Zu blass! Zu dunkel!

Die Kulturen sind mit der Weisheit der Natur nicht zufrieden.

Von der Natur her wurden die Menschen hellhäutig, als sie von Afrika aus den Norden der Erde erwanderten und sich auf das neue, schwächere Licht einstellen mussten. Licht – exakter: die UV-Strahlung darin – ist zweischneidig: UV ist lebensfeindlich, es greift DNA an. Aber ohne UV können wir nicht leben, unsere Haut synthetisiert mit seiner Hilfe Vitamin D, das „Sonnenschein-Vitamin“, es stärkt die Knochen.

Nun muss abgewogen werden – DNA gegen Knochen –, die Evolution hat es getan und die Hautfarbe an das Licht gekoppelt, mit Melanin, dem dunklen Hautpigment, es fängt UV ab. Es färbt die Menschen dort tiefschwarz, wo die Sonne brennt, am Äquator. Zu den Polen hin werden wir heller, wir müssen das schwächere Licht in größeren Mengen hereinlassen, vor allem Frauen müssen es – zur Versorgung der Embryos –, sie sind in jeder Population ein wenig heller als die Männer, die Anthropologien Nina Jablonski bemerkte es (Journal of Human Evolution, 39, S.57).

Sie bemerkte auch, dass es nicht nur um das Licht geht, sondern auch um die Ernährung: Die Inuit hoch im Norden sind dunkel, sie können sich den Sonnenschutz leisten, nähren sich von Fisch und Meeressäugern, beide haben viel Vitamin D. Getreide hat keines, deshalb sind wir Halbnordler so farblos.

Damit sind wir nicht zufrieden – der Süden ruft, Sonnenstudios tun es auch –, und die anderen sind mit ihrer Farbe nicht zufrieden, die Kultur überformt die Schattierungen der Natur. Das tut sie vor allem in Ostasien, in China soll die Haut „PiFu“ sein, „weiß wie Schnee“. So wird gebleicht, was die Tiegel hergeben, jede zweite Frau in Hongkong hellt ihre Haut, 2002 füllten sich die Kliniken, weil das giftige Quecksilber besonders gut bleicht und viele Hersteller zu viel in die Tiegel warfen. Darüber kann man doch nur den Kopf schütteln! Man weiß ja spätestens seit „Alice im Wunderland“, dass Quecksilber gefährlich ist: „Mad Hatter“, der Hutmacher (im Bild), ist, wie viele andere seiner Zunft, vom Quecksilber verrückt geworden!

Na ja, vor 150 Jahren war auch bei uns die vornehme Blässe das Ideal – sie zeigte, dass man nicht arbeiten musste –, Sisi etwa hat oft einen „wunderlichen blauen Schirm an ihrem Hute zur Abwehr gegen Sonnenbrand und Sommersprossen“ getragen. Das Proletariat in den düsteren Mietskasernen wurde derweil vor Blässe rachitisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2008)

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