Johann Kräftner: „Wir liegen dem Fürsten am Geldsack!“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Interview. Johann Kräftner, Direktor des Wiener Liechtenstein-Museums, das zu wenig Besucher hat, sucht Sponsoren – und will nicht „KHM-General“ werden.

Die Presse: Das erst 2004 eröffnete Liechtenstein-Museum hat nur 90.000 Besucher und daher sehr knapp bemessene Öffnungszeiten: Freitag–Montag 10–17h. Wie geht es weiter?

Johann Kräftner: Die Besucher laufen uns hier in der Gegend nicht nach. Es besteht die Gefahr, dass das Museum als Liebhaberei eingestuft wird. Daher hat Fürst Hans AdamII. gesagt, wir müssen Kosten reduzieren. Das heißt, dass man die Besuchertage weiter verringern muss. Ich setze aber im Augenblick alles daran, das zu vermeiden. Ich hoffe auf Sponsoren.

Sponsoren für das Privatmuseum eines Fürsten? Die Hoffnung ist kühn. Viele werden sagen: Wozu braucht ein Fürst mein Geld?

Kräftner: Warten wir ab. Der Kunsthandel ist ganz scharf darauf, hier eine Auslage auf höchster musealer Ebene zu finden. Wir haben keine Berührungsängste, weil der Handel unser Partner ist.

Sie kaufen sehr viel für die Sammlung.

Kräftner: Ja. Wir werden im Februar 2010 zum 65.Geburtstag dem Fürsten als Sammler eine Ausstellung widmen. Seit dem Tod seines Vaters 1989 hat Hans Adam II. über 500 Objekte erworben.

Sie wollen nicht, wenn es hier zu schwierig wird, neuer Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums (KHM) werden?

Kräftner: Auf keinen Fall. Mein 2002 auf fünf Jahre abgeschlossener Vertrag wurde im Mai in einen unbefristeten umgewandelt. Ich habe einen wunderbaren Job hier. Es hat eine Zeit lang nach No Future ausgesehen, aber wir stricken an intelligenten Finanzierungsmodellen und strotzen inzwischen wieder vor Optimismus.

Ich verstehe nicht, warum der Fürst mit diesem Museum Geld verdienen will. Er ist doch wirtschaftlich höchst erfolgreich.

Kräftner: Von Geld verdienen ist nicht die Rede. Er buttert 80Prozent ins Museum. Er kümmert sich intensiv, er treibt auch Geld auf. Aber der Fürst hat viele Betriebe in Österreich. Mit Ausnahme des Museums machen alle Gewinn. Nun kann man wie in vielen Unternehmen Verluste eine Zeit lang durch Gewinne kompensieren. Aber am Ende des Tages liegen wir ihm am Geldsack, während die anderen Geld schaufeln. Das will er ändern. Ich kann das verstehen. Es gibt viele Museen, die nur sonntags oder an bestimmten Tagen oder gegen Voranmeldung besichtigt werden können, etwa Spencer House in London oder der Palazzo Colonna in Rom. Das ist eine Möglichkeit. Man braucht dann weniger Personal, vor allem für Aufsicht und Sicherheit.

Obwohl das Liechtenstein-Museum hier nicht so gut geht, soll jetzt im Stadtpalais expandiert werden. Ziemlich unlogisch.

Kräftner: Gar nicht. Das war ja von Anfang an geplant. Wir hatten bereits die Schlussbesprechung mit dem Denkmalschutz. Die beiden Palais stehen in ursächlichem Zusammenhang miteinander. Wir beginnen 2008, 2011 werden wir fertig sein. Wir sanieren die Räume und Ausstellungsräume. Dort präsentieren wir das Biedermeier. Wir bauen einen dreigeschoßigen Tiefspeicher im Hof. Es wird einen Shuttlebus zwischen Stadt- und Gartenpalais geben.

Wie sehen Sie die Situation des KHM? Sie hatten ja Streit mit Generaldirektor Seipel, der Sie eigentlich einst mitentdeckt hat.

Kräftner: Das waren Missverständnisse. Wilfried Seipel ist wahnsinnig viel gelungen. Was ihm nicht gelungen ist – und das liegt am österreichischen Staat: ein besseres Budget. Das KHM braucht dringend Ausstellungsräume. Die können weder im Völkerkunde-Museum noch durch Zusammenlegung mit der Albertina entstehen. Sonst rennen alle anderswohin in die Ausstellungen – und das Haupthaus würde nach unten rasseln. Der Staat muss Geld in die Hand nehmen. Man kann in die Erde reinbuddeln oder die Höfe überdachen. Da gibt es, wie ich höre, einen Wettbewerb. In den 80er-Jahren wurde die Sekundärgalerie geschlossen, die mindestens so groß ist wie die Hauptgalerie. Das ist kein Schrott, sondern das sind unglaublich schöne Bilder.

Museumsdirektoren müssen heute eher Manager als Wissenschaftler sein.

Kräftner: Ein reiner Gelehrter an der Spitze eines Museums ist heute nicht mehr denkbar. Mein Job ist zu 80Prozent Management. Trotzdem braucht ein Manager einen kunstgeschichtlichen Verstand. Ein weiteres Kriterium ist die Kenntnis der Lage vor Ort, sonst geht er unter.

Sie reisen sehr viel. Werden Museen anderswo großzügiger behandelt?

Kräftner: Der Louvre wird besser behandelt als das KHM. Er hat ein gigantisches Ankaufsbudget. Die Einstellung in Frankreich ist sehr nationalistisch. Sie versuchen alles, was französisch gefärbt ist, zurückzubekommen – um jeden Preis. Da hat der Staat immer Geld dafür. Da wird nicht nach Sponsoren gesucht. Sie schauen auch über den Tellerrand hinaus und versuchen momentan z.B., deutsche und österreichische Malerei des 19. Jh. zu erwerben. Der Louvre hat uns zwei wunderbare Waldmüllers bei einer Auktion weggeschnappt. Da steht der staatliche Kommissär auf, der in jeder Auktion sitzt, und sagt: Vorkaufsrecht für den Louvre. Dabei hatte ich schon den Zuschlag.

In früheren Zeiten wurden auch aus der Liechtenstein-Sammlung Gemälde verkauft.

Kräftner: Ja, zum Beispiel der Heilige Hieronymus von Guido Reni, der wurde 1957 aus finanziellen Gründen ans KHM verkauft. Wir verkaufen auch demnächst einen großen Brocken an Möbeln und Bildern über Christie's. Das sind aber wirklich Dinge, die nicht von TopiInteresse sind. Es geht auch nicht darum, Geld zu machen, sondern Platz zu schaffen. Wir verkaufen nichts, was in einem österreichischen Museum von Interesse wäre. Wir haben auch die Ausfuhrgenehmigung für die Sachen bekommen.

ZUR PERSON

Johann Kräftner (56) führt die Liechtensteinischen Sammlungen in Wien und Vaduz. In St.Pölten geboren, studierte er Architektur, leitete das Institut für künstlerische Gestaltung der TU Wien, gestaltete Ausstellungen, auch für das KHM.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2007)

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