Ausstellung: Wenn die Griechen fröhlich vögeln

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Die Salzburger Residenzgalerie zeigt in einer hervorragenden Ausstellung eine Art Best of „Sünde“ quer durch Kulturen und Jahrhunderte.

„Die Sünde/Saugend mit glühenden Augen/weißen Brüsten wollüstig strotzend/lockt das nackte Weib zur Verführung/aber gleich daneben neben dem lockenden Antlitz, züngelt die giftige Schlange.“ Notierte der Müllerssohn als Malerfürst, Franz von Stuck, zum vorvergangenen Fin de Siècle auf die Skizze zu seinem größten Erfolg: „Die Sünde“ traf den Zeitgeist mitten in die lasterhafte Seele, es ist die Archetypin der Femme fatale, die hier zur ewigen fürchterlichen Anbetung auf die Leinwand gebannt wurde. Gleich mehrmals übrigens, ob des großen Erfolgs.

Eine dieser vermutlich 14 Versionen – ganz sicher ist die Zuschreibung allerdings nicht – entfleuchte jetzt aus der Sammlung der Neuen Galerie Graz unter ein für sie um einiges brisanter erscheinendes Dach, in die ehemalige fürsterzbischöfliche Residenz in Salzburg. Die hier beherbergte, von Thomas Habersatter vorbildlich zusammengestellte Sonderausstellung „Sünde“ hätte dem Bauherrn und großen Kunstmäzen Wolf Dietrich von Raitenau (1559–1617) aber wohl eher wohlige Schauer über den Rücken gejagt – mit seiner Geliebten Salome Alt hatte er 15 Kinder. In einem Gemälde von Camillo Procaccini hat er die fesche Kaufmannstochter dann als Maria Magdalena darstellen lassen.

An dieser heiligen Sünderin kommt die Ausstellung natürlich nicht vorbei, begonnen wird aber von Anfang an, mit Eva, deren Mythos in einer äußerst reizvollen kleinplastischen Gegenüberstellung entzaubert wird: Hermann Hahns makellos sich darbietende Versucherin trifft auf Stephan Balkenhols grob geschnitzte, unbekümmert die Arme hinter dem Kopf verschränkende Frau von nebenan, vor der die Schlange mehr panisch flieht als sündig umspielt.

Bohnenfest und Sex in Pompeji

In Folge werden auf relativ knappem Raum mit lustvoll durch die Jahrhunderte schweifendem Blick die Sündenregister der Menschheit durchforstet – von biblischen Motiven, über Folkloristisches wie das niederländische „Bohnenfest“, bis zu kecken Schnupftabakdosen und – Sex natürlich. In Pompeji etwa wurde er derart explizit und ungeniert dargestellt, dass wir heute am liebsten Porno! quietschen möchten. Derartige kamasutraähnliche Szenen dienten aber nicht einmal nur zur Werbung in Freudenhäusern, sondern auch zur Animation in Privatgemächern. Diesem unverkrampften Zugang zur lüsternen Natur kann man im Biedermeier des 21.Jahrhunderts nur die müde Skepsis gegenüber gescheiterten Utopien entgegenhalten. Genuss und Sinnlichkeit, bei Römern und Griechen als lebensnotwendig zelebriert, wurden von der katholischen Kirche in ihrer Abgrenzung zum Paganischen zu Charakterfehlern umgepolt – zu Luxuria und Gula etwa, Wollust und Völlerei.

Wer kennt sie noch, die anderen fünf, besser als Todsünden bekannten katholischen Hauptlaster? David Finchers Film „Sieben“ (mit Brad Pitt) hat sie uns 1995 brutalst vorgeführt: Zorn, Hochmut, Geiz, Neid, Trägheit. Alles beste Beschreibungen unserer Gesellschaft. Und selbst Depression und Karrieregeilheit zählten einst dazu: Ende des 4.Jahrhunderts, als diese Laster-Kategorie erstmals formuliert wurde, waren es nämlich noch acht: Der Trübsinn wurde von Papst Gregor I. aber der Trägheit untergeordnet, so wie die Ruhmsucht dem Hochmut. Dafür kam der Neid dazu. Alfred Kubin hat die „Todsünden“ grandios böse illustriert. Und das englisch-südtirolerische Künstlerduo Gilbert & George erklärt uns zum Abschluss dann eindeutig, was es von diesen Moralvorstellungen heute hält. Nicht notgedrungen das Beste.

Bis 2.November, Di.–So. 10–17 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2008)

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