Burgtheater: Ein längst entwöhntes Sehnen

(c) APA (Robert Jäger)
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„Die Trilogie des Wiedersehens“ von Botho Strauß kann auch nach 32 Jahren noch entzücken. Trotz einiger Längen gelingt Regisseur Stefan Bachmann mit großem Ensemble eine leichte, ironische Fassung.

Nur einen kleinen Ausschnitt auf einen Innenraum erhält der Zuseher auf der sonst schwarz verhängten Bühne des Burgtheaters zu Beginn der „Trilogie des Wiedersehens“, als ob man durch die Blende einer riesigen Kamera blickte. Es knackt und surrt auch wie beim Fotografieren. Bühnenbildner Hugo Gretler lässt uns ins Innere einer Maschine sehen; in diesem Puppenspiel erzählen 16 Personen mit Verrenkungen, Umarmungen und beiläufig klingender Rede ihr Schicksal. Sie starren leer ins Publikum, als wären dort Bilder einer Ausstellung.

Höchste Konzentration ist aber bei Botho Strauß geboten. Hier wird ein Zeitalter seziert. Bald öffnet sich die Drehbühne, wie auf einem großen Zylinder rollt der Film ab.

Im Dickicht moderner Städte

Was kann man vom Wiedersehen mit diesem gut 32 Jahre alten, in wohlgesetzte Worte gefassten Stück hoffen? Regisseur Stefan Bachmann hat dieses gar nicht zufällige Treffen der Protagonisten bei einer Ausstellung irgendwo in der deutschen Provinz mit sanfter Ironie angepackt, er weiß wahrscheinlich genau, dass alle Beteiligten, vor, hinter und auf der Bühne zu der vom Dichter kritisierten Society gehörten.

Der dreistündige Abend zieht sich zwar etwas, doch wird man entschädigt durch ein Grundgefühl, das man mit engagierter Einfalt beschreiben könnte. Strauß entlarvt die Schwächen der Kunstbeflissenen, führt die Mechanismen der Liebe vor – der enttäuschten, oder der bloß lieblos vollzogenen. Eine köstlich schräge Kunstdebatte ist nur die Folie, auf der diese Erforschung der Gefühlswelt im Dickicht moderner Städte abläuft.

Sonderlinge und Society-Raubtiere

Bachmann steht ein exzellentes Ensemble zur Verfügung, das diesmal besondere Lust an der Verkleidung hat. Annabelle Witt gelingt mit ihren Kostümen treffsicher die Imitation der Siebzigerjahre. Hervorragend spielt Markus Hering den melancholischen Direktor des Kunstvereins, der die Schau „Kapitalistischer Realismus“ kuratiert, kongenial wirkt zu Moritz Regina Fritsch als skurrile Susanne. Sie übertreibt, was Hering brütend unterspielt – ein ideales Paar fürs aneinander Vorbeireden also. Die unerfüllte Leidenschaft dieser beiden Wesen bringt dem Abend sogar zauberhafte Momente.

Es wimmelt von köstlichen Charakterrollen; Dietmar König ist kaum zu erkennen als durchgeknallter, von Weltverschwörungen raunender Drucker Richard, Roland Koch und Daniel Jesch, diese starken Darsteller, spielen gescheiterte Schauspieler. Sabine Haupt ist ganz überzeugend als eines dieser erbarmungslosen Society-Raubtiere, bis in den Umgang mit ihrem Kind (Finn Bachmann) wirkt ihre Wohlstandsverwahrlossung authentisch. Berührend: Alexandra Henkel als Scheiternde, als versoffene Ex-Frau des um sie noch immer bemühten Exgatten Lothar (Juergen Maurer). Henkel liefert einen großen Auftritt als Ruth. Ihr Fluchtversuch mit Moritz scheitert. Schön.

Raffiniert ergeben sich immer neue Muster an Beziehungen. Melanie Kretschmann und Jörg Ratjen erheitern als kontrastreiches Paar von Künstlerin und Verkäufer, zusammen mit Katharina Lorenz als Johanna bilden sie ein verzweifelt nach Erfüllung suchendes Trio, da bleibt das Lachen im Hals stecken. Diese Lebensangst schwingt beim Drogisten-Paar (Johann Adam Oest und Barbara Petritsch) nur noch in reiferer, ermatteter Form nach. Bei ihnen lauert schon die Auslöschung. Wie zwei Kommentatoren sind Michael Masula als Wärter und Philipp Hauß als Schriftsteller eingesetzt, ihre Rollen nutzt der Regisseur für Situationskomik. Diese Akte der Befreiung hat die Aufführung auch nötig, denn die konstruierten Bilder, die Varianten des Gleichen führen auch zur Ermüdung.

Nackt und bloß und schutzlos

Ist es überhaupt von Bedeutung, dass im Text ein Kunstskandal karikiert wird, oder gar der Diskurs an sich? Nur beiläufig ist das hier angedeutet. Die Bilder sind nicht zu sehen, nicht einmal das Objekt der Erregung, der „Karneval der Direktoren“. Moritz hängt die Werke ab – in einem symbolischen Slapstick mit einer Alu-Leiter. Plötzlich sieht man zwei Moritze. Woher kennt man diesen Take? Buster Keaton? Buñuel? Die große Bühne erlaubt großes Kino. Das merkt man, wenn die Bilder erstarren. Bei Bachmann wird Strauß zur Charade. Als wär's ein Bild von Hopper. Am Scheitelpunkt des Dramas ziehen sich alle aus – was sonst? – und posieren wie Rodins „Bürger von Calais“. Nackt und bloß und schutzlos. Am Schluss liegen alle auf einem Haufen hinten auf der Bühne. Kapital realistisch.

AUF EINEN BLICK

Die „Trilogie des Wiedersehens“ hat Stefan Bachmann fürs Burgtheater inszeniert. Weitere Termine: 13. April (17 h), 16. April (19 h), 23. April und 3. Mai (jeweils 18 h). Telefonische Bestellung unter 514 44 4140

www.burgtheater.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2009)

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