Theatersommer: Immer mehr Musik, immer moderner

(c) Rosenburg/Anna Stöcher
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Woody Allen auf der Rosenburg, die „Schneekönigin“ in Eisenstadt: Die Wunder des Theatersommers.

Der Festival- und Theatersommer in näherer und weiterer Ferne von Wien kann sich langsam mit der Vielfalt des kulturellen Geschehens in der Hauptstadt messen. Die Qualität wird stetig besser, der Stil wird moderner – und es gibt imwmer mehr Musik. Wo beginnen? Esterházy, der Name wird mit Feudalismus, Großgrundbesitz, Wein, Politik verbunden, aber auch mit Kultur. Am Samstag, den 18. April etwa spielen die Geigerin Isabelle Faust – die heuer als Artiste Étoile zum noblen Lucerne-Festival eingeladen ist – und der Pianist Alexander Melnikov im Haydn-Saal des Schlosses Esterházy in Eisenstadt Haydn, Mozart und Beethoven. Das Konzert eröffnet die Esterházy-„Classic“-Saison.

Am 28. August singt die deutsche Star-Sopranistin, mehrfach im Theater an der Wien zu sehen und zu hören, in Eisenstadt Mozart und Haydn. Auch ein Besuch des Schlosses mit seinen Schauräumen, Sammlungen und Ausstellungen lohnt sich. Unter der Patronanz von Anna Netrebko gibt es heuer ab 12. Juni Kinderoper im Schloss: Andersens „Schneekönigin“ in der Vertonung des russischen Komponisten Sergej Banewitsch.

Mörbisch, Kobersdorf. Lang vorbei scheinen die Zeiten, da man mit dem Burgenland vor allem Planschen im Neusiedlersee verbunden hat, heute denkt man eher an Autoschlangen, die nach Margarethen oder Mörbisch führen. Die Seefestspiele zeigen heuer „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauß (u. a. mit Herbert Lippert von der Staatsoper, 9. 7. bis 22. 8.), im Steinbruch von Margarethen stirbt Tosca zu Verdis Klängen. In Kobersdorf ist eine von H. C. Artmann bearbeitete Labiche-Komödie zu erleben: „Der Preis des Monsieur Martin“ oder: „Ist Ehebruch tödlich?“ mit Publikumsliebling Wolfgang Böck (ab 30. 6.).

Die größte Dichte an Spielorten hat traditionell Niederösterreich, auch hier gibt es immer mehr Musik. Was wollen Sie sehen? „Curlew River“ von Benjamin Britten, eine Kombination aus Kirchenoper und japanischem No-Theater in der Stadtpfarrkirche beim Retzer Festival: Eine Frau hat ihr Kind verloren und ist darüber wahnsinnig geworden, sie muss sich entscheiden zwischen dem Land der Lebenden und der Toten. Dramatisch geht es heuer auch in Gars zu bei Verdis „Don Carlo“. Johannes Wildner, der das Festival im Vorjahr übernommen hat, dirigiert.

(c) Johannes Ehn/Stockerau

Noch mehr Verdi: In Klosterneuburg, wo heuer „Rigoletto“ gezeigt wird (mit Daniela Fally, ab 4. Juli). Die Sopranistin aus Niederösterreich ist längst ein internationaler Star, war bei den Salzburger Festspielen ebenso wie in Bregenz, bei den Opernfestspielen München genauso wie an der Dresdener Semperoper zu Gast. Seit der Saison 2009/2010 ist Fally Ensemblemitglied an der Wie­ner Staatsoper, wo sie u. a. die Sophie (in „Rosenkavalier“ und „Werther“), Rosina, Ade­le, Zerbinetta gesungen hat bzw. singt. Das Klassikfestival Kirchstetten hat heuer Donizettis „Liebestrank“ im Programm, hier gibt es eine Weinviertler Variante des Stücks zu sehen – und nicht nur Tragik, sondern auch etwas zu lachen: Nemorino, ein Bauer, liebt die hübsche, reiche Adina, die sich jedoch nichts aus ihm macht. Als er von „Tristan und Isolde“ und deren „Liebestrank“ erfährt, kommt dem Bauern eine Idee (ab 29. Juli). Philipp Harnoncourt bringt bei den Schlossfest-spielen in Langenlois den „Zigeunerbaron“ von Johann Strauß heraus (ab 25. Juli). Ramesh Nair, der schon lang nicht mehr mit dem Klischee des „Telering-Inders“ beladen sein möchte – zurecht, weil er nämlich ein toller Tänzer und Comedian ist –, inszeniert für Amstetten „Saturday Night Fever“, bekannt durch den Film mit John Travolta aus dem Jahr 1977, sozusagen ein All-Age-Musical (Johann-Pölz-Halle ab 22. Juli).

Nun kommen wir schön langsam zum Sprechtheater. Manchmal ist es möglich, kurzfristig Tickets für die Festspiele Reichenau zu ergattern, was man immer probieren kann. Mein Tipp für heuer: „Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr mit Katharina Straßer. Anna Maria Krassnigg, Regisseurin, Autorin, Theaterleiterin und Regie-Professorin am Reinhardt-Seminar, hat von Helga David die Programmierung des Thalhofs in Reichenau übernommen, wo sie ein „handverlesenes Programm“ verspricht: Theater, Film, Literatur und Wissenschaft unter dem Motto „Die Residenz des Flüchtigen“. Man muss nicht alles mögen, was die energiegeladene Dame Krassnig macht, ein interessanter Kontrast zu den konservativen, aber nicht konventionellen Reichenauer Festspielen wird sich wohl ergeben: Zum Auftakt des sechstägigen Programms im Thalhof werden Robert Neumanns „Hochstaplernovelle“ (Premiere am 19. 6.) und „La Pasada“ von Anna Poloni (Premiere am 26. 6. in Koproduktion mit dem Salon 5) gezeigt.

(c) Litschau/Anna Stöcher/Elvira Stein

Viele Esprit-Promis. Robert Schindel, Evelyne Polt-Heinzl, Franz Schuh, Julya Rabinowich, Mario Wurmitzer, Alexander Kluy, Erwin Riess, Paulus Hochgatterer, Franzobel, Max Gruber, Wilfried Steiner, Wolfgang Müller-Funk u. a. sind zu Veran-staltungen nach Reichenau geladen. Im Spätsommer stehen die „Hochstaplernovelle“ und „Der Traum ein Leben“ von Franz Grillparzer (in Kooperation mit ISA, der Internationalen Sommerakademie der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst) auf dem Programm im Thalhof. Der Internetauftritt wirkt schon einmal verlockend: www.thalhof-reichenau.at. Das neben den Festspielen Reichenau nobelste NÖ-Festival ist natürlich Art Carnuntum, heuer ist eine wunderbar melodiöse „Romeo und Julia“-Inszenierung vom Londoner Globe-Theatre zu Gast (als Vorgeschmack ein Clip auf der Homepage, wo gibt es heute noch so wunderbar sprachzentriertes Theater?).

Schauplatzwechsel: Carmen hat nichts gegen Männer, aber nach zwei Jahren müssen sie weg – die mörderische Komödie „Bella Donna“ von Stefan Vögel ist heuer im Filmhof Wein4tel in Asparn an der Zaya zu erleben mit Eva Maria Marold, Andy Hallwaxx inszeniert (ab 14. Juli). Am 17. April ist Marold übrigens mit ihrem Programm „Ziemlich dreissig“ im Eisenstädter Kultur-und Congress-Zentrum zu Gast. Andy Hallwaxx ist als Autor, Komödien- und Revuenregisseur, aber auch für Anspruchsvolles etabliert („Die Andrew Sisters“, „Die Radiofamilie“ im Wiener Volkstheater in den Außenbezirken).

Christoph Wagner-Trenkwitz, der Opernball-Meister-Conférencier, Hobby-Mime und Musikführer auf Marcel Prawys Spuren, hat den Theatersommer Haag übernommen, wo er heuer „Reset – Alles auf Anfang“
von Roman Frankl und Michael Niavarani herausbringt, eine Uraufführung mit dem Kabarettisten Herbert Steinböck: Einem Geschäftsmann in den besten Jahren wächst sein Privatleben über den Kopf (ab 8. Juli). Ex-TV-Ermittlerin Kristina Sprenger („Soko Kitzbühel“) zeigt im Berndorfer Stadttheater „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn über die irrsinnigen Seiten des irrsinnig Komödie-Spielens, ferner „Gut gegen Nordwind“, Erfolgsroman und -stück von Daniel Glattauer über eine kratzbürstig-charmante E-Mail-Beziehung.

(c) Schloss Esterhazy

Die heile Welt wankt. Margit Mezgolich bringt nach „Erben für Anfänger“ heuer wieder ein eigenes Lustspiel im Herrenseetheater Litschau heraus: „Der Aufsatz“.
Der Text eines achtjährigen Buben aus Pakistan zur Frage, was er mit einer Kiste voller Gold machen würde, sorgt für
gewaltige Aufregung. Woody Allen hat eine herrliche Variation auf Shakespeares „Sommernachtstraum“ geschrieben: Die „Mittsommernachts-Sex-Komödie“ war ein großartiger Film und auch im Burgtheater (mit Michael Maertens als Erfinder) ein großer Erfolg. Nun kommt das bittersüße Stück über Schrullen und Sex auf der Rosenburg heraus – in der Regie von Nina Blum mit Oliver Baier und Eva Herzig. Tradierte Werte, gesellschaftlicher Aufbruch, politische Rivalitäten, auf den vielfältigen Bruchlinien im Italien der Nachkriegszeit „surfte“ – wie man heute vielleicht sagen würde – virtuos Giovannino Guareschi mit seinen Romanen über Hochwürden Don Camillo und den kommunistischen Bürgermeister Peppone. Die TV-Serie war ein Klassiker. Heuer inszeniert Zeno Stanek den kuriosen Kampf der zwei Querköpfe in Stockerau: mit Christoph Krutzler, der zuletzt viel Kritikerlob einheimste als Ganghofer in den „Letzten Tagen der Menschheit“ von Karl Kraus (in Salzburg und am Burgtheater). Wer einmal Franzobels Hymnen auf das Lustspielhaus Wien samt seinem Publikum gelauscht hat, könnte sich fast verlieben in diese Institution. Aber auf jeden Fall lieben wir Franzobel, der heuer „Hamlet“ für das Lustspielhaus neu schreibt, wobei der Kunsthandel eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Adi Hirschal hat noch einen zweiten Sommerjob: in Laxenburg, wo heuer ein bekanntes Sujet neu aufpoliert wird: „Ewig jung“, das Songdrama von Erik Gedeon (ab 14. 6.), mit Maddalena Hirschal und Christian Deix, spielt im Jahr 2062: Das Theater ist geschlossen und eine Seniorenresidenz darin untergebracht. Die alten Herrschaften sind widerspenstig und wollen feiern. Die Krankenschwester will, dass sie Kinderlieder singen. Wie wird das enden? Auf jeden Fall lustig.

Tipp

Was gibt es noch: Wer‘s letztes Jahr versäumt hat, kann heuer einen Ausflug ins „Inferno“ unternehmen, ab 16. 8. im Mödlinger Bunker. Mit einer Vielzahl von Veranstaltungen lockt das Viertelfestival, darunter „Lili Marleen“ (viertelfestival.noe)
www.theaterfest-noe.at

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