Tod am Nil: Schöne Leichen

Im Papyrus-Museum der ÖNB wird der Totenkult im antiken Ägypten gezeigt - reizvoll durch Exponate österreichischer Volkskultur ergänzt.

Die Wiener stehen im Ruf, ein be sonderes Naheverhältnis zum Tod zu haben. Allein das morbide Liedgut kann als Beweis dienen. Und in der Antike? "Der Ägypter wurde geboren, um sein Grab zu bauen", lautet ein altes Sprichwort. Deshalb ist es nahe liegend, dass die Nationalbibliothek in einer Sonderausstellung diese beiden so fernen und doch wieder verwandten Kulturkreise zusammenführt. Dabei wurden auch Exponate der Dauerausstellung mit einbezogen, vor allem das 3500 Jahre alte Ägyptische Totenbuch, das damals dem Schreiber Sesostris mit ins Grab gegeben wurde - das älteste Stück mit der Katalognummer 1 in der Wiener Papyrus-Sammlung.

Die Schau beschäftigt sich mit dem Totenkult und Sterben der einfachen Leute, betont der Kurator des Papyrus-Museums der ÖNB, Harald Froschauer. Ausgehend von textlichen Quellen wird an passenden Artefakten gezeigt, wie zentral das Begräbnis nicht nur für die Mächtigen, sondern auch für das Volk war. So führt eine Liste von Bestattungskosten auf, dass ein gewöhnlicher Sterblicher im zweiten Jahrhundert 440 Drachmen für eine "schöne Leich" aufwenden musste - das war der Gegenwert von zwei Eseln. Allein die Totenmaske kostete 64 Drachmen. Warum der kostspielige Aufwand? In der Vorstellung der Ägypter war es von Bedeutung, dass der Körper erhalten blieb, auf dass der Tote sich mit dem Gott Osiris vereinige, dass die Fahrt auf dem Schiff des Gottes Re aufgenommen werden konnte. Bereits zu Lebzeiten hatte man Vorbereitungen für die Auferstehung zu treffen, die Nachfahren mussten sich ebenfalls für das Weiterleben nach dem Tod einsetzen.

Vergoldete Totenmasken, Masken aus Holz oder Leinwand-Karton, Mumienporträts von der Zeitenwende, der Lohnzettel eines Totengräbers aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., der Gewerbeschein für die Mumienmaler Phratres und Psenobastis aus dem 1. Jh. v. Chr, Kondolenzschreiben aus koptischer Zeit sowie arabische Objekte zeugen vom differenzierten Umgang mit der Vergänglichkeit. "Wir gehören Gott, und zu ihm kehren wir zurück, wobei wir mit dem, was er bestimmt, zufrieden sein müssen", heißt es in einem Kondolenzschreiben an die Frau des Kalifen aus dem 10. Jahrhundert. Dieser arabische Brief könnte unverändert auch in christlichem Kontext stehen.

Totenlied und Totenbrauch in Österreich zeigen die Beispiele, die das Österreichische Museum für Volkskunde in Kooperation mit dem Österreichischen VolksLiedWerk zur Ausstellung beisteuert. "Die Zivilisation der Städte hat uns den Brauch des Abschiednehmens gestohlen", bedauert Walter Deutsch, der Doyen der österreichischen Volksmusik. Vom Reichtum poetisch-musikalischer Altformen im Totenkult unserer Dörfer sei wenig erhalten geblieben. Das klingt beinahe wie eine uralte ägyptische Klage über das Vergängliche.

Papyrus-Museum, Heldenplatz 1, 23. Juli 2003 bis 5. März 2004. Öffnungszeiten: 1. Juli bis 30. September Mo., Mi., Fr. 10 - 16 Uhr, ab 1. Oktober 10 -17 Uhr.

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