Kabarett: Die Wahl zum besten Menschen

(c) Arnold Poeschl
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Die Kabarettistinnen Flüsterzweieck parodieren in ihrem dritten Programm „Menschenkür“ verrückte Castingshows. Ein Verwirrspiel aus Glitzer und Blässe mit gut gesetzten Pointen.

Das letzte Mal, dass Flüsterzweieck in einer auflagenstarken Zeitung genannt wurden, war, als Andrea Händler in einem Interview meinte, sie wolle nicht gemeinsam mit diesem Kabarett-Duo interviewt werden, denn die kenne sie gar nicht. Schade für die arrivierte Kabarettistin, denn Flüsterzweieck gehören zum bemerkenswertesten Kleinkunst-Nachwuchs des Landes. Ulrike Haidacher und Antonia Stabinger sind seit ihrer Schulzeit in Graz befreundet, gewannen 2009 den Grazer Kleinkunstvogel für ihr Kabarett-Debüt und kamen heuer als Autorinnen für die ORF-Serie „Bösterreich“ im Zentrum der heimischen Humorindustrie an. Am Donnerstag hatte nun „Menschenkür“, das dritte Programm von Flüsterzweieck, im Kabarett Niedermair Premiere (Regie: Kartin Hammerl).

An den letzten beiden Stücken faszinierte „Die Presse“ stets die perfekt inszenierte Gestik und Mimik der beiden Schauspielerinnen, wenn sie von Szene zu Szene und von Figur zu Figur wechseln. In „Menschenkür“ aber übertreiben sie es zu Beginn mit der Gestik und Mimik: Stabinger heißt das Publikum als übermotivierte Moderatorin willkommen, Haidacher stürmt als vermeintliche Zuschauerin wie ein hyperaktives Kind auf die Bühne.

So verstörend dieser Anfang, so groß das Aha-Erlebnis später: In „Menschenkür“ geht es um Übertreibung. Nicht nur die Ausdrucksweise ist „too much“, die ganze Show ist übertrieben – angekündigt als „der wichtigste Abend in Ihrem Leben: Die Wahl zum besten Menschen“. Und so geschieht es, dass Flüsterzweieck etwas tun, das sie in den vorigen Programmen nie getan hätten: das Publikum direkt ansprechen. Sie bringen einen sofort dazu, über sich und seine nächsten Sitznachbarn nachzudenken, wenn sie fragen: „Haben Sie die Eintrittskarte nicht auf mysteriösem Weg bekommen? Wir sind heute alle nicht zufällig hier.“
Wer genau aufpasst, erfährt gleich zu Beginn den Ablauf das Abends, den Stabinger als Show-Moderatorin (die Figuren bleiben alle namenlos) verrät: Irgendwo in der Mitte kommt Slam Poetry, später noch Ekel und Grauslichkeiten, dann die Kür und am Schluss ein Lied, das alle Gefühle des Abends zusammenfasst.

Genau so läuft diese exaltierte Parodie auf Castingshows ab, unterbrochen wird die „Menschenkür“ von kurzen Sketches, in denen Flüsterzweieck besonders brillieren. Ob als Spendenkeiler und Passant oder als kommunikationsgestörtes Pärchen, immerzu verdrehen sie Klischees und Rollenbilder zu pointierten Pointen.
Auch die Castingshow bleibt nicht platt und durchschaubar. Flüsterzweieck verwandeln den Abend in ein Verwirrspiel aus Bescheidenheit und Größenwahn, Glitzer und Blässe, Echtheit und Plagiat. Die perfekte Moderatorin entpuppt sich als abgründig. Die Abgründe der gestörten Störenden erweisen sich als erfunden. Nur eines bleibt gleich: Als Zugabe schlüpfen Stabinger und Haidacher wieder in das turtelnde Schatzi-Bussi-Pärchen, das sie seit ihrem ersten Programm so herrlich übertrieben (!) darstellen, und das seit 2012 auch auf FM4 unter dem Namen „Flüsterzweieck am Apparat“ als regelmäßiger Comedy-Beitrag erfolgreich ist.


>>Termine auf: fluesterzweieck.at

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