Stefanie Reinsperger: "Ich habe den Fasching gehasst"

Stefanie Reinsperger
Stefanie ReinspergerDie Presse
  • Drucken

Zur Saisoneröffnung debütiert Stefanie Reinsperger am Volkstheater unter der Regie Anna Badoras, der neuen Direktorin. Ein Gespräch über Lust an Neuem und Liebe zu Klassikern.

Sie sind erst 27 Jahre alt, aber Ihre Karriere ist bereits vielfältig. Nach dem Reinhardt-Seminar wurden Sie sofort vom Schauspielhaus Düsseldorf verpflichtet. Im Vorjahr engagierte Sie das Burgtheater. Eben sind Sie zum Volkstheater gewechselt. War das denn nötig, die Burg zu verlassen?

Stefanie Reinsperger: Für mich ist besonders wichtig, mit welchen Leuten ich zusammenarbeite. Dass ich ans Burgtheater ging, hing auch damit zusammen, dass ich weiterhin mit Dušan David Pařízek zusammenarbeiten wollte, in „Die lächerliche Finsternis“ von Wolfram Lotz. Dušan vertraue ich völlig, dieses Gefühl ist für mich auch bei der Arbeit sehr wichtig. Ich habe an der Burg eine tolle Spielzeit gehabt, auch mit „die unverheiratete“ von Ewald Palmetshofer und „Die Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek. Derzeit aber vertritt dieses Haus gerade, was mich künstlerisch nicht so sehr interessiert. ich fühle mich mehr den Themen zugehörig, denen sich das Volkstheater widmen will. Mein Wechsel dorthin ist auch eine Bauchentscheidung. Und immerhin darf ich in der kommenden Saison auch in diesen drei Aufführungen des Burgtheaters weiterspielen – eine große Freude für mich.

Sie haben Klassiker gespielt und ganz Neues. Wo fühlen Sie sich besser aufgehoben?

Vor einem Jahr hätte ich auf diese Frage noch ganz anders geantwortet. Ich habe am Burgtheater tatsächlich nur Uraufführungen gespielt. Anfangs habe ich die schöne Sprache der Klassiker, vermisst, vor allem von Kleist, Schiller und Grillparzer, aber sich an Uraufführungen heranzuwagen gibt dir als Schauspieler unheimlich viel Freiheit. Keiner weiß, was einen erwartet, wie das gespielt gehört. Bei Ibsens Nora zum Beispiel hat man bereits zuvor so viele Bilder im Kopf. Auf ein, zwei Klassiker im Jahr, an denen man sich abarbeiten kann, möchte ich dennoch nicht verzichten. Es hat gute Gründe, warum sich diese Stücke so lang halten.

Das Volkstheater-Ensemble ist viel kleiner als das der Burg. Kommt jetzt mehr Arbeit?

Ich freue mich schon darauf! Noch habe ich so viel Energie, dass ich genau das will. Ich habe eine Riesenlust auf ein großes Repertoire.

Zur Eröffnung spielen Sie am Volkstheater in „Fasching“. Intendantin Anna Badora inszeniert die Dramatisierung eines Romans von Gerhard Fritsch. Wie vollzieht sich dieser Wechsel zum Drama bei den Proben?

Es ist eine offene, kommunikative Arbeit, bei der wir Schauspieler auch mit Ideen kommen können. Ich empfinde die Proben als work in progress.

So wie in „die unverheiratetete“ geht es um Vergangenheitsbewältigung, die NS-Zeit. Wie nah ist Ihnen das Thema? Sie gehören fast schon der Generation der Urenkel an.

Ich habe mich schon sehr früh dafür interessiert. Meine erster Kontakt war das Buch „Chaja heißt Leben“ von Jane Yolen. Das hat mich so sehr gepackt, dass ich mir von meinen Eltern mit 14eine Chronik des Holocaust gewünscht habe. Ich wollte mich dem stellen. Unsere Generation ist vielleicht die erste, die das tatsächlich bereits mit gewissem Abstand machen kann. Bei „die unverheiratete“ war es schön, mit Elisabeth Orth zusammenzuarbeiten, die all ihre Erfahrungen mit einbrachte. Bei unseren Proben zu „Fasching“ steht aber nicht die NS-Zeit an sich im Fokus, sondern Mitläufertum und Ausgeschlossensein ganz allgemein. Ich frage mich, wo ich damals gestanden wäre, ob ich es gewagt hätte, in den Widerstand zu gehen.

Das zweite Stück für Sie am Volkstheater ist „Nora“, eine Mischung aus den Texten von Henrik Ibsen und Elfriede Jelinek, eine Übernahme aus Düsseldorf, wo Sie bereits die Protagonistin gaben. Wie ist denn die Wiederbegegnung mit einer Aufführung Jahre später an einem anderen Ort?

Wir haben das in Düsseldorf wirklich gern gespielt. Die Wiedersehensfreude ist groß. Ich finde es toll, dass dieser Abend in Wien wieder zum Leben erweckt wird. Wir fangen mit dem Ende von Ibsens Drama an. Nora hat ihren Mann und die Kinder verlassen, bei Jelinek arbeitet sie nun in einer Fabrik. Es ist aufregend, dass in dieser Kombination der Text von Ibsen zur Kunstsprache wird, nicht jener von Jelinek. Ich liebe es, wenn Nora sagt: „Ich bin keine komplizierte Persönlichkeit, ich bin vielschichtig.“ Das beschreibt meine Vorstellung dieser Rolle wirklich gut.

Was sind denn Ihre Vorzüge und Ihre Schwächen? Auf der Bühne.

Meine Energie ist Stärke und Schwäche zugleich. Ich muss mich manchmal zügeln. Selbst nach einem schweren Arbeitstag kommt bei mir noch spätabends ein richtiger Schub. Auspowern beim Sport hilft mir herunterzukommen. Meine Vorzüge sind sicher das Offene und Unkomplizierte. Als Typ möchte ich mich aber nicht einengen lassen. An der Schauspielschule hatte ich oft komische Rollen, in Düsseldorf hat man mir aber zu meiner Überraschung große tragische Rollen gegeben. Ich brauche beides. Um Leute zum Weinen zu bringen, solltest du sie erst einmal zum Lachen bringen. Das macht mir richtig Spaß.

In einigen Aufführungen haben Sie schräge Outfits. Mögen Sie Verkleidungen?

Das macht mir gar keinen Spaß. Als Kind habe ich den Fasching gehasst. Ich würde privat nie verkleidet auf ein Gschnas gehen. Es ist mir völlig egal, was ich auf der Bühne anhabe. Das ist nicht despektierlich gegenüber den Kostümbildnern. Für mich ist das nur eine Hülle. Für wichtiger halte ich es zu begreifen, was ich da spiele.

Wann haben Sie denn endgültig beschlossen, Schauspielerin zu werden?

In der Volksschule. Der Wunsch nach dem Spielen war sehr früh da. Meine Eltern sind dann mit mir in sehr viele Aufführungen gegangen, auch in Konzerte. Der Bühnenraum war mir früh vertraut. Nach der Matura habe ich mich bei der Schule Ernst Busch in Berlin beworben, ich wollte so gern nach Deutschland. Man hat mich nicht genommen. Also ist es das Reinhardt-Seminar geworden – vier tolle Jahre. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Das nennt man Glück. Es ist ein unglaublicher Luxus, spielen zu dürfen. Selbst wenn es mir schlecht geht – wenn ich dann auf der Bühne war, geht es mir danach meist viel besser.

Steckbrief

Stefanie Reinsperger
wurde 1988 in Baden bei Wien geboren, schloss das Reinhardt-Seminar 2011 mit Diplom ab, kam dann sofort ans Schauspielhaus Düsseldorf.

Burgtheater 2014/15
In diesem Engagement spielte sie zwei Uraufführungen: „Die lächerliche Finsternis“, „die unverheiratete“ sowie die österr. Erstaufführung von „Die Schutzbefohlenen“.

Herbst-Premieren
Nach ihrem Wechsel zum Volkstheater ist Reinsperger dort ab 5.9. in „Fasching“ zu sehen, ab 12.9. in „Nora“, ab 31.10. im Volx/Margareten (Margaretenstr. 166) in „Selbstbezichtigung“ von Peter Handke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.