Kabarett: Puntigam und Egersdörfer sind herzlich hinterfotzig

(c) Ernesto Gelles
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Im ersten gemeinsamen Kabarett „Erlösung“ zeigt das Duo, dass hinter zynischen Figuren auch freundliche Familienmenschen stecken. Geboten werden Streit und Versöhnung, Lob und Erniedrigung, Revolution und Liebe.

Wer die Kabarettisten Martin Puntigam und Matthias Egersdörfer schon in ihren Soloprogrammen gesehen hat, kann vor dem ersten Duo-Programm der beiden ein mulmiges Gefühl haben. Was wird einen erwarten? Beide sind als Bühnenrüpel bekannt und bestechen durch brutale Gesellschaftskritik. Doch das gemeinsame Kabarett „Erlösung“ beginnt mit dem Song „Power of Love“ und einer übertrieben inszenierten Glückseligkeit.

„Die groben Jahre sind vorbei“, sagt Puntigam. Liebe von historischer Dimension erfüllt den Raum. Bevor das Stück losgeht, muss Puntigam sich bloß kurz umziehen, meint er. Allein auf der Bühne gelassen darf Matthias Egersdörfer gleich in süßestem fränkischen Dialekt herzlich hinterfotzig über seinen Freund Puntigam parlieren. Egersdörfer, der frisch gekürte Träger des deutschen Kleinkunstpreises und neuestes Mitglied im Team des Franken-Tatort, hätte es eigentlich nicht notwendig „in einer muffelnden schlecht beleuchteten Doppelgaragenhälfte“ wie im Kabarett Niedermair zu spielen, sagt er bei der Wien-Premiere ebendort. Da war es also gleich, das Bashing. Egersdörfer teilt gerne aus. Diesmal gegen den Freund auf der Bühne, gegen die Bühne selbst, später gegen Technologie im Allgemeinen und das Handy, als Fußfessel des 21. Jahrhunderts im Speziellen, gegen Katholiken und gegen die Reichen da oben. Doch dazu später.

Denn zuerst wechseln Puntigam und Egersdörfer noch die Plätze. Der Franke verschwindet zum Umziehen, der Wiener mit Grazer Wurzeln darf sich nun mit dem Publikum verbünden, um seinen Freund hinterrücks zu zerlegen. Er verteilt Phsychopharmaka im Saal, ein Notfallplan falls die Tourette-Störung des Cholerikers Egersdörfer an diesem Abend akut werden sollte.

Wieder auf der Bühne vereint inszenieren die beiden einen Comedy-Sketch: „Kommt ein beratungsresistenter Dorfprolet zum Flirttrainer.“ Die Rolle des frauenfeindlichen Deppen steht Egersdörfer wirklich gut. Fast meint man, Puntigam hat hiermit das vulgäre Vokabular an den Deutschen outgesourced. In dieser Persiflage tritt auch der einzige Moment des Abends ein, an dem man im Publikum peinlich berührt ist. Egersdörfer soll an einer Frau im Raum seine Anmachtechnik testen. Die auserwählte Dame wird angebrüllt: „Und? Ficken?!“ Dieses banale Setting nutzen die beiden dramaturgischen Meister, um ihr Programm in eine Metaebene zu verfrachten. Da zerstreiten sich die Künstler plötzlich, wollen darüber diskutieren, wie man es besser machen kann, was Kabarett erreichen will. Das Publikum wird zum Kiebitz eines heftigen Probetages zweier Egozentriker, die sich auch im Duo profilieren wollen.

Nach der Pause folgt dem Streit aber die Erlösung. Die Versöhnung findet als klassisches Sitzkabarett mit Tisch und Sessel statt, Puntigam serviert Austern und Cremánt. Das bietet Platz für Gesellschaftskritik: Anfangs wegen des Aufeinandertreffens zweier verfeindeter Religionen. Egersdörfer ist Protestant, Puntigam Katholik („zumindest werkseitig so geliefert worden“). Es geht weiter mit Kapitalismuskritik und gipfelt in dem Ruf nach Revolution. Wobei Puntigam mit seinem Fachwissen über die Logistik von Revolutionen dem aufbrausenden Egersdörfer sanfte Paroli bietet.

Insgesamt überzeugt „Erlösung“ durch die sympathisch persönliche Note, die beide Kabarettisten einbringen: Hinter den von Zynismus zerfressenen Figuren blitzen freundliche Familienmenschen auf. Großer Applaus für die gelungene Überraschung dieser neuen deutsch-österreichischen Freundschaft.

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