Burgtheater-Chefin Bergmann: "Klein zu denken wäre falsch"

PK 'PRAeSENTATION DER NEUEN BURGTHEATER-DIREKTION': BERGMANN
PK 'PRAeSENTATION DER NEUEN BURGTHEATER-DIREKTION': BERGMANNAPA/ROBERT JAEGER
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Im Interview spricht die neue definitive Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann über ihren Vorgänger, Matthias Hartmann und warum sie eigentlich nichts mehr erschüttern kann.

Die Presse: Welche nützlichen Ratschläge haben Sie bekommen, seit Sie Direktorin des Burgtheaters sind? Hat sich Ihr früherer Direktor Claus Peymann gemeldet?

Karin Bergmann: Er hat mich gestern ganz früh angerufen und fand meine Bestellung bis 2019 eine gute, richtige Entscheidung. Der wichtigste Ratschlag kam von vielen Künstlern aus der Peymann-Ära und von seinem Ko-Direktor in Berlin, Hermann Beil, der mir ein Berater im Hintergrund war: Ich solle nicht zu brav sein und diese Spargestik ja nicht so verinnerlichen, dass ich permanent eine Schere im Kopf habe. Ich habe also unsere prekäre finanzielle Situation im Kopf, schließe aber deshalb nicht von vornherein Dinge aus. Klein zu denken wäre falsch, die Kunst muss im Zentrum bleiben.

Wie stehen Sie zu Ihrem im März entlassenen Vorgänger, Matthias Hartmann, von dessen Anwältin nach Ihrer Bestellung sehr kritische Bemerkungen über Sie kamen? Ist das ein endgültiger Bruch?

Wenn wir juristisch jemals in der Lage sind, dass ich klar und offen mit ihm reden kann, auf ihn zugehen kann, wäre eine künftige Zusammenarbeit kein Problem für mich. Nachtragend zu sein hat im Theater gar keinen Sinn. Von Hartmanns Vorgänger, Klaus Bachler, habe ich gelernt, dass man mit Großzügigkeit am weitesten kommt.

Wie steht es mit der Frauensolidarität?

Sehr viele haben mir gratuliert. Aber gestern gab es zum Beispiel einen Bericht im „Mittagsjournal“ des ORF, in dem von mir als „der kleinen Sekretärin“ die Rede war. Da finde ich es schon enttäuschend, wenn so eine Formulierung von einer jungen Frau kommt. Das ist keine reflektierte Wortwahl. Es wurde mir auch schon vorgehalten, dass ich einmal Pressesprecherin war. Na und? Frank Baumbauer, einer der erfolgreichsten Intendanten, war Betriebsbüroarbeiter. Es kommt immer darauf an, für wen man es macht. Die Pressearbeit für Peter Zadek habe ich geliebt. Und wenn man so wie ich einst Zadek, Andrea Breth und Luc Bondy gleichzeitig zu betreuen hatte, kann einen eigentlich nichts mehr erschüttern.

Auch kein Politiker? Sie wollen vom Kulturminister eine Valorisierung des Budgets und haben ein gemeinsames Vorgehen mit Staats- und Volksoper angedeutet. Hat es schon Absprachen gegeben?

Es hat noch gar keine gegeben, aber im Gespräch mit dem Minister wurde mir klar, dass wir alle im selben Boot sitzen. Dieser weltgrößte Theaterkonzern sollte etwas sein, worauf dieses Land stolz ist.

Welcher Schnitt schmerzte besonders?

Es stehen im Theater immer schwere Entscheidungen an. Aber so ein Adrenalinschub sensibilisiert auch. Wir haben ein großes Ensemble. Das ist fein, das ist berechtigt. Es kann sein, dass ich es geringfügig verändern werde. Ich mache das aber nicht über die Medien, sondern habe mit Betroffenen über Vertragsveränderungen geredet. Für mich ist es wichtig, dass sich mein wunderbares Ensemble im Gleichgewicht befindet. Wir sind ganz stark bei den Älteren, in der Mitte fehlen ein oder zwei Positionen. Und wann kriegen wir bei den ganz jungen Österreichern wieder einen wie Nicholas Ofczarek, der jetzt die Mitte mitprägt?

Wann ist der Schuldenberg der Burg weg?

Ich träume davon, dass ich das Haus positiv übergeben kann, vermutlich 2019. Dann kann ich gut wieder gehen. Es wäre schön, dann wieder mehr zu reisen und zu lesen.

Gibt es andere Häuser, die Sie bewundern?

Es gibt viele tolle Theater. Ich freue mich, wenn ich die Münchner Kammerspiele von Johan Simons besuche, der macht großartig und aktiv europäisches Theater. Das geht bei einem kleineren Theater leichter, in der Burg wäre das so gar nicht möglich. Wohl aber im Akademietheater und im Kasino. Auch Joachim Lux gelingt das in Hamburg am Thalia-Theater richtig gut. Von ihm möchte ich die Besucheransprache fürs Türkische und Kroatische kopieren. Diese Zuseher müssten wir doch auch gewinnen können. Da haben wir noch was zu tun und aufzuholen. Wir fangen damit ganz klein und bescheiden an, mit zwei neuen Reihen: „Grenzgänger“ und „Carte Blanche“, das nächste Woche beginnt. Im Kasino möchte ich zudem Kinder- und Jugendtheater zeigen.

Was planen Sie mit der Kärntner Autorin und Dramaturgin Maja Haderlap?

Sie möchte ich für ein Projekt gewinnen, das sie gemeinsam mit Georg Schmiedleitner erarbeiten soll. Zudem möchte ich sie als Kuratorin gewinnen für ein Projekt, das ich „Nachbarhaus“ nenne, bei dem wir auf die Nachbarländer schauen. Auch Martin Kušej wäre dafür prädestiniert. Ich interessiere mich zudem für den Autor Thomas Arzt.

Als Köder für Großes haben Sie bei Ihrer Vorstellung am Dienstag von der „Orestie“, der „Göttlichen Komödie“ und dem „Nibelungenlied“ gesprochen. Sind das Träume oder bereits konkrete Projekte?

Wovon ich eigentlich träume, ist das Europäische, so wie es Stefan Zweig verstand. Man sollte die europäischen Stoffe so bearbeiten, dass man ein Verständnis für diesen Kontinent erhält. An solchen großen Stoffen kann man sich abarbeiten, das muss sich das Burgtheater trauen. Solche Projekte können durchaus auch Laborcharakter haben. Wir fangen jetzt mit der Dramaturgie an, dies langfristig zu entwickeln.

Wie ist die Saison angelaufen?

Die Premieren sind großartig angekommen, „Die letzten Tage der Menschheit“ und „Die lächerliche Finsternis“ sind immer ausverkauft. Nach dem üblichen holprigen Septemberstart läuft das Repertoire jetzt auch wieder sehr gut, allen voran „Die Möwe“, „König Lear“, „Onkel Wanja“ oder „Dorian Gray“, den wir vom Vestibül ins Akademietheater übernommen haben.

Hatten Sie seit März Momente, in denen Sie sich fragten, warum Sie sich das antun?

Es gab noch keinen, in dem ich es bereut habe. Wenn man aber plötzlich exponiert ist, empfindet man Kritik ganz anders als in der zweiten Reihe. Ich muss mir eine dicke Haut zulegen. Da bin ich eben dabei. Doch die Arbeit macht mir vor allem Freude.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2014)

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