Trau keinem Freund über dreißig – oder einer alten Liebe!

(c) Alexi Pelekanos/ Schauspielhaus
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Uraufführung von Bastian Sistigs „Was es bedeutet baden zu gehen“ im Schauspielhaus: Sebastian Schug zieht das Stück flott durch.

Zwei Paare treffen sich zum Abendessen. Die Begegnung wie die Konversation geraten dabei ein wenig außer Kontrolle. Gab es das in letzter Zeit nicht gehäuft auf der Bühne? Seit Edward Albees „Who's Afraid of Virginia Woolf?“ 1962 oder eben erst bei Yasmina Rezas „Le dieu du carnage“ 2006? Stimmt! Aber es scheint auch richtig zu sein, dass so eine Konstellation für das Theater so attraktiv ist, dass sie von jeder Generation bewältigt werden muss.

Im Wiener Schauspielhaus kam soeben der Berliner Dramatiker Bastian Sistig (*1990) dran. Sein Stück „Was es bedeutet baden zu gehen“ hatte dort 2012 den Publikumspreis des Autorenprojekts gewonnen. Nun war Erntezeit. Am Freitag gab es die von Sebastian Schug erfolgreich inszenierte Uraufführung, eine flotte Angelegenheit in 80 Minuten, gespielt von einem in der Darstellung komplexer Beziehungsgeflechte souveränen Quartett. Der Text verirrt sich manchmal zwar in Redundanz, das Symbol des Wassers (Veränderung? Verlust? Tod?) wirkt am Ende etwas aufgesetzt, aber alles in allem hat diese Aufführung Substanz, sie wurde auch kräftig und ausgiebig beklatscht. Knapp über Dreißigjährige sehen sich anscheinend in ihrem Lebensgefühl und bei manchen Schwächen ertappt. Trau keinem Freund über dreißig! Sistig trifft ironisch den Ton dieser Mittelschicht, die gerade in Illustrierten ihre popularisierte Definition erfährt.


Sprachspiele. Die Gäste haben offenbar Probleme, wollen auswandern, während die Gastgeber gut situiert sind. Man sieht das zwar nicht am Bühnenbild, das bloß aus Holzplatten und einem Erdhaufen besteht, der Wohlstand wird aber ausführlich beschrieben, so wie das opulente Mahl. Die Museumspädagogin Franziska (Barbara Horvath) und der Werbedesigner David (Simon Zagermann) kommen auf Besuch zur Volkswirtin Marianne (Myriam Schröder) und dem Sozialanthropologen Karsten (Steffen Höld). Höflichkeiten werden ausgetauscht, sogar ein Geschenk wird abgegeben (eine alte Kuckucksuhr). Langsam kommt das Gespräch in Gang. Die Naive, der Kraftmensch, die Praktikerin und der Zyniker reden sehr leicht aneinander vorbei. Das Ensemble entwickelt die Charaktere dennoch raffiniert. Sich in den Sprachspielen wiederzuerkennen, ja sogar ertappt zu sehen, macht Spaß.

Vier Freunde beim Abhängen, was will man mehr? Vielleicht eine Seelenschau? Wird geliefert. Manchmal geht eine oder einer kurz an die Rampe, für eine Art Bekenntnis, sogar Doppelbeichten kommen vor. Bald bemerkt man, dass diese Frauen und Männer eine weit zurückführende gemeinsame Geschichte haben, die auch Schmerzen bereitet. Hier werden Trennungen vorgeführt, Abschiede, voller Sprachgefühl. Es ist eine einfache Geschichte, doch immer wieder neu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2014)

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