Oper und Theater, Schuberts lebenslange unglückliche Liebe

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Niemand Geringerer als Peter Stein versucht, obwohl er das Libretto für „grauenvoll“ hält, eine Ehrenrettung des ehrgeizigsten Bühnenprojekts aus der Feder des Wiener Liedermeisters. „Fierrabras“ mit Michael Schade, dirigiert von Ingo Metzmacher, hat am Mittwoch Premiere.

Von Biografen, Dirigenten, ja sogar von Dramaturgen hört man mit schöner Regelmäßigkeit die Mär vom erfolgreichen Opernmeister Franz Schubert. In Wahrheit ist es nie gelungen, einen der vielen Musiktheaterversuche des Komponisten zu dauerhaftem Leben zu erwecken. Erstmals wagen sich nun die Salzburger Festspiele an die herkulische Aufgabe.

Peter Stein engagiert sich für die Sache, die bis dato stets als rein musikalisch lohnend, theatralisch aber aussichtslos galt. Auch Stein merkte im Vorfeld der Premiere an, er hielte den Text Joseph Kupelwiesers für „grauenvoll“. Möglicherweise gelingt es dem Meisterregisseur dennoch, zumindest die dramaturgisch völlig verunglückte Tatsache vergessen zu machen, dass der edelmütige Titelheld über weite Strecken der Oper gar nicht in Erscheinung tritt, weil er bald nach Beginn der Handlung ins Gefängnis wandert. Den Text hat Stein während der Proben selbst bearbeitet – schon „um nicht immer wieder in schallendes Gelächter auszubrechen!“.

Schuberts Musik wurde – wie im Falle seiner allesamt erfolglosen theatralischen Unternehmungen – stets als besonders schön empfunden.

Wie denn auch anders? Dass der Schöpfer des „Erlkönigs“ und von „Gretchen am Spinnrade“ keinen Sinn für Dramatik gehabt hätte, kann ja ernsthaft niemand behaupten. Doch besteht ein Unterschied zwischen seismografisch nachgezeichneten Seelenbewegungen und jenen extrovertierten Aktionen, die das Musiktheater zu verlangen scheint. Vielleicht ist es ja keine Unmöglichkeit, diese Pole miteinander zu verbinden. Nur sind bisher alle Versuche gescheitert.

Mit „Fierrabras“ ging einst auf Claudio Abbados ausdrücklichen Wunsch die Wiener Staatsoper ein Risiko ein. Das Ergebnis wurde allgemein als Ereignis gelobt, weil die Bildersprache der Regisseuse Ruth Berghaus der nicht minder enigmatischen Textvorlage ein Verwirrspiel entgegensetzte, das noch schwieriger zu enträtseln war als jener Handlungsverlauf, zu dem Schubert die Musik geschrieben hat.

Wer findet sich zurecht im Irrgarten?

Die natürlich klang herrlich, was aber nicht verhindern konnte, dass „Fierrabras“ nach ein paar Aufführungen wieder von der Bildfläche verschwand. Stücke, in denen man sich nicht auskennt, haben notorisch keine Chance im Repertoire.

Drum erging es auch sämtlichen anderen Opern Schuberts nicht besser. Als Liedkomponist konnte Schubert sich Goethe-Gedichte wählen, für den Opernliebhaber gab es immer nur hanebüchene Libretti.

Die prächtige Schauspielmusik zu „Rosamunde“ hören wir auch heute noch gern; wohl deshalb, weil sich jeder Musikfreund im Konzertsaal seine eigene Handlung zu den Klängen imaginieren darf; vom originalen Stück weiß man längst nichts mehr. Vermutlich ist das auch besser so.

Dass Schubert sich an schlechte Texte verschwendet hätte, dürfte im Übrigen aber nicht der einzige Grund für die Enthaltsamkeit sein, in der sich Opernhäuser bis heute üben. Aus jener Generation haben wir – den „Fidelio“ ausgenommen – so gut wie kein deutsches Werk in den Spielplänen behalten. Sogar Webers „Freischütz“ wird ja bald als Rarität gelten. Also doch „Fierrabras“? Als Startschuss zur Neubesinnung? (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2014)

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