Paulus Manker: "Ich bin immer erobert worden"

FILM-PREMIERE 'DER MEDICUS': MANKER
FILM-PREMIERE 'DER MEDICUS': MANKERAPA/HERBERT NEUBAUER
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"Alma" kommt nach Wiener Neustadt. Regisseur Paulus Manker gesteht zuvor seine Leidenschaft für eine Frau mit sehr schlechtem Charakter und zeigt sich entsetzt über Kulturskandale.

19 Jahre „Alma“ – das ist weit länger als die Durchschnittsehe hält. So lange ziehen Sie mit dem Polydrama von Joshua Sobol bereits durch die Welt. Eine Besessenheit?

Paulus Manker: Keine Frau hat es in meinem Leben so lange mit mir ausgehalten, das steht fest. 20 Jahre will ich unbedingt schaffen. Vielleicht gibt es sogar die Silberhochzeit. Bisher hat mir „Alma – A Show Biz ans Ende“ immer Spaß gemacht. Sonst würde ich mich sofort von ihr trennen. Es ist für mich ein kreativer Input, der sich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt. Ich bin im Stück seit 19 Jahren die einzige Konstante.

Gibt es Figuren, die Ihnen mit den Jahren sympathischer geworden sind?

Alle außer der Alma werden mir immer sympathischer. Mahler, Kokoschka und Werfel sind beeindruckende Gestalten. Aber auch über Alma weiß man immer mehr. Das wirft leider nicht immer ein gutes Licht auf sie. Ich fürchte, sie hatte einen sehr schlechten Charakter, unverbesserlich antisemitisch, sogar noch nach Auschwitz. Doch selbst ihre zahlreichen Feinde konzedierten ihr eine außergewöhnliche Erscheinung. Sie konnte berühmte Männer an sich binden. Da muss man schon was drauf haben. Kokoschka hat behauptet, eine Nacht mit Alma habe ihm Kraft für eine Woche Arbeit gegeben. Bei der Fellatio soll sie leidenschaftlich und gut gewesen sein. Diese heilsame Kombination ist äußerst selten. Sie war eine Muse, die mir doch auch Respekt abringt.

Mögen Sie Musen?

Ich bin immer von Frauen erobert worden und meist an Hysterikerinnen geraten. Immer habe ich es aber am Ende versemmelt. Mit dem Alter werden die Liebesbeziehungen eben schwieriger. Da muss ich mir was einfallen lassen. Vielleicht die Taktik ändern?

Was hat sich diesmal für die Inszenierung in Wiener Neustadt am Stück verändert?

Die Monumentalität hat sich noch einmal gesteigert. Wir haben 1996 mit drei Dutzend Szenen begonnen, jetzt sind es fast 60. Das ist gut so. Auch Alma Mahler-Werfel war in ihren Lieben, Ambitionen, Charakterschwächen monumental, ein Monster. Das vergangene Jahrhundert kann man am besten über seine Monstren verstehen – über aus dem Ruder gelaufene Figuren, die die anderen überragen. Veränderungen ziehen Zerstörungen nach sich, erfordern Opfer. Mich ärgert derzeit zum Beispiel Folgendes: Da stirbt Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Ein Raunen geht durch die Zeitungen, als ob Stalin oder Mao gestorben wären. Wenn Gert Voss stirbt, Karlheinz Hackl, Michael Glawogger oder Hans Hollein, sind das wirkliche Katastrophen. Bei denen geht man aber am nächsten Tag schlicht zur Tagesordnung über. Was war an Frau Prammer groß? Sie wird im Parlament aufgebahrt, das Volk kann dort von ihr Abschied nehmen. Wozu? Wer will denn das? Sie hat ihren Job gemacht. Und sonst?

De mortuis... Mit all diesen verstorbenen Künstlern haben Sie zusammengearbeitet. Bittere Verluste! Darf ich Ihnen sagen, dass Sie Ihrem Vater Gustav Manker immer ähnlicher sehen? Sie wirken leicht entrückt.

Ich habe gerade eine schwere Herzoperation hinter mir, an der ich fast gestorben wäre. Aber ich bleibe dennoch aktiv. Im September kommt im Berliner Alexander-Verlag ein Buch von mir über den vermeintlichen Nazi-Intendanten Walter Bruno Iltz heraus, der im Krieg das Wiener Volkstheater geleitet und meinem Vater das erste Engagement als Bühnenbildner gegeben hat. „Enttarnung eines Helden“ heißt es und zeigt die Möglichkeit künstlerischen Widerstands im Dritten Reich.

Wie kommen Sie auf die Spielstätte hier in der Industriezone – die Roigk-Hallen?

Wir waren immer mit wunderbaren Locations gesegnet. Aber eine 300 Meter lange Eisenbahnhalle, in die wir mit dem Publikum per Zug hineinfahren können, haben wir noch nie gehabt. Am 15.August geht es los, 16 Aufführungen sind geplant. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll hat uns finanziell großzügig unterstützt. Der hat Stil. Als er erfahren hat, dass die Wiener Kulturpolitik uns den Sessel vor die Tür stellt, hat er sofort reagiert. Er nimmt die Künstler ernst, er lässt in seinem Land einen fantastischen Humus für sie entstehen. Eben hat er uns sogar bei den Proben besucht. Und Christian Blazek aus Reichenau, der Besitzer der Hallen, stellt sie uns als Mäzen zur Verfügung.

Der Raum ist tatsächlich sehr großzügig bemessen, wie ein Riesentanker. Was aber verbindet diesen Ort mit dem Stück?

Kokoschka war hier an der Militärakademie. Alma hatte sich von ihm getrennt, sie wollte dann auch noch, dass er 1915 einrückt, um an der Front das „richtige Leben“ kennenzulernen. Auf Vermittlung von Adolf Loos meldete er sich zur noblen Kampfgattung der Dragoner. Die mussten selber ihr Pferd, die Uniform und ihre Ausrüstung mitbringen. Die meisten Kavalleristen waren Aristo-Schnösel. Kokoschka hat sein berühmtes Gemälde „Die Windsbraut“, das ihn und Alma zeigt, verkauft, um sich das Dragoner-Dasein leisten zu können. Schnell hat er sich vom fanatischen Anhänger der Armee zum Pazifisten gewandelt, als er mit der Realität konfrontiert wurde, an der russischen Front schwerst verwundet wurde.

Was hat Kokoschka denn mehr geschadet – Alma oder der Erste Weltkrieg?

Ich würde sagen, er kam vom Regen in die Traufe. Aber das Dienen im Heer hat ihm gar keinen Spaß gemacht.

Der Große Weltkrieg begann vor genau hundert Jahren. Haben Sie darauf in dieser Inszenierung Rücksicht genommen?

Allein schon die Industriehalle hat einen Einfluss auf die Temperatur des Stückes. Es wurde ein bisschen düsterer. Almas Leben war an sich nicht besonders erfreulich. Sie musste mit ihrem zweiten jüdischen Mann wegen der Nazis in die Emigration in die USA.

2014 ist ein Jahr kulturpolitischer Skandale, zuletzt gab es auch noch Kritik an der Verwaltung der Wiener Festwochen durch deren scheidende Theater-Chefin Frie Leysen. Wie schätzen Sie diese Vorkommnisse ein?

Leysen ist offenbar weg, weil sie die Übermacht des Kaufmännischen Direktors angegriffen hat. Ich kenne den seit vielen Jahren. Wolfgang Wais gehört doch längst entfernt. Der hat bei den Festwochen eine Schatten-Existenz aufgebaut, die ihm gar nicht zusteht. Unter ihm haben alle Intendanten gelitten. Leysens Kritik stimmt in allen Punkten.

Wie bewerten Sie die Malversationen im Burgtheater und die Misere der Holding?

In der Burgtheater-Affäre bin ich überrascht und entsetzt darüber, wie bis auf (Ex-Direktor) Matthias Hartmann alle anderen bisher ungeschoren davongekommen sind, bei all diesen unmäßigen, unkontrollierten Gebarungen und Geldflüssen, die offenbar vor unser aller Augen jahrelang stattfanden. Ich hoffe, dass die Gerichte das alles klären, und zwar bitte nicht durch einen Vergleich. Es war schon ein entsetztes Aufwachen, was für ein Augiasstall das war, angefangen mit der früheren Ministerin und ihren Beamten. Claudia Schmied und Sektionschef Michael Franz hatten doch das Sagen und hätten eingreifen müssen. Aber Politiker sind ja unangreifbar, auch wenn sie Scheiße bauen. Denen passiert nie etwas.

Steckbrief

Paulus Manker, geboren 1958, ist der Sohn der Schauspielerin Hilde Sochor und des Regisseurs und Theaterdirektors Gustav Manker. Schon während der Ausbildung zum Schauspieler hatte Paulus Manker 1979 ein Engagement am Burgtheater, er arbeitete an vielen weiteren erstklassigen Häusern. Manker ist zudem als Film- und Theaterregisseur sowie Autor und Drehbuchautor tätig.

Mit Joshua Sobol, dem israelischen Dramatiker, arbeitet Manker seit „Weiningers Nacht“ (1985) zusammen. 1996 schufen die beiden nach dem Text von Sobol das Projekt „Alma – A Show Biz ans Ende“, Manker führte Regie. Das im Sanatorium Purkersdorf uraufgeführte Polydrama über Alma Mahler-Werfel und ihre Männer lief seither erfolgreich auf drei Kontinenten. 1999 wurde es fürs Fernsehen verfilmt.

Premiere 2014:
Ab 15. August ist das Stück „Alma“ in Wiener Neustadt zu sehen, in den Roigk-Hallen, ausgehend von der Lagergasse 3. Weitere Informationen: www.alma-mahler.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2014)

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