Mumok: Zarter Aktionismus bei ImPulsTanz

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THEMENBILD: STADTPORTR�T WIEN - MUMOK(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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In der Aktionismus-Ausstellung im Mumok zeigt Alix Eynaudi ihr intimes Duo „Monique“. Im Schauspielhaus gibt Maarten Seghers den durchgeknallten Sisyphos.

Die Wiener Aktionisten waren, wenn man so will, die europäischen Performance-Künstler der 1960er-Jahre. Sie hielten sich nicht an die Grenzen der Kunstgattungen und wollten für sich und ihr Publikum ein möglichst unmittelbares Erlebnis von Körperlichkeit – bis hin zur Grenze des Erträglichen. „Mein Körper ist die Absicht, mein Körper ist das Ereignis, mein Körper ist das Ergebnis“, sagte Günter Brus, und spendete damit der derzeit (bis 23.August) im Wiener Mumok laufenden Aktionismus-Ausstellung den Titel. Brus war einer der radikalsten Vertreter des Wiener Aktionismus, der 1968 in einer vom Boulevard als „Uni-Ferkelei“ titulierten Aktion gipfelte, bei der in einem Uni-Hörsaal gleich eine ganze Reihe von Tabus gebrochen wurden – von Nacktheit über Auspeitschungen bis Masturbation und Selbstverstümmelung.

Im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals konfrontieren Performer von heute sich und ihre Arbeit nun im Mumok mit den Provokationen von einst. „Wie pervertiert man einen perversen Akt?“, fragt Alix Eynaudi im Begleitheft zu ihrer „Gallery Version“ des Stücks „Monique“. Die Performance gab es schon, die Ausstellungsversion des von Bondage inspirierten Duos passt hervorragend zwischen die von der Decke baumelnden Leinwände, auf denen schemenhaft Aktionen von Hermann Nitsch, Günter Brus und Otto Muehl als Video oder Diashow zu sehen sind. Wie pervertiert man also, was die Künstler in den 1960er-Jahren getan haben, die derart skrupellos mit sich und ihren Performern umgesprungen sind? Eynaudi und Mark Lorimer tun es, indem sie das genaue Gegenteil machen. Wenn sich Eynaudi auf den wie ein Vierfüßer am Boden krabbelnden Lorimer setzt, tut sie das ganz behutsam. Achtsam und zart nimmt er später ihre Füße in die Hand, um einmal darunter mit seinen Fäusten einen Sockel zu formen. Und selbst wenn er den Körper der Partnerin dann im Eiltempo mit einer rauen Schnur verknotet oder– etwas später – ihren Finger verdreht, macht Lorimer das so vorsichtig, dass es nicht weh tut. So kontrastieren die beiden die Brutalität der Aktionismus-Bilder und -Videos, auf denen manch gequälter Gesichtsausdruck an die Entschlossenheit der damaligen Bewegung erinnert, die als Mittel zum gesellschaftspolitischen Protest diente. „Monique“ hingegen ist ein sehr privates, intimes, auch erotisches Stück einer zarten Annäherung.

Auch sehr aktionsreich: Maarten Seghers Stück „What Do You Mean – What do You Mean – And Other Pleasantries“, das im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals im Schauspielhaus gezeigt wird (auch am 13. und 14.August). Kaum steht Seghers auf der Bühne, gibt er den völlig durchgeknallten Sisyphos, der sich mit einem über zwei Meter langen Brett vor dem Kopf durch eine laute, aber amüsante Performance quält, in der er immer und immer wieder Textzeilen repetiert, eintönige Töne anschlägt und sich auf die Suche nach einem verlorenen Passwort macht, das wohl wie eine Zauberformel alle Probleme auf einmal lösen soll.

Und alle singen das Lied vom Kren

Wie ein zugedröhnter Siebzigerjahre-Popstar wedelt Seghers mit den Armen, klatscht und fordert sein Publikum auf, mitzumachen: „C'm on!“, brüllt er gegen den ohrenbetäubenden Lärm, den er mit seinem Körper den sechs großen Spanplatten-Boxen entlockt, die er als seine Band – „The Horrible Facts“ – mit auf die Bühne gebracht hat. Immer wieder singt er seinen Song, der sich weder auf Horseradish, schon gar nicht auf Kren reimt, aber von einigen im Publikum fröhlich mitgesungen wird, auch wenn das alles keinen Sinn ergibt, wie Seghers selbst feststellt. Hier jagt ein absurder, grotesker Moment den nächsten. Wie Sisyphos tut Seghers einfach, was offenbar getan werden muss – und ist dabei so gut drauf wie ein Stand-up-Comedian. Und da findet sich dann doch noch ein Sinn: Nicht raunzen, lachen!

IMPULSTANZ IM MUMOK

„Redefining Action(ism)“. Weitere Aufführungen im Rahmen der Mumok-Ausstellung: Akemi Takeya macht in „Lemonism X Actionism“ (UA, 21. Juli) die Frucht zum Stellvertreter des menschlichen Körpers. Christine Gaigg veranstaltet am 24. Juli eine performative Intervention („Charged Documents“); Miguel Gutierrez beschäftigt sich mit Günter Brus („Fuckmegunterbrusbrusgunter-mefuck“, 31. Juli); Ivo Dimchev macht „Facebook Theatre“ (7. August); und Antony Rizzi zeigt am 12. August die Abramović-Hommage „The Artist Is Here“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2015)

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