Volkstheater: Puck sagt gute Nacht und wird beklatscht

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Fast sein gesamtes Ensemble hat Michael Schottenberg bei seiner letzten Inszenierung als Direktor des Volkstheaters auf der Bühne versammelt: William Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« lässt er mit Nostalgie und feinem Witz wie ein Märchen aus dem Biedermeier spielen.

Abschiede sind häufig sentimental. Zehn Jahre lang hat Michael Schottenberg als Direktor und Regisseur das Volkstheater geprägt, er stand manchmal sogar, wenn Not am Mann war, selbst auf der Bühne. Als künstlerischer Leiter hat er, vor allem zu Beginn, Freches und Sozialkritisches versucht, er ist wirtschaftlichen Zwängen begegnet, indem er rasch auch leicht und populär wurde, aber selbst manche Klassiker wagte er mit einem im Vergleich zum Burgtheater sehr kleinen Ensemble, das dann an die Grenzen seiner Möglichkeiten gehen musste.

Für seine letzte Regie als Intendant des Hauses wählte Schottenberg ein bewährtes Stück Welttheater. William Shakespeares Lustspiel „Ein Sommernachtstraum“ verlangte fast alle Kräfte dieses Ensembles, das dabei erneut demonstriert, wie gut es unter dieser Leitung zusammengewachsen ist.


Finale vertrauter Darsteller. Der Regisseur verwandelt die circa 410 Jahre alte Komödie in eine allein schon wegen des Bühnenbilds biedermeierlich anmutende Aufführung. Hans Kudlich hat die Logen des Volkstheaters spiegelbildlich auf die Bühne gestellt. Von dort erklingt alte Musik (Leitung: Imre Lichtenberger-Bozoki), sie weist weiter zurück zum Original. Inmitten der Kulisse noch ein Vorhang. Reichlich sieht man, wenn er hochgeht, verschiebbare Kulissen aus Pappe und opulente Gemälde. Und für die Szenen mit den Laienschauspielerin dient ein Fetzen als Kulisse. So viele Ebenen der Verwirrung gibt's.

Nicht einmal zwei Stunden dauerte die Aufführung bei der Premiere am Freitag, wenn man die Pause abzieht. Das Publikum reagierte mit lang anhaltendem, warmem Applaus, der wohl auch einer Ära galt, dem Abschied von vielen im Ensemble. Der Direktor sagt Goodbye, und die meisten vertrauten Schauspieler wird man bald auf dieser Bühne auch nicht mehr sehen. Das stimmt hier etwas nostalgisch.

Schottenberg, ein Mann mit Pranke, hat diesmal subtilen Witz gezeigt. Stellenweise fehlt zwar der sprachliche Esprit, wird deklamiert, fügt sich nicht alles, nicht immer auch sind die starken Kürzungen dem Verständnis dienlich – doch das wird durch Spiellaune wettgemacht. Die komödiantische Lust zeigt sich naturgemäß am deutlichsten bei der Gruppe der Handwerker, die das absurde Spiel im Spiel betreiben. Angeführt von Rainer Frieb als Peter Squenz und Erwin Ebenbauer als Zettel zeigt diese Truppe höchst professionell, wie schlechtes Theater aus dem Volk funktioniert. Alles Charakterköpfe– Thomas Kamper als Flaut, Thomas Bauer als Schluck, Tany Gabriel als Schnauz und Haymon Maria Buttinger als Schnock. Gut gebrüllt, Löwe!


Objekt der Begierde. Ebenbauer glänzt als Objekt der Begierde für Elfenkönigin Titania (Martina Stilp). Er wurde in einen Mann mit Eselskopf verwandelt, sie wurde per Zauberkraft in blinde Verliebtheit versetzt. Ihr Gatte, König Oberon (Patrick O. Beck), hat diese Eselei ersonnen und seinen Adjutanten Puck (Erni Mangold) zauberkräftig ausführen lassen. Natürlich reizt das hohe Paar (tolle Kostüme von Erika Navas, viel weiße Schminke der Höflinge) nicht so sehr zum Lachen wie die Handwerker, doch es tritt souverän auf, das Zusammenspiel funktioniert.

Auch das parallele weltliche Paar ist gut gewählt. Günter Franzmeier ist ein prächtiger Herzog Theseus. Ihm dämmert erst sehr langsam, dass die von ihm eroberte Königin der Amazonen, die er zu Mittsommer heiraten wird, vor der Übernahme der Macht steht. Eine künftige Domina ist diese Hippolyta (Claudia Sabitzer). Gekonnt variieren diese beiden den Kampf der Geschlechter in der Feenwelt, der in vier jungen, von Verliebtheit wirren Menschen gröber zum Ausdruck kommt: Andrea Bröderbauer als Hermia und Annette Isabella Holzmann als Helena sind vor allem entzückend, Matthias Mamedof zeigt als Demetrius bei diesem Bäumchen-wechsle-dich-Spiel wie gewohnt sein komödiantisches Können, und er hat in Jan Sabo als Lysander einen etwas ernsteren Macho als Widerpart. Ausgelöst wird die Verwicklung, die zur Flucht der vier jungen Leute aus Athen in die verwandelnde Natur führt, von Hermias strengem Vater, Egeus (Alexander Lhotzky), der sie zur Hochzeit mit Demetrius zwingen will, verschärft durch das Wirken der Zauberwelt, die Liebe zum bloßen Zufall macht.

Ein Blick nach traumvoller Nacht genügt. Schon sind sie hin. Ein schönes Detail: Menschen (und sogar die Feenkönigin) bekommen im Schlaf einen schwarzen Schleier verpasst, die ihre Gesichter bedecken. Zudem lassen der Elfenkönig und sein Adjutant Glitzer auf die Schlafenden herabrieseln. So viel zu Verschleierungstaktik, Finsternis und goldener Illusion. Ein Schelm, wer denkt, dieses Stück sei an sich für Kinder gedacht, weil es am Schluss abgeklärt „Gute Nacht“ heißt.

Die Auftritte von Mangold als Puck sind überraschend überirdisch. Es mag eine bizarre Idee sein, diesen quirligen Geist von einer alten Dame spielen zu lassen – das ist doch körperlich beschwerlich! Ihre Augen aber verraten, dass diese Frau noch immer einen Schalk geben kann, dem das Böse nicht fremd ist. Jede Bewegung, jede abfällige Geste zeigt, dass dieser fantastische Geist die Welt genau kennt, die sich als reines Märchen präsentiert.

Beim Schlussapplaus wird zum Verbeugen reichlich mit Konfetti geworfen. „Nun, gute Nacht“, murmelt Puck und verspricht all jenen, die nicht Buh rufen, eine Belohnung. Dann gebe es hier bald ein besseres Stück. Löwen, die noch lauter rücksichtsvoll brüllen werden? Mit dieser Illusion versehen kann man ruhig schlafen gehen.

Zur Person

Michael Schottenberg wurde 1952 in Wien geboren. Der Schauspieler und Regisseur gilt seit Langem als prägende Figur der Wiener Theaterszene.

Direktor. Schon vor seiner Direktionszeit inszenierte er einige Produktionen am Volkstheater, seit der Spielzeit 2005/06 leitet er das Haus. Nach zehn Jahren lässt er nun seinen Vertrag auslaufen. Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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