Pereira: „Salzburg ist die Spitze des Vulkans!“

Alexander Pereira
Alexander Pereira(c) APA/EPA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
  • Drucken

Pereira geht mit Wehmut in seine letzte Saison. Er ist aber auch stolz auf seine Arbeit. Opern schaut er sich gern mehrfach an, da wird ihm nie fad. Nur bei Fragen nach einem möglichen Defizit wird er grantig.

Die Presse: Ihr letzter Sommer als Intendant der Salzburger Festspiele: Wie geht es Ihnen? Sind Sie wehmütig oder froh?

Alexander Pereira: Es geht mir gut, aber natürlich bin ich ein bisschen wehmütig, weil man ja doch irgendwie gerührt gewesen ist, dass die Heimat einen gerufen hat. Aber es ist merkwürdig, wie einen das Schicksal dann wieder woanders hinschickt. Meine Partnerin Daniela de Souza studiert in Mailand, da hat sich das mit dem Engagement an der Scala wie eine Fügung des Schicksals ergeben. Schlimmer wäre gewesen, ich hätte nichts gehabt nach Salzburg und zu Hause meine vier Wände anschauen müssen.

So sehr würde Ihnen die Arbeit abgehen?

Ich denke, ja. Ich bin kein Müßiggänger, nur wenn ich mir selbst Müßiggang verordne, kann ich ihn genießen. Vom Prinzip her liegt mir das nicht.

Sie können bei dem Riesenprogramm in Salzburg nicht alles anschauen. Wo gehen Sie hin, was lassen Sie aus?

Es ist schwer, eine Auswahl zu treffen. Sicher werde ich mir alle Opern mehrfach ansehen.

Wird Ihnen das nicht fad?

Nein. Mir ist nie fad. Wenn mir fad wäre, wäre das ein Zeichen, dass ich keine Kraft mehr habe, Langeweile ist sehr oft Kraftlosigkeit. Ich bin immer noch genauso begeistert wie am ersten Tag von jedem Projekt. Ich hoffe, dass möglichst alles gelingt! Erstmals in der Geschichte der Salzburger Festspiele machen wir eine Schubert-Oper, „Fierrabras“. Wir haben die Uraufführung von Marc-André Dalbavie, „Charlotte Salomon“. Das habe ich mir sehr gewünscht. Im nächsten Jahr kommt eine Uraufführung von György Kurtág, im übernächsten Jahr eine von Thomas Ades. Das ist jetzt eine wichtige Tradition der Salzburger Festspiele geworden. Meine Nachfolger führen das fort, und sie haben auch klar gesagt, dass sie das Festival geistlicher Musik, die Ouverture spirituelle, beibehalten werden, bei dem wir heuer die Sufi-Gruppe unter der Leitung von Sheik Salem Algazouly zu Gast haben. Es gibt so viele Dinge, auf die ich mich freue!

Auf was noch – zum Beispiel?

Den „Rosenkavalier“ im Richard-Strauss-Jahr. Wer darf schon einen „Giovanni“ in der Mozart-Stadt machen? „Der Troubadour“ ist eine Herausforderung, das ist ein Werk, von dem alle immer sagen, es wäre szenisch schwer zu verdauen. Wir haben eine spannende Lösung für diese Verdi-Oper gefunden. Ich bin guten Mutes – aber natürlich auch immer bereit, mich prügeln zu lassen.

Passt „Krieg“, das heurige Generalthema, zum sommersonnigen Salzburg und zur Stimmung der Besucher?

Das Publikum muss nicht erwarten, dass wir alle mit finsterer Miene nur an Krieg denken. Der Bruckner-Zyklus z.B. hat nichts mit Krieg zu tun. Es gibt aber auch genug Kulinarisches. Man kann sich bei Festspielen nicht sechs Wochen Asche aufs Haupt streuen.

Wie schaut es mit der Scala-Intendanz aus? Was ist der letzte Stand der Dinge?

Kurz gesagt, beide Parteien haben sich anderthalb Jahre gegeben. Wenn wir miteinander glücklich sind, wird es weitergehen. Es gibt keinen Grund, dass wir nicht miteinander glücklich werden. Ich werde an der Scala weiter planen, es kann aber sein, dass irgendwann ein anderer meine Projekte abwickelt. In meiner Funktion bin ich in keiner Weise eingeschränkt.

Sie sind schon an vielen Orten gewesen. Was ist für Sie das Besondere an Salzburg?

Es gibt keinen Ort der Welt, wo so viele berühmte Künstler für eine Periode zusammenkommen und ihre besten Ideen für ein Festival einbringen. Es gibt eine große Erwartungshaltung beim Publikum und bei den Künstlern – und ich denke, dass ich dazu beigetragen habe, dass diese Erwartungshaltung an Salzburg sehr stark war in diesen drei Jahren. Die Salzburger Festspiele sind eine Art Spitze des Vulkans unter den Festivals, und wir haben sie höchst attraktiv und verführerisch gestaltet.

Wird es ein Defizit geben?

Warum wird jetzt wieder damit spekuliert? Vergangenes Jahr war das mitten in den Festspielen ein Thema. Am Schluss hatten wir ein Plus von 400.000 Euro. Wir machen jetzt Festspiele, später rechnen wir ab. Ich bin jetzt bei den Sponsoren ein bisschen eine Lame Duck, eine lahme Ente, weil Leute, die ich anschnorre, sagen mir, jetzt lass mich doch einmal ein Jahr in Ruhe, du bist ja nicht mehr in Salzburg. Das hilft nicht gerade. Der Kartenverkauf läuft jedenfalls fantastisch.

Zwei wichtige Künstler, Lorin Maazel und Gert Voss, sind vor Kurzem gestorben. Was sind Ihre Erinnerungen an die beiden?

Maazel war genial in seiner Art, wie er dem Orchester jedes Detail einer Partitur durch seine Zeichengebung, seine Dirigiersprache mitteilen konnte. Alle haben das bewundert, und ich habe viele schöne Aufführungen mit ihm erlebt. Nächste Saison hätte er an der Scala „Aida“ dirigieren sollen, das ist ein böser Schlag. Mit Gert Voss hatte ich persönlich viel weniger zu tun. Sven-Eric Bechtolf, der ihn besser kannte, hat die menschlichen Qualitäten von Voss sehr geschätzt. Was Voss mit Maazel verband, beide haben eine familiäre Umgebung gebraucht, diese Verwurzelung ist für Künstler sehr wichtig.

Wo relaxen Sie in Salzburg am liebsten?

Mein Stammbeisel ist der Gasthof Esterer in Fürstenbrunn. Wenn ich erschöpft bin, lasse ich mich dort pflegen, und werde wieder aufgepäppelt. Ich liebe diesen Platz sehr.

ZUR PERSON

Alexander Pereira, Spross einer alten Bankiersfamilie, wurde am 11.Oktober 1947 als Sohn eines Diplomaten in Wien geboren. Er war Touristikmanager in London, ferner zwölf Jahre bei Olivetti. Daneben absolvierte er ein Gesangsstudium. 1984 wurde er Generalsekretär des Wiener Konzerthauses. Ab 1991 leitete Pereira das Opernhaus in Zürich. 2012 begann seine Intendanz in Salzburg, die wegen Kontroversen mit dem Kuratorium (Aufsichtsrat) um Pereiras Programm- und Budget-Expansion heuer vorzeitig endet. 2015/16 ist Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf verantwortlich für das Festival, ab 2017 Markus Hinterhäuser.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Bühne

„Oratorium ohne Worte“: Was Harnoncourt mit Mozart macht

Im Rahmen der „Ouverture spirituelle“ dirigiert Nikolaus Harnoncourt am Montag im Salzburger Haus für Mozart – wie schon zuvor bei der Grazer Styriarte – Mozarts letzte drei Symphonien.
Musik als Weg mystischer Erfahrung. Bei der „Ouverture Spirituelle“ finden heuer vier Konzerte mit Sufi-Musikern statt.
Salzburger-Festspiele

Premiere in Salzburg: Trance-Ritual der Sufi

Im Rahmen der „Ouverture Spirituelle“, die eine musikalische Begegnung von Christentum und Islam versucht, präsentieren sich Angehörige eines islamischen Ordens.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.