Das ist Dichands dreistes Double

Die Presse (Fabry)
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Weihnachtsfrieden für den „Krone“-Herausgeber: Der „Fälscher“ von Hans Dichands Blog nimmt die Maske ab und beendet sein mysteriöses Tun.

Er hat uns alle an der Nase herumgeführt. Uns, die Medienmacher dieses Landes. Seit Wochen rätseln wir, wer hinter dem falschen Hans Dichand steckt. Kaum hatte der Herausgeber der „Krone“ im November sein elektronisches Tagebuch aufgeschlagen, trat schon ein satirischer Plagiator auf den digitalen Plan. Auf www.hansdichand.blogspot.com fand man fast täglich ein bis zur Kenntlichkeit verzerrtes, von Authentizität triefendes Fake. Wer hatte den Mut, den Weisen aus der Muthgasse so zu provozieren?

Man schloss Wetten ab, Gerüchte schwirrten, Namen kursierten. Die präsumtiven Täter: Publizisten, Kabarettisten, arrivierte Aktionisten. Was für ein Irrtum. Offenbar hatte man die Gesetze des Internets und der Gegenöffentlichkeit immer noch nicht verstanden. Gestern hat sich der unerwünschte Ghostwriter in der ersten Pressekonferenz seines Lebens geoutet. Und siehe da: Er ist – in unseren Kategorien – ein Nobody, ein gewisser Philipp Drössler, junger Künstler und leidenschaftlicher Blogger.

Die Idee kam ihm um vier in der Nacht, unter Kollegen. Nein, keine „b'soffene G'schicht“, sondern bei der Arbeit. Die Seite wurde mit einfachen Vorlagen auf Blogspot eingerichtet, einem unter Amateur-Bloggern beliebten Server. Das dauert wenige Minuten und sichert die Anonymität. Die Aktion war auf wenige Tage angelegt. Doch es kam anders. „Ich habe wahnsinniges Glück gehabt, dass die Sache explodiert ist.“

Sprengmeister war niemand anderer als Dichand selbst – der echte. Zwei Drohungen auf Seite zwei der „Kronen Zeitung“ war ihm sein Alter Ego aus der Blogger-Welt wert. Er werde den „Fälscher“ schon „ausforschen“ und „überführen“.

Drössler erinnert sich: „Ich fand das bizarr und beängstigend. Sollte ich besser nach Südamerika auswandern?“ Bei allem trotzigen Spott: Er weiß, dass man sich besser nicht mit der „Krone“ anlegt. Die Erinnerung an Nikolaus Formanek, gegen dessen Satire-Webzeitung „DieKlone.at“ Dichand 2001 erfolgreich bis zum OGH prozessierte, ist wach. Ein Dichand-Foto ersetzte Drössler rasch durch ein Cato-Relief. Jetzt stellt er seine Bloggerei ein, „bevor ich den Brief eines Rechtsanwaltes im Haus habe“.

Dichand hat die virtuelle Schlacht also vorderhand gewonnen. Wer aber ist der moralische Sieger im ungleichen Kampf? Fehlt es Dichand an Humor? Fallen ihm wirklich die Zacken aus der „Krone“, wenn man ihn sanft parodiert? Vielleicht hat er in seiner Altersweitsicht besser als manch andere verstanden, wie subversiv das Internet sein kann. Hier bleibt es nicht bei millionenfach rezipierten Kommentaren zur Lage der Nation, ergänzt um sorgfältig ausgesuchte Leserbriefe. Da wird forumauf, forumab gegen jede Meinung angeposted, was das Zeug hält. Und da ist auch, im legalen Rahmen, Platz für Duplikate, die frech provozieren oder – wie im Falle Drösslers – einfach nur nachdenklich machen wollen.

„The Yes Men“ als Vorbilder

Dichand irrte nur, als er eine „einmalige verbotene Handlung“ vermutete. Die internationalen Kommunikationsguerillas untergraben schon seit Anfang der 90er-Jahre Autoritäten aller Art: Medien, Firmen und Institutionen. Erst machen sie sich ihnen täuschend ähnlich, dann treiben sie ihre Botschaften auf die Spitze. Bis sich die ertappten Hörer und Leser Gedanken über das Original machen, dem sie bislang unreflektiert vertrauten. Berühmt wurden „The Yes Men“ aus New York. Sie fälschten die Website der Welthandelsorganisation WTO und ließen sich zu Konferenzen einladen. Dort empfahlen sie in eleganter Kleidung und ernsten Worten, die Sklaverei in Afrika wieder einzuführen: „Darum geht es beim freien Handel: um die Freiheit, alles zu kaufen und zu verkaufen – sogar Menschen“. Man hörte ihnen ehrfürchtig zu.

Verglichen damit nimmt sich Drösslers Tun harmlos aus. Er selbst definiert sich „nicht als Linken, sondern als Libertären“. Nachdem er sich selbst „abgebloggt“ hat, bleibt ihm eine Hoffnung: dass seine Aktion Kreise zieht. „Schön wäre es, wenn sich morgen ein anderer Faker zu Wort meldet, der einen Fellner oder Bronner imitiert.“

DER BLOGGER ALS ANARCHIST

Philipp Drössler hat den Blog von Hans Dichand ein Monat lang satirisch imitiert. Gestern stellte er sich der Öffentlichkeit.

Ein Blog oder Weblog ist ein im Internet geführtes Tagebuch, in dem der „Blogger“ seine Gedanken und Erlebnisse der Öffentlichkeit verkündet.

Kommunikationsguerilla nennt man Künstler und politische Aktivisten, die Botschaften anderer imitieren und überspitzen, um so Kritik zu üben. [Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2007)

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