Musical "We will rock you": Ein Spaß mit Quasteln

AP (Stephan Trierenberg)
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Das Musical im Wiener Raimundtheater beweist vor allem, dass die vorgebliche Popband „Queen“ in Wahrheit ein Musical-Orchester war.

Meiner Seel'! Überall regiert herzlose Maschinenmusik, nix als Plastik und Computer, Disco und Cyberspace. Doch eins-vier-vier, die Rettung naht, der gute alte Rock kommt zurück, mit allen vier Buchstaben, herzhaft, schwitzend, ehrlich, händisch, frisch, saftig, auf Nachfrage steirisch...

Dieses Motiv ist wohl das abgedroschenste der Popgeschichte; selbst Pressetextpoeten verwenden es nur mehr, wenn ihnen zu einer Band aber auch gar nichts einfällt. Der britische Comedy-Star Ben Elton hat es ausgegraben, in ein Science-Fiction-Setting à la „Matrix für Arme“ versetzt (das ideell auf George Orwells „1984“ zurückgeht) und daraus ein Musical gemacht, das 2002 in London Premiere hatte und seither erfolgreich ist. Nun bis Juli in Wien: fast ausverkauft.

Galileo träumt vom Rock'n'Roll

Wie ist das möglich? Durch die Macht der Persiflage: Die lächerlichste Pose wird erträglich, wenn sie sich selbst verlacht. Und durch die Musik der Rockband Queen, die genau dieses Prinzip in den Pop eingeführt hat. Songs wie „We Will Rock You“ und „We Are The Champions“, „Crazy Little Thing Called Love“ und „I Want To Break Free“ waren stets eine Parodie ihrer selbst. Charmant, sagen Fans, nervtötend, sagen Gegner. An Queen bissen sich sogar die Posenentlarver des slowenischen Kollektivs „Laibach“ die zynischen Zähne aus: Die totalitäre Attitüde von „One Vision“ kann man nicht entlarven, sie entlarvt sich selbst. Und alle haben Spaß dabei, heben die Arme rhythmisch, schwenken Leuchtstäbe.

Radio Gaga hat gewonnen

Das zum Schluss sowieso. Davor aber die Holzschnitthandlung. Es spielt, wie gesagt, in der Zukunft, auf dem Planeten e.bay (formerly known as earth), in einer uniform-multicoloren Ga-Ga-Welt, wo jeder Individualismus und die diesen verkörpernden Instrumente (also vor allem E-Gitarren) verboten sind. Nur eine isolierte Rebellenbande namens „Bohemians“ giert nach der guten alten Rock'n'Roll-Zeit, die sie „Rhapsody“ nennen, aber nur aus Relikten und Ruinen kennen. Doch erst ein tumber Träumer, der sich „Galileo Figaro“ nennt, gemeinsam mit seinem „Baby“ Scaramouche, kann sie zurückführen in die seligen Tage, „als haarige Männer mächtige Instrumente spielten und Mädchen ihre Höschen warfen“. Gegen diese Urgewalt haben die Cyberspace-Faschisten letztlich keine Chance.

Seinen Witz bezieht das Textbuch primär daraus, dass die Rock'n'Roll-Revisionisten der Zukunft ihre Kenntnisse des Goldenen Zeitalters zusammenstückeln müssen und dabei einiges durcheinanderbringen, Punk, Metal und Woodstock sowieso. Da wird Bob der Baumeister zum Popstar und Victoria Beckham zum Hippie-Idol, Lokalkolorit (von Ostbahn-Kurti bis zur Blume vom Gemeindebau) wurde klug ergänzt. Und nicht einmal die Witze sind schlecht. Zum Beispiel dieser: Was war der letzte Wunsch des Queen-Gitarristen Brian May vor seiner Hinrichtung? Ein Gitarrensolo. Es hat seinen Tod um drei Tage verzögert...

Aber das wirklich Subversive an diesem Musical ist, dass die böse Cyberwelt und die gute Rock'n'Roll-Welt letztlich in einer einzigen Show konvergieren: alles Karneval, alles Hüpfen, alles lustig. Und alles peinlich: „Ich glaub', ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so was Peinliches gesehen“, sagt die Scaramouche treffend, als ihr Galileo sich in Rockheldenposen versucht.

Die beiden geben die einzigen Rollen ab, die mehr Schauspiel erlauben als Schmiere: Jessica Kessler ist ein rührendes Riot-Girl, stilistisch irgendwo zwischen „Emo“ (oder, wie man früher sagte, „New Romantic“) und Modepunk, sie hat gute Sager und bringt sie gut. Serkan Kaya spielt den Galileo glaubhaft naiv und stottert virtuos, wenn er sich versingt, wird sogar das an sich unerträgliche „I Want To Break Free“ gemildert.

Brigitte Oelke (als überreife, selbst ein wenig dem Libertären zugeneigte „Killer Queen“) und Martin Berger (als autoritärer „Khashoggi“) haben typische Musical-Rollen und outrieren genauso hemmungslos, wie es sich Musical-Fans wohl erwarten. Darryll Smith als Brit schüttelt sich eindrucksvoll, der Rest der Bande ist vor allem choreografisch und tänzerisch gut geschult, in der bühnenbildnerisch originellsten Szene (in einem schwer übernächtigen Hardrock-Café) hängen sie malerisch herum, in eklektisch kombinierten Secondhand-Fetzen.

Und die Musik? Der Gitarrist spielt Brian Mays quälende Solos fast originalgetreu nach, ansonsten muss die Band die Songs kaum bügeln, um sie musicaltauglich zu machen. Denn zumindest das lernt man an diesem Abend: Wenn es je eine Rockband mit der logischen Endstation Musical gab, dann Queen. Jetzt sind sie dort, downtown Gumpendorf. Alle mitsingen!

DIE BAND: Queen

1970 gegründet. Besetzung: Freddie Mercury (1991 an Aids gestorben), Brian May, Roger Taylor, John Deacon. Zuerst mit fein verschrobenen Songs wie „Killer Queen“ und „Now I'm Here“ eine typische Art-Rock-Band, wurden später immer pompöser. May und Taylor wirkten an der Produktion von „We Will Rock You“ mit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2008)

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