Kunstprojekt: Moschee zum Anziehen – wozu ein Minarett?

(c) Aksamaija
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Eine Moschee muss nicht unbedingt ein Gebäude sein, meint die junge Künstlerin und Architektin Azra Aksamija – und entwirft eine Dirndlmoschee mit integriertem Gebetsteppich.

Artfremd, so bezeichnete Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll Minarette von Moscheen. In Kärnten wird mit dem Argument der Ortsbildpflege gegen Moscheebauten vorgegangen. Die logische Konsequenz könnte eine Verösterreicherung islamischer Elemente sein. Eine Dirndlmoschee vielleicht?

Die gibt es übrigens tatsächlich. Die gebürtige Bosnierin Azra Aksamija kreierte ein Dirndl, das mit einigen Handgriffen zu einer Art Minimalmoschee umgebaut werden kann – ein Gebetsteppich im Vorderteil wird ausgeklappt, aus einer Handtasche wird ein Kopftuch und ein dekoratives Element am Karabinerhaken entpuppt sich als Kompass, mit dem die Gebetsrichtung nach Mekka bestimmt werden kann.

Die 32-jährige Künstlerin und Architektin, die seit einigen Jahren am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA arbeitet, setzt mit diesem Modell eine Idee um, mit der sowohl eine österreichische als auch eine muslimische Identität kommuniziert wird.

Gut und schön, mag der Einwand lauten, aber ist eine Moschee nicht als Gebäude definiert? „Im Grunde ist das, was ich mache, fundamentalistisch“, meint die Künstlerin. Fundamentalistisch nämlich als Rückbesinnung, was eine Moschee ursprünglich war – ein Platz für das Gebet, wie ihn der Prophet Mohammed einst nutzte. „Es ist das Gebet, es ist die Ausrichtung nach Mekka und es ist ein spirituell reiner Ort“, erklärt sie, „das ist eine Moschee auf das Minimalste reduziert.“

Ein Imam fühlt sich bedroht

Erst im Lauf der Geschichte haben sich verschiedene Elemente und Stile entwickelt, die jetzt als unverzichtbar gelten, sei es eine Kuppel, sei es ein Minarett. Und doch, für ihre Idee habe sie bisher große Zustimmung erhalten – sogar von konservativen Muslimen. Wenn es Widerstand gab, sei es eher um Machtfragen gegangen – so habe sich etwa der Imam am MIT durch die Idee einer Do-it-yourself-Moschee in seiner Stellung bedroht gefühlt.

Es sind aber auch ganz praktische Probleme, die die Moschee zum Anziehen aufwirft: So fiel bei einer Präsentation des Projekts, zu der die Wiener Grünen kürzlich ins Rathaus geladen hatten, die Kritik, dass eine Moschee ja mehr als nur ein Gebetsraum sei, sondern auch ein soziales Zentrum. Ein Vorwurf, den Aksamija nicht vollends entkräften kann und will. Zwar sei die Dirndlmoschee so konstruiert, dass der eingebaute Gebetsteppich von mehreren Menschen benutzt werden kann. Doch natürlich sei diese Art von Moschee eher ein Kunstprojekt, ein Gedankenspiel, um festgefahrene Vorstellungen, wie Moscheen aussehen sollen, aufzubrechen.

Aber so realistisch sieht sie es ohnehin, dass ein solches Experiment in der breiten Bevölkerung wohl kaum großen Widerhall finden wird. Volksglaube und Tradition sind nun einmal stärker als Experimente, selbst wenn die auf Basis des Koran möglich wären. Eine Serienfertigung der Dirndlmoschee, von der es bisher nur Prototypen gibt, wird demnach noch länger auf sich warten lassen.

Gerade bei der breiten Masse gebe es einfach traditionelle Vorstellungen, wie eine Moschee auszusehen hat, meint Aksamija. Und natürlich, Minarette haben ja auch eine praktische Funktion: Ursprünglich als sichtbares Zeichen, aber auch als Ort, von dem aus der Gebetsruf in die Nachbarschaft gerufen werden konnte. (Funktionen können sich auch ändern – in Bosnien werden etwa öfters Mobilfunksender darauf montiert.)

Solche Funktionen müssten aber hinterfragt werden. In Orten wie Wien, wo es keine mehrheitliche muslimische Gesellschaft gibt, sei es etwa wenig sinnvoll, vom Minarett aus zum Gebet zu rufen. Viele Muslime würden außerdem ohnehin mit der Zeit gehen – und sich etwa vom Computer zum Gebet aufrufen lassen. „Laptop Muezzins“, nennt Aksamija das.

Moschee wie Kirche bauen

Flexibel muss es sein, ist das Credo. Wie auch die Moschee, die sie als Magisterarbeit am MIT entworfen hat. Die „Generic Mosque“ ist als multifunktionaler Raum gedacht, der auch Shopping Mall oder Kunstgalerie sein könnte. Ähnlich flexibel war auch ein Projekt, das sie vergangenen Sommer in Wien umsetzte: Vor der Wiener Secession errichtete sie die Kunstmoschee, eine multifunktionale, dreidimensionale Teppichlandschaft, die mit wenigen Handgriffen von einer Liegewiese zu kleinen Gebetsräumen umgebaut werden kann.

Ob sich alle Muslime mit solchen Kunstprojekten identifizieren können, sei dahingestellt. Die Hoffnung der Künstlerin ist jedenfalls, aus einer reinen Pro- und Kontra-Debatte – Minarett ja oder nein – herauszukommen. Und das auf eine spielerische Art und Weise. „Islamische Architektur hat sich entwickelt, weil sie Vorhandenes assimiliert hat“, meint Aksamija, „man hat auch von Kirchenarchitektur gelernt.“ Und plötzlich blitzt eine weitere Idee auf, die für noch größeres Aufsehen als das Dirndl sorgen könnte: „Was würde wohl passieren, wenn man eine Moschee so wie eine Kirche bauen würde?“

ZUR PERSON: AZRA AKSAMIJA

www.mit.edu/~azraGeboren wurde Azra Aksamija am 18. Mai 1976 in Sarajevo. Mit 14 Jahren kam sie nach Österreich, seit 1997 ist sie Staatsbürgerin. Seit 4Jahren arbeitet die Künstlerin und Architektin am Massachusetts Institute of Technology (MIT). [Saurer]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2008)

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