Lorin Maazels lustvolle Monumentalität

Sommernachtskonzert
Sommernachtskonzert(c) ORF
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Mit den Münchnern im Musikverein: de Falla, Sibelius, überlebensgroß. Seit Jahren kultiviert Lorin Maazel bei seinen Interpretationen einen Zug ins Grandiose, gar Monumentale – auch bei Werken, die das nicht herausfordern.

Über von ihm geleitete Ballettaufführungen während seiner Staatsoperndirektion heißt es, dass das Ensemble Mühe hatte, mit den Tempi Schritt zu halten. Mittlerweile müssten die Tänzer eher einen Weg finden, länger in der Luft schweben zu können: Seit Jahren kultiviert Lorin Maazel, der in wenigen Tagen 84 Jahre alt wird, bei seinen Interpretationen einen Zug ins Grandiose, gar Monumentale – auch bei Werken, die das nicht herausfordern. Mit vier Nummern aus Manuel de Fallas Ballett „Der Dreispitz“ begann am Donnerstag das zweitägige Gastspiel der Münchner Philharmoniker, das auch eine Art Abschied war: Sorgt Maazel nach dem verfrühten Abgang von Christian Thielemann derzeit noch als mit allen schlagtechnischen Wassern gewaschener Altmeister für den Starglanz am Chefdirigentenpult, wird ihn 2015 der auch in München nicht unumstrittene Valery Gergiev ablösen.

Des Spaniers heißblütige Tanzrhythmen zündeten auch in gemächlichem Pulsschlag – vor allem deshalb, weil die Münchner sich als wunderbar homogener Klangkörper erwiesen und es zugleich fertigbrachten, die Instrumentalfarben zwischen Subtilität und satter Pracht zu mischen oder aufeinanderprallen zu lassen. Wie sehr Maazel aus der Ruhe heraus Orchesterwogen aufpeitschte und Übergänge mit exzessiven Ritardandi zelebrierte, erinnerte an Zeitlupenaufnahmen aus Naturdokumentationen: Als könne man auch bei Musik die Komplexität der Vorgänge, die Präzision des Zusammenwirkens, ja letztendlich die Schönheit des Gelingens erst bei gedrosseltem Tempo wirklich auffassen und schätzen.

Das heißt nicht, dass Maazel aller Schnelligkeit abgeschworen hätte: Im rastlosen Vivacissimo des Scherzos von Sibelius' Zweiter Symphonie lebte sie auch diesmal wieder auf. Aber: Seit seiner ungestüm-herben Einspielung der Symphonien des Finnen mit den Philharmonikern in den 1960er-Jahren, ja selbst seit seiner gezügelteren zweiten aus Pittsburgh fast drei Jahrzehnte später ist hörbar viel Zeit vergangen. Der expressive Höhepunkt des Abends mag sich im Andante ereignet haben, dennoch türmte Maazel die lange Schlusspassage des Finales aus extremem Pianissimo immer lauter und breiter so weit auf, als gelte es, Schlüsse von Bruckner und Mahler zu überbieten: Das war wohl übertrieben, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Neben solcher Klanggewalt verzwergte allerdings der brave, blasse Alessandro Taverna als Solist in Prokofieffs drittem Klavierkonzert: Unerschrockenheit und flinke Finger reichen bei Weitem nicht, das anspruchsvolle Werk zu bewältigen. Dennoch: Viel Jubel für alle. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2014)

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