Sommerspiele Melk: Franzobels Theatersegen

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Intendant Alexander Hauer inszeniert "Metropolis" nach Fritz Lang, ein kühnes Unternehmen, das glückte.

Der Abt von Melk kann weiter gut schlafen. Franzobel hat zwar sehr sonderbare Auffassungen von der Schöpfungsgeschichte – nicht Gott, sondern der Tod bringt die Welt hervor, und sein Ebenbild sind die Menschen. Aber das Ende ist doch sehr fromm: Pflegt eure Seele.

Das muss auch der Intendant der Melker Sommerspiele, Alexander Hauer, getan haben, als er Franzobel mit einer Bühnenfassung von Fritz Langs Filmklassiker „Metropolis“ beauftragt hat, die, von Hauer inszeniert, Mittwochabend in der Wachauarena ihre Uraufführung erlebt hat. Liegt es am Stift, das mächtig das Theaterzelt überragt, dass die religiösen Motive in diesem gleichermaßen neusachlichen wie expressionistischen Stoff stärker auffallen als sonst?

De profundis – aus der Tiefe steigen die Toten, die Maschinenmenschen, an das Licht; der Turmbau zu Babel, Symbol für die Überhebung des Menschen, der sich hier dem Konsum- und Machtrausch ergibt, der Hure Babylon; Josaphat, bzw. Joschaphat, König von Juda, der im 9.Jh. v.Chr. Baal-Götzenbilder zerstören hat lassen, die sieben Todsünden usw. Franzobel ist im wesentlichen Fritz Langs Film gefolgt, der übrigens in voller Länge auf Youtube zu sehen ist, doch hat der Dichter die Figuren mit Elementen aus dem Volkstheater zwischen Barock und Nestroy höchst fantasievoll sprachspielerisch, lautmalerisch und witzig angereichert.

Einige Plattitüden über Politik, Wirtschaft (alles korrupt, böse, verdorben) weniger – und das Stück wäre perfekt. Theatermenschen vergessen oft, dass ein Gutteil ihres Publikums Büros bevölkert bzw. dem Management angehört, und mehr über wirtschaftliche Vorgänge weiß als die in Mannschaftsstärke antretenden Kapitalismuskritiker vor und hinter der Bühne. Gleichviel, letztlich ist das ein gelungener Abend, dem das Publikum bei der Premiere reichlich Applaus gespendet hat, was beachtlich ist, denn mit nettem Sommertheater hat „Metropolis“ wenig zu tun.

Pralle Volkstheater-Figuren

Die Story: In ihrer Welt tief unter der Erde schuften Menschen wie Maschinen für eine Oberwelt, in der Superreiche ihren Kindern ein Paradies aus ewigen Gärten (in Melk gibt es sogar eine Suppe dieses Namens am Buffet), lustvollen Verführungen und sportlichen Wettkämpfen geschaffen haben, während die Kinder der Armen ..

Ja, und hier beginnt der romantische Teil der Geschichte: Eine junge Frau dringt in die Oberwelt ein, um den Kindern der Armen das Paradies der Reichen zu zeigen, wobei sich der Sohn des Gründers von Metropolis in sie verliebt... Hauer führt das fast drei Dutzend starke und sehr gute Ensemble mit sicherer Hand.

Bühne, Kostüme, Musik, hier wirkt alles bestens zusammen. Dass die Regie auf das Pathos des Films verzichtet hat, war klug. Das meiste tönt dramatisch, aber doch realistisch. Ivana Rauchmann ist eine bezaubernde Maria, Andreas Patton ein herrischer Unternehmer Joh Fredersen, Julian Loidl ein sympathischer Träumer als sein Sohn Freder. Christian Preuss wirkt als irrer Wissenschaftler Rotwang echt schaurig, er erinnert an Märchenbösewichte alter Schule.

Kajetan Dick als György (Nummer 11811) stürzt sich in das pralle Leben, nachdem Fredersen junior seinen Platz an der Maschine angenommen hat, und verzehrt ein ganzes Hendl. Sebastian Pass legt viel tolle Kunst und Nuancen in die kleine Rolle des Josaphat, der entlassen wird, Fredersen jr. verrät, ihn aber dann doch rettet. Markus Kofler ist ein saftiger Teufel (hier „der Schmale“) mit knallender Peitsche. Insgesamt: eine ideenreiche Überschreibung. Für all jene, denen dieses Theatervehikel zu schwer war, ein Trost: 2015 gibt's in Melk „Alice im Wunderland“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2014)

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