Charlton Heston gestorben

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Nachruf. Charlton Heston wurde mit Monumentalfilmen wie „Ben-Hur“ ein Weltstar, politisch wandelte sich der Bürgerrechtskämpfer zum konservativen Waffenlobbyisten.

Charlton Heston ist ein Axiom“, hieß es in der berühmt-berüchtigten Polemik namens „Zur Verteidigung der Gewalt“ vom französischen Kritiker Michel Mourlet in den „Cahiers du cinéma“ 1960. Seine Schlussfolgerung war zumindest gewagt: „Durch seine bloße Präsenz und unabhängig vom Film, in dem er mitspielt, liefert Charlton Heston eine genauere Definition des Kinos als Filme wie Hiroshima mon amour oder Citizen Kane.“

Mit (bewusst) übersteigertem Enthusiasmus liefert Mourlet eine mustergültige Definition der ikonischen Qualität, die Heston so ideal für überlebensgroße Rollen machte. Auch der Titel von Mourlets Text wirkt wie eine Vorahnung: Zuletzt fiel Heston nicht als Akteur auf, sondern als konservativer Kämpfer vor allem für die amerikanische Waffenbesitz-Lobby „National Rifle Association“ (NRA). Als deren Präsident und kompromissloser Fürsprecher warf er sich in eine berüchtigte Pose, die seinem die Gesetzestafeln in Die zehn Gebote (1956) präsentierenden Moses um nichts nachstand: Nun hielt Heston eben das Gewehr hoch über den Kopf und verkündete, dass man es ihm erst nach dem Tod wegnehmen können würde – „from my cold, dead hands“.

Es war die unheimliche letzte Rolle eines Stars mit mythischem Image, das sich (teils biblischen) Monumentalfilmen von Cecil B. DeMille verdankte – und der Titelrolle in William Wylers Ben-Hur (1959), für die Heston 1960 den Oscar bekam. „Die aufgestaute Gewalt, die vom düsteren Phosphoreszieren seiner Augen zum Ausdruck gebracht wird, sein Adlerprofil, der gebieterische Bogen seiner Augenbrauen, die harte, bittere Kurve seiner Lippen, die gewaltige Stärke seines Torsos – der schlimmste Regisseur kann das nicht ruinieren“, beschrieb Mourlet die Respekt gebietende Physis von Heston.

Archetyp des amerikanischen Siegers

In Hestons „perfektem Körper“ und seinen Rollen als „gottgleicher Held“ sah US-Starkritikerin Pauline Kael den „Archetyp dessen, was Amerikaner zu Siegern macht“, als sie die ironische Verwendung des „Repräsentanten amerikanischer Macht“ in Franklin J. Schaffners Science-Fiction-Parabel Planet der Affen (1968) lobte. Mit einschlägigen Verkörperungen des spanischen Volkshelden in Anthony Manns Historienepos El Cid (1961) oder des britischen Generals Gordon in Khartoum (1965) hatte Heston die internationale Macht und Vormachtstellung Hollywoods auf den Punkt gebracht.

Aber es wäre ein Irrtum, Leben und Karriere des Weltstars einseitig im Zeichen der konservativen Wandlung des einstigen liberalen Bürgerrechtsaktivisten zu sehen. Als Schauspieler zeigte Heston Potenzial zur Selbstironie, etwa mit Auftritten in der TV-Comedy „Saturday Night Live“ oder als Wächter eines Waffengeheimnisses im Remake von Planet der Affen (2001), während Michael Moore den NRA-Präsidenten in der Anti-Waffen-Doku Bowling for Columbine(2002) regelrecht vorführte, dem 78-jährigen aber nur wirres Gerede entlockte. Kurz darauf gab Heston eine Alzheimer-Erkrankung und damit den Rückzug öffentlich bekannt. Samstag starb er in seinem Heim, im Beisein seiner Frau Lydia, die er 1944 geheiratet hatte, als er sich zur Air Force meldete.

Zeitlebens trat Heston als traditionsbewusster Familienmensch und vorbildlich treuer Gatte auf. Auch als Filmstar kontrollierte er sein Image genau, war aber (sanften) Experimenten aufgeschlossen, kämpfte für den umstrittenen Regisseur Orson Welles beim gemeinsamen Noir-Klassiker Im Zeichen des Bösen (1959), gab die wohl bewegendste Leistung seiner Karriere in einer bemerkenswert abgeklärten Western-Revision: Der alternde, analphabetische Cowboy Will Penny in Der Verwegene (1967) von Tom Gries blieb Hestons Lieblingsrolle.

Radikaler war die Revision von Hestons politischer Haltung: US-Historikerin Emile Raymond hat in einer buchlangen Studie zu Heston herausgearbeitet, dass diese Entwicklung mit jener von wichtigen neokonservativen Ideologen der Republikaner korrespondiert, die wie Heston aus proletarischen Verhältnissen kamen und den Weltkrieg miterlebten. Der Schauspieler, der erst mit Martin Luther King marschierte, dann (wie John Wayne) den reaktionären Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater unterstützte, fasste den Wandel seines Engagements als (fürs Prinzip der individuellen Freiheit eintretender) libertarian so zusammen: „Meine Politik hat sich nicht verändert – sondern die demokratische Partei.“

STATIONEN EINER KARRIERE

Charlton Heston wurde 1924 in Evanston, Illinois als John Charles Carter geboren, die Eltern ließen sich bald scheiden, der Nachname Heston stammt vom Stiefvater. Bald entdeckte er die Liebe zum Schauspiel und zur Schauspielerin Lydia Clark, die er 1944 heiratete. Nach dem Kriegsdienst wurde Heston als (Shakespeare-)Darsteller am Broadway und im TV von Veteran Hal Wallis entdeckt. Cecil B. De Milles Zirkusspektakel „Die größte Schau der Welt“ (1953) machte den muskulösen Akteur bekannt, er wurde schnell Weltstar, spielte oft in Monumental-, Action- und Science-Fiction-Filmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2008)

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