Burgschauspieler Matić: „Die Familie war in vielen Garnisonen zuhause“

PETER MATIC
PETER MATIC(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Burgschauspieler Peter Matić, diesen Freitag Gastgeber von „Kakanien“ im Kasino, über seine Herkunft, über den Verlust der Dialekte und über das Burgtheater-Deutsch, das für ihn nur ein Phantom ist.

Die Presse: Sie gestalten am 10. 1. im Burgtheater Kasino einen Abend der Reihe „Kakanien“. Passt dieses nostalgische Wort, mit dem Robert Musil die Endphase der Habsburgermonarchie bezeichnete, zu Ihnen?

Peter Matić: Aber sicherlich! Ich komme aus einer Offiziersfamilie, die durchaus kakanisch war. Mein Urgroßvater, der in Agram/Zagreb begraben ist, war Oberst in der k.u.k. Armee, er ist 1870 geadelt worden. Mein Großvater war Feldmarschall-Leutnant, mein Vater Oberst – erst noch unter den Habsburgern, dann im ersten österreichischen Bundesheer, dann in der Deutschen Wehrmacht.

Da ist der Ort der Veranstaltung für Sie doch passend, oder?

Ja, es handelt sich bei der kleineren Bühne des Burgtheaters am Schwarzenbergplatz um ein ehemaliges Offizierskasino. Das Haus wurde als Palais für Erzherzog Ludwig Viktor, den jüngsten Bruder des Kaisers Franz Joseph I., erbaut, diente dann, als der Erzherzog nach Salzburg übersiedelte – eigentlich durch den Hof übersiedelt wurde – als Offizierskasino und beherbergt heute noch den Neustädter Offiziersverein.

Ist Ihre Familie durch die Armee in der Monarchie weit herumgekommen?

Sie war in vielen Garnisonen zuhause. Die Generation meines Vaters empfand die Monarchie als ein gewachsenes Reich, allerdings auch als eine gefährdete Gemeinschaft. Mütterlicherseits war ein Urgroßonkel österreichischer Konsul, erst in Korfu, dann in Venedig. Dieser Alexander von Warsberg war Reisebegleiter der Kaiserin Sisi, in Griechenland, im Orient. Er schrieb ästhetische Reiseführer. Von ihm erzählte noch meine Mutter Familiengeschichten. Von Warsberg hat in Korfu das Achilleion geplant.

Waren Ihre Vorfahren vielsprachig?

Natürlich. Matić ist ein kroatischer Name. Und eine Großmutter mütterlicherseits stammt aus einer griechischen Familie in Triest. Die sind aus Chios vor den Türken geflohen. Ich kann diese Sprachen leider nicht. Das empfinde ich als Verlust. Auch mein Vater, der ein bisschen Ungarisch konnte, sprach schon nicht mehr Kroatisch. Zudem finde ich es auch schade, wie viel von den Dialekten verloren geht. Als ich in Berlin am Schillertheater spielte, gab es noch einen Kollegen, der das Schlesische konnte, wie es in Gerhart Hauptmanns „Die Weber“ vorkommt. Heute aber spricht man von Flensburg bis Klagenfurt eine Sprache, eine Fernsehsprache. Das ist sehr schade. Es geht der Reiz des Bodenständigen verloren. Überall hört man heute „Tschüss“ und „lecker“. Ich bin allerdings auch dialektfrei aufgewachsen. Am besten kann ich noch Hessisch, weil ich dort in die Volksschule gegangen bin.

Das ist doch fast ideal fürs Burgtheater.

Das Burgtheater-Deutsch ist ein Phantom. Die großen Protagonisten waren meist Deutsche – Werner Krauß, Ewald Balser, Paul Hoffmann, später wurde es ohnehin immer deutscher. Die großen Protagonistinnen waren hingegen meist aus Österreich – die Bleibtreu, die Wessely, die Gold, die Seidler. Friedrich Torberg hat mir außerdem gesagt, das vornehmste Deutsch sei das aus Prag.

Das Thema des Abends lautet „Sprachkrisen und andere Katastrophen“. Ist für Schauspieler eine Sprachkrise nicht die ultimative Katastrophe?

Sprachkrisen sind sicher so alt wie der Gebrauch der Sprache. Die Sprache verändert sich ständig, das ist aber keine Katastrophe, sondern zeigt uns, dass die Sprache lebt. Dies gilt auch für das sogenannte Burgtheater-Deutsch, das eine Kunstsprache ist, eine Bühnensprache, die – frei von Provinzialismen – akustisch gut verstanden werden soll, ohne den Eindruck von Pathos zu erwecken.

Was bleibt heute noch von Kakanien?

Wenn ich in Triest bin, in Abbazia oder noch weiter in Istrien, fühle ich immer eine Zugehörigkeit zu dieser Gegend. Auch die Gebäude sind ja oft noch k.u.k. Diese bunte Welt von gestern wird von Autoren wie Robert Musil, Joseph Roth oder Roda Roda so märchenhaft dargestellt. Jeder konnte anscheinend nach seiner Façon glücklich werden.

Gilt das auch für unser heutiges Europa?

Ich bin für die Idee Europas, aber nicht dafür, dass alle gegängelt werden, durch ständig neue Vorschriften. Etwas Selbstbestimmung sollte schon erhalten bleiben. Die Uridee einer Union, wie Richard Coudenhove-Kalergi sie ursprünglich gedacht hat, ist etwas sehr Schönes. Aber was gehört dazu? Da geht es schon los. Die Ukraine? Die Türkei? Es ist schon für Rumänien und Bulgarien die Integration schwer zu bewältigen. Und sehen Sie sich Ungarns derzeitige Politik mitten in Europa an, die Politik gegen Sinti und Roma.

Bei Ihrem „Kakanien“-Abend werden Sie auch Mark Twain lesen. Der hat sich bei einem Aufenthalt in Wien über die Vielsprachigkeit im Parlament gewundert. Was reizt Sie an seinem Text?

An „Turbulente Tage in Österreich“ von 1897 ist interessant, wie ein Außenstehender, ein Amerikaner, die durch eine neue Sprachverordnung verursachten Unruhen in Wien mit Staunen beobachtet. Im vielsprachigen Parlament wurde gerauft. Es ging so zu, dass es heute im Vergleich dazu wirklich harmlos ist. Twain war das Phänomen neu, er kam aus einem Land mit nur einer offiziellen Sprache.

Auch Karl Kraus hat diese Sitzungen kommentiert. Unterscheidet sich seine Beobachtung von jener Twains?

Nicht wesentlich. Vielleicht kann man aus dem Bericht von Karl Kraus mehr persönliche Betroffenheit über den ungewöhnlichen Vorgang herauslesen.

Ihr Gast auf dem Podium ist der Autor Michael Stavarič, der aus Brno/Brünn stammt. Was bringt er mit auf die Bühne?

Er hat eine fantastische Litanei für diesen Abend geschrieben, die mit fremdsprachigen Sätzen durchzogen ist. Diese Sprichwörter sagen sehr viel über einzelne europäische Regionen aus.

Welcher Spruch gefällt Ihnen besonders?

„Adler fangen keine Fliegen.“ Das stammt offenbar aus dem Lateinischen.

„KAKANIEN“ IM KASINO

Peter Matić präsentiert am 10. Jänner um 20 Uhr im Kasino des Burgtheaters am Schwarzenbergplatz Folge fünf von „Kakanien. Neue Heimaten“. Thema: „Sprachkrisen und andere Katastrophen“.

Zu Gast bei Kammerschauspieler Matić sind der vielfach ausgezeichnete, aus Brünn stammende Autor und Übersetzer Michael Stavarič sowie der Wiener Medienkünstler und Musiker Klaus Karlbauer: Er wird auf einer selbst umgebauten Zither eine Komposition spielen, die er speziell für diesen Abend verfasst hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.