Theater Drachengasse: Als Julia mit Mick Jagger in der Kiste landete

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Das Stück „(The) Rolling Floyd“ erzählt von der Suche nach wahrer Liebe im digitalen Zeitalter.

Julia Capulet erwacht aus dem Todesschlaf in ihrem gläsernen Sarg. „Romeo“, ruft sie in die Finsternis – keine Antwort, dafür eine Flut an Chat-Anfragen. „Jemand in Ihrer Nähe ist heiß auf ein Date“, tönt es aus dem technischen Endlos. Wir befinden uns im Tinder-Zeitalter. Die wahre Liebe – und mit ihr das berühmteste Paar der Weltliteratur – ist schon lange tot. Das ist die Ausgangsthese des Siegerstücks des Nachwuchs-Theater-Wettbewerbs 2014 „(The) Rolling Floyd“. Montagabend feierte es im Theater Drachengasse Uraufführung.

Zu psychedelischen Klängen von Pink Floyd und „Paint it, Black“ und „Sympathy For The Devil“ der Rolling Stones taumelt Julia durch das mediale Zeitalter. Direkt in die Arme von Mick Jagger. Detail am Rand: Beide sind Handpuppen und werden vom Teufel (Friederike Hellmann) gelenkt. Die Berlinerin verkörpert im Alleingang das Hin und Her zwischen den barock-schmachtenden Stanzen Julias, Mick Jaggers Rockerattitüde und dem hinterlistigen Leibhaftigen. Autor Joris Löschburg über die dramaturgische Idee des Stücks: „Die große Liebe, die große Enttäuschung, einen natürlichen Draht zum Teufel und 'ne Menge Schnaps – was will man mehr?“ Eine durchgehend verständliche Handlung möchte man am Ende des Theaterabends antworten.

Früher war alles besser

Dem Teufel ist bei Fiaker- und Riesenradfahrten augenscheinlich langweilig geworden im „frigiden Wien“. Er weint gemeinsam mit seinem Gefolge bestehend aus einem Gitarre spielenden, dicken Kater (Live-Musik Nicolas Pannetier) und einem Homunkulus-artigen Wesen (Licht und Sound Teodora Vlad) den Moskauer Zeiten mit Bulgakows Meister und Margarita nach. „Wo ist er hin, der große Traum von der wahren Liebe? Die Rachemorde, Lustspiele und Intrigen?“ Und so treibt er die verletzliche Julia ungebremst in die Arme des gefürchteten Herzensbrechers Jagger. „Es ist nur Rock 'n' Roll – doch ich mag das!“, quietscht er dabei vergnügt.

An dieser Schnittstelle aus Rock, Barock und Chatroomtalk wird offenbar: Ein Liebespaar wie zu Shakespeares Zeiten hat heute keinen leichten Stand. Mit wenigen Requisiten, dafür umso mehr literarischen und musikalischen Referenzen, beschwört das junge Berliner Ensemble unter der Regie von Lilian Matzke eine amüsant-albtraumhafte Vision von der Liebe in den Zeiten der Technik herauf. Die Nachvollziehbarkeit der Handlung bleibt bei dem bunten, lauten Treiben jedoch teils auf der Strecke. Spätestens, wenn am Schluss Handpuppe Keith Richards und der Kater nach einem „Hammertrip“ ein Stones-Lied komponieren, droht die Geschichte ganz ins Absurde abzurutschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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