"Welches Gesicht soll ich machen?": Otto Schenk wird 85

(c) Teresa Zötl
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Er spielt, liest, dreht – und feiert am Freitag in der Stadthalle Geburtstag: Otto Schenk über spezielle Momente und seinen überquellenden Kalender.

Die Presse: Fast wäre unser Interview wegen einer Terminkollision nicht zustande gekommen. Ihre Frau weiß bei Ihrem Kalender gar nicht mehr, wo sie alles hinschreiben soll.

Otto Schenk: Ja, das ist ein Problem, die Kalender sind zu klein.

Wahnsinn, was da drinnen steht.

Ja, es ist ein Wahnsinn. Es ist so überraschend viel. Ich bin immer überrascht von allem, bin überrascht von Erfolgen, von Terminen, von freundlichen Worten, von Beliebtheit und Überschätzung. Ich hab nicht diese Meinung von mir, die Gott sei Dank alle Leute haben.

Welche Meinung haben Sie denn selbst von sich?

Naja, das will ich nicht im Detail beschreiben. Das würde eine Litanei von Schwierigkeiten.

Für andere gelten Sie als nationale Institution.

Da weiß man ja schon nicht, was für ein Gesicht man machen soll, wenn man als nationale Institution bezeichnet wird. Wie der Kortner gesagt hat: Ich hab kein Blumengesicht, wenn man mir Blumen schenkt.

Wie behalten Sie den Überblick über all das, was gerade los ist?

Ich hab nie einen Überblick gehabt. Aber ich sag Gott sei Dank die richtigen Sachen auf, wenn man mich auf die Bühne lässt.

Wann muss man spätestens das richtige Stichwort geben?

Na, das können Sie ganz spät. Ich werde oft im letzten Moment noch zu einer Lesung geschickt. Theatervorstellungen – es ist ja ein Alptraum aller Schauspieler, dass man eine Theatervorstellung versäumt. Das ist mir Gott sei Dank noch nie passiert.

Weil Ihre Frau alles im Griff hat?

Sie hat alles im Griff, aber manchmal geht es über die Kraft und die Möglichkeit, es im Kalender genau zu formulieren. Da haben Gäste manchmal vergeblich vor der geschlossenen Tür gewartet. Wir haben uns dann unendlich entschuldigt.

War es immer die Rolle Ihrer Frau, Ihre Managerin zu sein?

Als Managerin würde sie sich gar nicht bezeichnen, aber als Gedächtnis. Vorausahnend, was ich machen soll, mich beratend oder verhindernd. Sie ist das Herz unseres Unternehmens. Sie wählt aus und sagt, das musst du machen, und das brauch ma nicht, das mög' ma nicht. Sie spricht von uns. Wir sind ein Wesen. Gefühlsmäßig sind wir kaum zu trennen. Sie hat schon eine große Macht über mich, und ich genieße die Hilflosigkeit dieser Macht gegenüber.

Und das seit bald 60 Jahren.

Es sind 58 oder 59. Da droht ja auch ein Jubiläum. Es ist die Geschichte einer ständig variierenden Verliebtheit. Nicht nur Liebe, sondern Verliebtheit, blödsinnige Verliebtheit.

Wie hat das begonnen?

Mit einem fast hilflosen Werben um sie, während sie ganz andere Ideen hatte, im Reinhardt-Seminar. Und später das Landen meiner langen Geschwätze, die sie anscheinend fasziniert haben, und die ich so umbiegen konnte, dass es zu einem ewigen Gespräch wurde, das wir nach wie vor führen.

Sie war auch Schauspielerin, hat damit aber aufgehört ...

Ich empfinde das immer als Schuld, und sie gar nicht. Sie lebt so, als würde ihr nichts abgehen. Ich habe nicht die Fähigkeit, jemanden, den ich gern habe, zu pushen. Ich hab immer das Gefühl, das muss sich allein ergeben. Dasselbe passiert mir mit meinem Sohn. Ich ziehe mich zurück, wenn er etwas macht, und will nicht, dass er in irgendeinem Schatten steht. Er hat (als Dirigent, Anm.) Gott sei Dank einen anderen Beruf und hat ein wunderbares Gasthaus, das er mit seiner Freundin Tamara Trojani führt, das Stöckl in Schönbrunn. Das bewundere ich, weil ich einer bin, der das Nebengeschäft für sehr wichtig hält. Ich war nie abhängig von einem Theater. Ich hab zu lesen begonnen, hab zu blödeln begonnen, zu dirigieren begonnen, ich hab Oper gemacht. Das war nebenbei, ich bin ja Schauspieler, laut Pass. Und auch laut Talent, ich hab kein anderes Talent als das schauspielerische.

Was ist in diesem ständigen Weiterarbeiten der schönste Moment? Es ist ja auch anstrengend, mühsam.

Die schönsten Momente sind die Begegnungen mit den Talenten. Das ist vom Alter, von der Berühmtheit unabhängig. Ich kann mich erinnern, dass ich einem alten Schuster begegnet bin, der für den Hans Sachs die richtigen, echten Schuhe gemacht hat. Da sind mir fast die Tränen gekommen. Es ist ein Beispiel für ein Funktionieren. Ein Funke – es kommt ja von funken. Etwas funktioniert: Verständnis, eine Suggestion oder eine Bewegung, ein Blick, eine Hilflosigkeit. Es gibt ein ganzes Bettelarmband von Details, die mich glücklich machen. Sporadisch glücklich. Einen Glückszustand einer ganzen Arbeit gibt es eigentlich nicht.

Wollten Sie selbst weiterarbeiten oder hat es das Publikum gefordert?

Ich muss verlangt werden. Verlangt von einem Direktor, einem Publikum, einem Werk, einem Unternehmen. Wenn das nicht mit gewisser Penetranz geschieht, dann mach ich nix, überhaupt nix. Ich lese. Sie sehen diese Zelle hier, da ist noch genug zu lesen da. Kommt drauf an, wie lang die Augen halten. Es ist alles eine Gnade, was sich ergibt. Und noch dazu ist das Theater ein Unternehmen, in dem man alt werden darf. Das ist auch eine Gnade. In welchem Beruf geht das noch? Schon der Papst ist zurückgetreten ...

„Das Allerbeste zum 85. Geburtstag von und mit Otto Schenk“, 12. Juni, Wiener Stadthalle, Halle F. Karten: 01/79 999 79, www.oeticket.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

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