Finanzkrise: „Gute Kunst hat sich immer gehalten“

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Schadet die ausbrechende Panik dem Kunstmarkt? Oder hilft sie ihm sogar? Galeristen und Händler bemerken dieser Tage auffällig viele Anfragen nach musealer Ware.

Die Auktionshäuser sollen schon scharren vor den sonst so diskret belieferten marmornen Foyers der New Yorker Großbanken und super designten Lofts ihrer Hedge-Fonds-Manager. Viele haben in den vergangenen Jahren der Hausse unglaubliche Kunstsammlungen zusammengetragen und dem Markt durch machistische interne Konkurrenz wahnwitzige Rekorde beschert. Durch die Finanzkrise könnten jetzt einerseits über Jahre gehortete Spitzenwerke wieder auf den Markt kommen. Andererseits könnte eine größere Schwemme spekulativ angekaufter, noch nicht abgesicherter Kunst zeigen, dass die immer bestrittene „Blase“ doch eine Blase war.

Welches Volumen diese hat, wird sich Anfang November während der großen Auktionswoche von Sotheby's und Christie's in New York entscheiden, wo übrigens auch 16 Arbeiten aus der Privatsammlung des Vorstandsvorsitzenden der Bankrott gegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers, Richard S. Fuld Jr., unter den Hammer kommen: Christie's soll für die Werke (u. a. von Barnett Newman, Willem de Koonig, Agnes Martin) eine Verkaufsgarantie von 20 Mio. Dollar gegeben haben. Mit der 3500 Werke umfassenden Firmensammlung oder gar der noch prominenteren Kollektion der Firma Neuberger Bermann, die 2003 von Lehman geschluckt wurde, sich aber (noch) nicht in der Konkursmasse befindet, hat dieser Verkauf allerdings nichts zu tun. Die Leckerbissen werden wohl erst nächstes Jahr ihren Weg in die Auktionen finden.

„Auktionen im Dorotheum liefen sehr gut“

Um starke Einlieferungen brauchen sich die internationalen Auktionshäuser also wenig Sorgen zu machen, das und „ein globales Kundennetzwerk“ lassen etwa Christie's „optimistisch der Herbstsaison entgegensehen“, so deren Vertreterin in Wien, Angela Baillou. Laut Sotheby's-Wien-Chefin Andrea Jungmann reagiere der Kunstmarkt traditionell um ca. 1,5 Jahre versetzt zur sonstigen Wirtschaftsentwicklung. Nach einem Crash folgte bisher kurzfristig immer eine positive Phase, so Jungmann: „Gerade in Krisenzeiten des Aktienmarktes ist Kunst als alternatives Investment von großem Interesse.“

Wenig von Panikmache halten naturgemäß auch die Proponenten des österreichischen Kunstmarkts. Nächste Woche halten sowohl Dorotheum wie auch „im Kinsky“ ihre großen Herbstauktionen ab. Martin Böhm, Dorotheum-Geschäftsführer, äußerst sich nur knapp dazu: „Unser Auktions-Preview Dienstag Abend war sehr stark besucht, es herrscht enorme Nachfrage nach den Werken. Alle Auktionen im September verliefen sehr gut im Dorotheum. Mehr kann ich im Moment dazu nicht sagen.“

Die von Jungmann genannte anfängliche „Boomphase“, in der nach einem Crash versucht wird, Geld in abgesicherten Kunstwerten über die Krise zu retten, sieht „im Kinsky“-Chef Otto Hans Ressler diesmal allerdings bereits durch die vergangenen fetten Jahre vorweggenommen. „Bedenken habe ich insofern, als schon jetzt ungeheuer viel Geld in Kunst investiert und auch hier der Markt überdimensional aufgebläht wird. Früher oder später geht das schief.“

Allerdings nicht unbedingt in Österreich, wo laut Ressler sowieso immer „anders“ gekauft wurde, „nicht aus Spekulation, sondern aus Passion“. Ein Preisverfall österreichischer Kunst sei daher nicht zu befürchten. Trotzdem scheint durch die Finanzkrise selbst in den österreichischen Markt ungewohnte Bewegung gekommen zu sein. Ein „erstaunliches Innehalten“ etwa will der auf österreichische Maler des 19. und 20. Jahrhunderts spezialisierte Händler Herbert Giese (Giese & Schweiger) in den vergangenen Tagen bemerkt haben. „Entscheidungen werden zwar getroffen, aber es ist nicht business as usual“, berichtet er der „Presse“. Zuletzt hatte er sogar die für ihn „kuriose Situation“, zwei große Bilder telefonisch verkauft zu haben. „Ich spüre einen starken Zug zu absoluten Top-Arbeiten. Und ich weiß wirklich nicht, ob das Käufe aus Liebe oder als Investment waren.“ Schwieriger jedenfalls werde für Händler jetzt der Einkauf werden – „glücklich, der die Lager voll hat“, so Giese hörbar entspannt.

Die Spekulationsfreude – und da ist Giese mit seinen Kollegen aus der zeitgenössischen Branche einer Meinung – nimmt jedenfalls ab. Auch Galeristin Ursula Krinzinger bemerkt zuletzt eine erhöhte Nachfrage nach der Generation ihres Top-Künstlers Erwin Wurm – „wo praktisch nichts mehr passieren kann“. Der Trend gehe eindeutig in Richtung Qualität, denn: „Gute Kunst hat sich immer gehalten.“ Noch nie aber hatte sie täglich so viele Anfragen aus aller Herren Ländern in ihrem Mailaccount, was sie denn auf die Herbst-Messen, die FIAC, die Frieze mitnehmen werde. „Die Leute wollen eben genauer planen.“

Engagement nicht von Konjunktur abhängig

Heftiger als den Kunstmarkt wird es kurzfristig vermutlich das Kunst- und Kultursponsoring treffen. Vor allem amerikanische Museen zittern derzeit um ihre Budgets. Doch auch die Hauptsponsoren der wichtigsten Kunstmessen sind Banken – UBS (Art Basel, Art Basel Miami) und die Deutsche Bank (Frieze London). Letztere haben ihren Sponsor-Vertrag allerdings gerade verlängert, so ein Sprecher der DB zur „Presse“. „Unser kulturelles Engagement ist nicht von der Konjunktur abhängig und kann nur glaubwürdig sein, wenn es mittel- und langfristig angelegt ist.“ Wenn das kein Wort ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2008)

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