Landestheater Salzburg: Karajan-Groteske mittels Holzhammer

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Maestro(c) APA (SALZBURGER LANDESTHEATER/Christi)
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Uraufführung von „Maestro“: Der Skandal blieb aus, nicht aber die dramaturgische Schwäche.

Ein wenig auf einen Skandal dürfte das Salzburger Landestheater des scheidenden Intendanten Peter Dolder schon gespitzt haben. Christoph Klimkes Stück über Herbert von Karajan uraufzuführen, mit Johann Kresnik als Regisseur, schien im Geburtsort des „Maestro“ nicht ohne Risiko. Aber die Formensprache des deutschen Regietheaters ist längst salonfähig, und so hat das Premierenpublikum in Salzburg am Freitagabend eher gelassen und amüsiert reagiert.

Der Skandal fand nicht statt, obwohl Jesus Blut pinkelt und die honorige Festspielgesellschaft um Thomas Gottschalk, Rudolf Moshammer, Roberto Blanco, Fürstin Sayn-Wittgenstein und Niki Lauda Fäkalien aus Windeln lecken. Der Salzburger Stammtisch singt das Horst Wessel-Lied (da gab's sogar Szenen-Applaus), Luis Trenker jodelt splitternackt. Eliette von Karajan gibt eine veritable Alkoholikerin, und Tochter Arabel schüttet sich Bier zwischen die gespreizten Beine. Winifred Wagner kriecht in des Maestros Allerwertesten, und der denkt im Kontrabass-Friedhof aus Blech natürlich nur an sich selbst.

Tanzen mit dem Wahn

Vielfach hantiert Kresnik virtuos mit Effekten, wirft das denkbar schrägste Schlaglicht auf den Dirigenten, „in dessen Stadt schließlich auch Mozart geboren wurde“. Aber groteske Übertreibungen und skurrile Seitenhiebe machen noch kein gutes Theater. Klimke und Kresnik kriegen die Figur Karajans nie zu fassen. Das Ausschlachten von dessen NS-Mitgliedschaft, unpolitischer Egomanie und Machtbesessenheit ist längst ebenso Allgemeingut wie seine Ehen und sein Reichtum. Rüdiger Kuhlbrodt in der Hauptrolle tanzt zwar beeindruckend mit dem Wahn und verliert sich am Ende in fliegenden Fracks, aber sonst bringt er nichts über die Rampe. Kuhlbrodts Maestro bleibt leer und ohne Charakter.

Vor der Fadesse bewahrt wird der Abend vor allem durch Marion Eiseles fantasievolle Bühne. Die meisten Spieler werfen sich in die Schlacht dieses Tabubrechens mit dem Holzhammer, sprechen dabei jedoch auf gutem Theater Niveau. Alles in allem fliegen zwar die Fetzen im Landestheater, doch ein nachhaltiger Wirkungstreffer gegen die Salzburger Spießigkeit ist mit „Maestro“ nicht gelungen. Frechheit siegt halt doch nicht immer. lin/APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2008)

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