nicht so schwer. Ein kleiner Nachteil ist, dass man den Text immer wiederholen muss, weil er so gewählte Ausdrücke enthält. Wenn man da mit gewöhnlichen Wörtern improvisieren würde, klänge das gar nicht gut. Die Bearbeitung für die Bühne ist natürlich ein bisschen simpler gestrickt als der Roman.

Sie geben einen Zwerg. Wie ist der?

Dûdu ist ein Mann-Frau-Typ, ich habe daraus eine Art Kobold gemacht, weil ich ja kein Zwerg bin. Er kuppelt, das ist sein Charakter, ein ganz schlechter. Dûdu denunziert und möchte die Mut haben, die Frau des Potiphar. Er richtet sie bei ihm aus, Potiphar bringt dieses Scheusal Dûdu um.

Spielen Sie lieber böse Rollen?

Die Anständigen sind oft fad. Und wir sind alle keine Gutmenschen. Man kann so viele Leichen aus dem Keller holen, aus seinem Herzen. Jeder Mensch hat alles in sich. Für mich ist der Beruf aber keine Therapie, ich bin nicht von Depressionen geplagt. Bei Krisen habe ich mich zurückgezogen in die Kammer, herumgeschrien, geweint, und nach zwei Tagen war der Kummer vorbei.

Darf man fragen, ob Sie Thomas Mann noch kennengelernt haben?

Nein, aber Gerhart Hauptmann hab ich in einer Loge erlebt, Richard Strauss bei der Generalprobe zu „Die Liebe der Danae“ bei den Salzburger Festspielen im August 1944.

Kamen Sie früh zu den Klassikern?

Mein Papa war Goetheaner. Mit 14 musste ich schon „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ lesen, mit 15 den „Faust“. Mit Schiller hat er mich nicht konfrontiert, den habe ich aber später sehr gemocht.

Sie waren nach dem Krieg zehn Jahre in der Josefstadt und sind es jetzt wieder. Wollen Sie diese Zeiten vergleichen?

Um Gottes Willen! So vieles hat sich geändert. Ein bisschen ist geblieben, dass man weiterhin sagt, dieses Theater sei wie eine „Familie“. Ich halte ja nichts von so einer Familie. Das ist beim Theater immer eine Liebmacherei, ein sich gegenseitig In-den Sack-Lügen. Ich habe mich vor so etwas immer vertschüsst, auch als Junge. Nach dem Krieg waren die großen Schauspieler zudem immer sehr überheblich. Die Jungen wurden gemaßregelt, wenn sie sich dazustellten. Ich wurde zum Beispiel auch gemahnt, weil ich keinen Büstenhalter trug. Es ging nicht, dass man die Brustwarzen durchsah, also musste zumindest ein Mieder her.

Haben die Herren damals gegrapscht?

Die Männer fanden es in Ordnung, dir einen Klaps auf den Popo zu geben, weil der so hübsch war. Mich hat das damals schon geärgert. Ich bin zwar nie so flott angezogen gewesen, weil ich nicht wollte, dass man meine Figur sieht, aber wenn du ein Röckchen angezogen hast, dann warst du dran.

Wie ist es in der Josefstadt heute?

Ich mag Herbert Föttinger sehr. Er ist ein guter Direktor, in finanziellen Dingen sehr geschickt. Er hat es geschafft, die bürgerlich-konservative Linie aufzuweichen, leider aber nicht, dass wahnsinnig viele junge Zuseher kommen. Das ist im Volkstheater besser.

Sie haben die Jungen immer gefördert. Den Grazer Werner Schwab zum Beispiel.

Den habe ich erfunden. In einer Kommission im Ministerium habe ich darauf bestanden, dass man neue Stücke lesen muss. Den Schwab fand ich sehr förderungswürdig. Es hieß dann, seine „Präsidentinnen“ würden aufgeführt, wenn ich mitspiele. Das habe ich gemacht, im Künstlerhaus, es war ein Riesenerfolg, trotz schlechter Inszenierung. Schwab hat mir gesagt, dass ich den Schwab-Stil geprägt habe.

Sie scheinen noch immer rastlos, dem Neuen stets aufgeschlossen. Was würden Sie sich für die Josefstadt wünschen?

Aufgeschlossen ist gut! Ich habe schon mit 50 alternativ gespielt, als sich noch alle gefragt haben, was ich denn da mache, in der Kulisse. Sketches, Kabarett. Ernst Haeusserman hat gemeint, für eine Dame der Josefstadt gehöre sich das nicht. Es war ein Riesenerfolg. Zur Rastlosigkeit kann ich nur sagen: Bis 2015 bin ich wieder ausgebucht.

Sehen Sie das Spielen als Handwerk?

Da bin ich Profi genug. Es hat keinen Sinn, auf die Eingebung zu warten, das wäre nur Blabla. Der Beruf ist auch sehr real. Aber man beginnt mit jeder Rolle wieder neu, das ist das Interessante daran. Ein Routinier zu sein wäre schrecklich, das würde kein guter Schauspieler von sich sagen. Was ich gut kann: Ich habe das Verständnis für Kausales. Es erleichtert das Erlernen der Rolle. Je klarer man die Dinge sieht, desto besser für mich.

Sie haben noch bei Gründgens in Hamburg gespielt. Wie haben Sie ihn erlebt?

Gustaf hat viel mit mir geplaudert und diskutiert, was er nicht mit vielen tat. Ich habe ihn unmögliche Sachen fragen dürfen, bei denen andere geglaubt haben, er würde mich in den Zuschauerraum werfen, was er niemals tat. Mich hat seine Nazi-Geschichte interessiert, aber er war unvorstellbar unpolitisch. Ihn interessierte nur das Theater.

Erst Ende der Sechzigerjahre kamen Sie nach Wien zurück. Bald haben Sie dann Ihre Lehrtätigkeit aufgenommen, etwa am Reinhardt-Seminar. Warum gab es diesen Wechsel im Fach?

Ich wollte nie ans Seminar, bin nur durch Zufall eingesprungen, für Otto Schenk. Da waren alle begeistert. Acht Jahre lang habe ich immer das erste Jahr durchlitten, das schwierigste, wichtigste. Keine Professur, nix! Ich habe sie mir dann selbst verschafft.

Wie sieht, wie fördert man das Talent bei angehenden Schauspielern?

Es gibt die Aura, die bemerkt man sofort, die kann man nicht erkaufen. Man kann nicht alles erlernen. Aber jene, die beim Vorsprechen sehr gut waren, haben sich manchmal als schlecht herausgestellt. Die waren eben einfach nur intensiv gecoacht, da kann man sich täuschen lassen. Es ist auch so, dass die Stars an den Schulen später oft nichts werden. Ich habe dann im dritten und vierten Jahr meistens die Unauffälligen unterrichtet. Aus denen habe ich sehr oft gute Schauspieler gemacht, sie sind es heute noch.

Wird man im Alter wirklich weise?

Vielleicht. Ich bin mir nicht sicher. Man wird gesetzter. Wichtig ist, loslassen zu können, von Menschen, Besitz, Meinungen. Und dass man sich einredet, tolerant zu sein. Sonst hat man einen furchtbaren Grant und grämt sich nur über Schweinskerle.

Gibt es so etwas wie dauerhaftes Glück?

Nein. Das wäre lächerlich! Das wäre ganz schlecht. Man würde ein blasses Etwas werden, das grinsend vor sich hin lebt. Vielleicht, wenn man debil wird.

Haben Sie manchmal Gewaltfantasien?

Natürlich. Dann stoße ich als alte Hexe Flüche aus, damit jemand krepiert. Das nimmt man aber zurück. Manchmal.

EIN STAR FÜR THEATER, FILM UND TV

Am 26. Jänner 1927 wurde die Schauspielerin und Regisseurin in Großweikersdorf in Niederösterreich als Erna Goldmann geboren. Sie lernte das Fach an der Schauspielschule Krauss. Ab 1946 spielte Frau Mangold im Theater in der Josefstadt, von 1955 bis 1963 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Von dort ging sie nach Düsseldorf, hatte danach Engagements in Deutschland und auch wieder in Wien, wo sie ab den Siebzigerjahren zudem unterrichtete. Neben dem Theater spielte sie bisher in mehr als 60 Filmen und 20 TV-Produktionen mit.

Termine im Jänner für „Joseph und seine Brüder – Die Berührte“ im Theater in der Josefstadt: 14. bis 16. , 27. und 28. 1., 19:30 h. Am 26. 1., 15 u. 19:30 h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2014)

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