„Shrek“ bezaubert auch als Musical

(C) Mehr! Entertainment
  • Drucken

Schöne Special Effects, schlagfertig-witzige Dialoge und eingängige Musik: Der Oger, seine Fiona und der Esel erfreuen auch als Menschen – nicht nur Kinder.

Wer rülpst und furzt, braucht keinen Urzt“, an diesen lautmalerischen Spruch des Dichters Joe Berger fühlt man sich bei „Shrek“ erinnert. Die Filmserie gefällt z.B. Kindern im Schmuddelalter, die sich über Darmwinde „abhauen“, aber bei küssenden Paaren laut „Wäh!“ rufen. Die DreamWorks-Serie über einen Oger, der in seinem Sumpf von vertriebenen Märchenfiguren überfallen wird und, damit er bald wieder seine Ruhe hat, auszieht, dem fiesen König die Prinzessin zu gewinnen, hat mehr zu bieten als Spaß für die anale Phase. Es geht um Kinderstandards wie Freundschaft, Mutmachen, Abenteuer, aber auch um Ernsteres: Wie willkommen sind Asylanten? Wird man geliebt, wie man ist, oder muss man sich verwandeln? Kann man hässlich sein – und trotzdem gemocht werden?

Die Märchenfiguren in „Shrek“ offenbaren die absurden Seiten ihrer Geschichten und möchten aus diesen aussteigen wie Pinocchio, der ein richtiger Junge sein will; manche müssen auch ihre Lebenslügen verlassen: „Du bist 28 Jahre alt, rasier' Dich endlich mal“, sagt die Hexe zu Peter Pan. Der König will nur stromlinienförmige, hübsche und gehorsame Menschen um sich sehen. Die „Freaks“ schmeißt er hinaus. Bei der Hintertür kommen sie wieder herein, demonstrieren und tragen Transparente: „Ja zum Holzweg!“, „Schnee für alle!“.

Finde dich selbst und sei fröhlich

Nicht nur Prinzessin Fiona, deren hübsches zweites Ich gen Himmel fährt und sie als knollennasige Ogerin zurücklässt, wird glücklicher, nachdem sie ihr wahres Selbst gefunden hat, sondern eben auch die Märchenfiguren, die ihre Eigenart akzeptiert haben. Diffizile Lebens- und Überlebensfragen sind bei „Shrek“ in einen leichtfüßigen Tanz, einen schillernden Bilderbogen verpackt. „Shrek“ war einer der besten Kinderfilme in einer Branche der Massenproduktion.

Überraschend ist, dass auch das Musical, das viel weniger mit Virtualität wuchern kann als der Film, weil es eben real und nicht Animation ist, hervorragend funktioniert. Seit Dienstagabend ist die Aufführung in der Wiener Stadthalle zu sehen. Die Broadway-Version lief 2008 nur vergleichsweise bescheidene zwölf Monate, ging dann auf Tournee in den USA. Die deutschsprachige Uraufführung fand 2014 in Düsseldorf statt. In der Stadthalle gibt es nur acht Vorstellungen, die Premiere war nicht ausverkauft. Aber von der verbrauchten Atmosphäre einer letzten Tourneestation ist nichts zu bemerken. Wir haben es mit einem durchgestylten Blockbuster-Derivat zu tun – und doch wirkt diese „Shrek“-Musicalversion nicht krampfhaft auf Wirkung getrimmt, sondern sympathisch, locker verspielt – fast wie spontan.

Andreas Gergen, Operndirektor am Salzburger Landestheater, der die Vereinigten Bühnen Wien mit wechselndem Erfolg mit Musical-Inszenierungen beehrte, hat beim „Shrek“-Musical von David Lindsay-Abaire und Jeanine Tesori Regie geführt, das im Wesentlichen dem ersten Teil des Filmes folgt.

Andreas Lichtenberger als Oger ist weniger forsch und selbstbewusst als die Filmfigur, kein cooles Monster, das ein bisschen seltsam ist und stinkt, sondern ein knorriger Hagestolz, dem man gern abnimmt, dass er sich nach Enttäuschungen in seinem Sumpf „einmauert“. Bettina Mönch als Prinzessin Fiona ist eine selbstbewusste, scharfzüngige Dame, die zwischen dem grünen Riesen und dem kleinwüchsigen König Lord Farquaad keine leichte Wahl hat. Shrek und Fiona verbindet nicht nur ihr ähnliches Wesen, sondern auch das Erlebnis des Ausgestoßenwerdens in früher Kindheit. Shreks Eltern schicken ihn als Siebenjährigen fort von zu Hause, beinahe wird er von der Stadtbevölkerung aufgegessen: „Junger Oger am Spieß mit Kompott“, wirbt das Gasthaus. Fionas königliche Eltern sperren sie in einen Turm.

Weniger witzig als im Film, aber liebenswert wirkt der Esel. Die tolle Drachendame wird zu deutlich sichtbar von ihren Drachenspielern bewegt. Beeindruckend sind die Projektionen. Über drei Stunden mit Pause, das ist etwas lang, vor allem im zweiten Teil, wenn immer neue Verwicklungen auftauchen, die das Zusammenkommen von Shrek und Fiona verzögern. Dafür hat hier noch der kleine König einen hinreißenden Auftritt, wenn er sich als imposanter großer Ritter auf dem Pferd vorstellen will, von seinem Zwergenvater abgekanzelt wird – und im Feuer aufgeht. Ja, Märchen sind grausam, aber dieses ist auch klug: Ein sehr nettes Erlebnis, das mit dem Song von The Monkees „I'm A Believer“ (1967) abgeschlossen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.